Kanzler und Vizekanzler haben in Seggau erklärt, die Arbeitslosenversicherung Neu werde erst Ende des Jahres vorliegen. Die Notstandshilfe fing bisher schwer vermittelbare Menschen wie  Langzeitarbeitslose oder alleinerziehende Mütter auf. Da gibt es jetzt Ängste. Wo geht es hin?

BEATE HARTINGER-KLEIN: Hartz IV kommt nicht, so hat es mir der Kanzler versprochen.

Aber was stattdessen?

HARTINGER-KLEIN: Das ist die Frage.  Das Wort Notstandshilfe ist negativ behaftet, daher ist es gescheit, das wegzukriegen.  Die Frage ist, welches Netz ich stattdessen knüpfe. Man muss sich   anschauen, ob man das aus der Arbeitslosenversicherung heraus macht oder einen eigenen Topf ins Leben ruft, der wie die Mindestsicherung aus Steuern finanziert wird. Wobei die Mindestsicherung ja in der Kompetenz der Länder ist, inklusive Rückgriff auf das Vermögen.

Und die Länder haben nicht die Mittel, