9. Verhandlungstag: Um 9.33 Uhr wurde der Strafprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ, ÖVP) fortgesetzt, bei dem es bekanntlich u.a. um Bestechungs- und Untreuevorwürfe bei der Buwog-Privatisierung und dem Linzer Terminal Tower geht.

Der Sitzungstag beginnt mit einem kleinen Aufreger und einer deutlichen Rüge für Grasser-Anwalt Manfred Ainedter durch Richterin Marion Hohenecker. Die Schöffen haben ihr mitgeteilt, dass Ainedter in einer Verhandlungpause auf die zwei Haupt-Schöffen zugegangen sei und mit ihnen ein Gespräch angefangen habe. Er habe dabei zu verstehen gegeben, dass er über das Privatleben der Schöffen recherchiert habe. Die Richterin rügte Ainedter, dass dies verboten sei. Ainedter gab zu Protokoll, dass er lediglich „smalltalk“ gemacht habe. Auch das sei verboten, sagt die Richterin, „dass sollten Sie mit Ihrer langjährigen Erfahrung eigentlich wissen“.

Es geht weiter mit der Befragung des Ex-Lobbyisten Peter Hochegger, der Grasser mit seinem Teilgeständnis schwer belastet hatte. Nun ist die Staatsanwaltschaft mit ihren Fragen an der Reihe - vertreten durch die beiden Staatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk.  Man geht die Zahlungsströme durch und wie Hochegger damals die 9,6 Millionen Euro schwere Provison über eine Auslandsfirma auf die berühmten drei Konten in Lichtenstein transferiert hatte. Eines davon ordnet die Staatsanwaltschaft Grasser zu, eine Theorie, die Hochegger mit seinem Teilgeständnis unterstützt und auch heute wiederholt. 

„Da habe ich keine Ahnung“

Auch die Scheinrechnungen von Hocheggers zypriotischer Firma Astropolis an die Immofinanz werden besprochen. Die in Rechnung gestellten Projekte hat es nie gegeben, laut Hochegger sei das den Mitangeklagten Walter Meischberger,Ernst Karl Plech und auch dem damaligen Immofinanz-Chef Karl Petrikovics bewusst gewesen. Meischberger und Plech schütteln bei diesen Aussagen energisch die Köpfe. Und wieder geht es um die Astropolis und um ihr laut Staatsanwaltschaft „kompliziertes“ Firmenkonstrukt. Warum habe es ein solches gebraucht? „Da habe ich keine Ahnung“, sagt Hochegger, er habe sich hier auf seinen damaligen Berater verlassen.

Die Firma hatte ein Konto, auf dem Hochegger zwar wirtschaftlich Berechtigter, aber nicht Zeichnungsberechtigter gewesen sei. „Ich habe immer alles brav unterschrieben, was man mir vorgelegt hat“, sagt der Angeklagte. Wie kamen die Summen der nicht erbrachten Leistungen zustande, will die Staatsanwaltschaft wissen. „Keine Ahnung“, sagt Hochegger, die auf den Rechnungen aufgelisteten Projekte habe es ja auch nie geben. 

Was Hochegger mit seiner Provison gemacht hat

Seinen Anteil an der Buwog-Provision habe Hochegger, der auf eine entsprechende Frage der Staatsanwaltschaft antworten muss, wie folgt investiert: Er hat sich eine Wohnung in Bulgarien gekauft, 1,7 Millionen in Brasilien investiert und 500.000 Euro flossen nach Österreich, um „flüssig“ zu sein.

Die Staatsanwaltschaft springt in ihren Fragen von einem Thema zum anderen, es geht nun wieder um Hocheggers Besuch auf dem Meischberger-Boot auf Ibiza, wo ihn dieser gesagt haben soll, dass der Buwog-Deal „ohne Karl-Heinz“ nicht möglich gewesen. Das sei im Juli 2007 gewesen, die beiden waren damals noch gut befreundet. Kurz darauf geht es um die Selbstanzeige, die Hochegger damals erstattet hat - weil er seinen Anteil der Provision nicht versteuert hatte. Meischberger habe ihn damals überreden wollen, dass er die Schuld auf sich nimmt. Denn wenn „Meischis“ Name in der Öffentlichkeit falle, würde sofort eine Verbindung zu Grasser hergestellt werden, habe Meischberger gesagt. 

„Peter, das kannst du nicht machen“

Dann folgt ein emotionaler Moment. Die Staatsanwaltschaft fragt Hochegger, warum er nun gestehe. Er habe in seiner Zeit in Haft eingesehen, dass er für seine Taten Verantwortung übernehmen müsse. Hochegger stoppt und muss einen Schluck Wasser nehmen. „Auch, wenn das fürs mich eine Freiheitsstrafe bedeuten könnte.“ Die Staatsanwaltschaft hakt auch nach, was Meischberger kurz vor seinem Teilgeständis im Dezember zu ihm gesagt habe. Dieser sei aufgebracht zu ihm gekommen und fragte ihn, ob er nun ein Geständnis ablegen werde, erinnert sich Hochegger. Und dann habe er gesagt „Peter, das kannst du nicht machen. Wo wir jetzt so gut liegen.“ 

Nun sind die Privatbeteiligten am Wort. Die Finanzprokuratur hat keine Fragen, nun ist der Vertreter der CA Immo an der Reihe. Es geht um Details zum Bieterverfahren um die Buwog-Wohnungen und um die Zahlungsflüsse.

Chaos bei Hocheggers Befragung

Nach der Mittagspause geht es weiter, jetzt dürfte es spannend werden: Die beiden Grasser-Verteidiger nehmen Hochegger jetzt fragetechnisch in die Mangel. Anwalt Norbert Wess beginnt - nach einer Diskussion mit der Staatsanwaltschaft, in wie weit Wess die Anklageschrift zitieren darf. „Ganz ruhig“, mahnt Richterin Hohenecker, „so kommen wir nicht weiter“.

Beim dritten Versuch klappt es dann mit der Frage, es geht um den berühmten „Tatplan“, den die Staatsanwaltschaft den vier Hauptangeklagten attestiert.  Diesen bestreitet Hochegger erneut, er habe im Bezug auf die Buwog auch nicht mit Grasser kommuniziert. Immer wieder wiederholt Hochegger, dass er vieles „bereits zu Protokoll“ gegeben hat. Und wieder wird um die Fragestellung gestritten, Wess muss wieder Kritik einstecken. Er dürfe laut Richterin nicht so fragen, als wäre die Anklage der Staatsanwaltschaft oder sein Eingangsvortrag ein Beweis, deshalb könne man Hochegger nicht zur Anklageschrift befragen.

Eine sehr komplexe Diskussion, die den Prozess zum Halten bringt. „Aus jetzt“, ruft die Richterin immer wieder dazwischen. Verärgert klärt Hohenecker auf, wie Wess zu fragen hat. „Wir machen das jetzt eh anders, das ist sonst zu mühsam“, raunt Wess. Er stellt noch - besonders vorsichtig - zwei Fragen zur Caus Buwog, dann ist Grassers Anwalt Manfred Ainedter an der Reihe.

Er hinterfragt die „Reise des Lernens“, welche Hochegger als Grund für sein Teilgeständnis nannte. Es habe hier doch bereits vorher mehrere Stationen gegeben, an denen er aussteigen hätte können. Nun geht es um eine von Hochegger eingebrachte Schadensersatzklage - und wieder bricht Streit mit der Staatsanwaltschaft aus.

Gelächter im Saal 

Jetzt wird es verwirrend: Ainedter ließt eine Korrespondenz mit Hocheggers ehemaligen Anwalt vor, der Angeklagte zeigt sich verwirrt. Er habe vom Brief an Ainedter gewusst, dessen Antwortschreiben kenne er nicht. Ainedter glaubt ihm das nicht. Die Richterin fragt nach der Relevanz. Und wieder geht es um die Hochegger-Klage, dann um die Gründer von Hocheggers Firma. Grassers Anwälte, die abwechselnd die Fragen stellen, wollen offenbar Hocheggers Glaubwürdigkeit angreifen.

Ainedter hinterfragt Hocheggers Aussage, dass ihm ein Banker erzählt habe, dass Grasser bei der bezog involviert sei. Das sei unrealistisch, sagt Ainedter und fragt, wie genau ihm Hochegger -wie er bereits ausgesagt hatte - in Wort gefallen sei. Das habe er schon ausgesagt, sagt Hochegger. Stimmt nicht, sagt Ainedter und liest aus dem Protokoll vor, dass Hochegger dem Banker gesagt habe, dass er nichts davon wissen wolle. „Sehen Sie, und genau das habe ich gesagt“, sagt Hochegger. Gelächter im Saal.  

„Peter, das gewinnen wir“

Wieder geht es um den Banker, der Hochegger gesagt haben soll, wem die drei uminösen Konten in Liechtenstein gehören. Ainedter zeigt die Unterlagen der Kontoeröffnung: zwei Konten habe es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gegeben. Nach einer kurzen Pause erinnert sich Hochegger plötzlich, dass der Termin mit dem Banker doch bei ihm daheim und nicht in einem Hotel gewesen sei. Und auch beim Datum ist sich Hochegger nun nicht mehr sicher. Er bleibe jedoch dabei, dass ihm der Banker die Zugehörigkeit der Konten so geschildert habe.

Wess fragt, ob Hochegger noch offene Rechnungen mit Grasser und Meischberger habe. Nein, niemand schulde ihm etwas, sagt Hochegger und verrät: Am ersten Prozesstag habe ihn Grasser mit den Worten begrüßt: „Peter, das gewinnen wir“. Ist seine Läuterung schon abgeschlossen, will Wess wissen? „Ich bin noch nicht erleuchtet, sagen wir es so.“ 

Kronzeugenregelung?

Jetzt geht es um ein Schreiben von Hocheggers damaligen Anwalt an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, in dem der Anwalt um ein Treffen mit der dortigen Chefin bat. Wess stellt einen Deal mit der Staatsanwaltschaft in den Raum, eine Kronzeugenregelung. „Um es auf den Punkt zu bringen: Es hat zu keinem Zeitpunkt eine solche Regelung gegeben.“ Auch während seiner Haft sei niemand von der Staatsanwaltschaft auf ihn diesbezüglich zugekommen. 

Die Verteidiger von Grasser lassen von einem sichtlich erschöpften Hochegger ab, damit endet der heutige Prozesstag. Lang kann sich der Befragte aber nicht ausruhen, morgen geht es weiter - mit den Fragen der anderen Verteidiger.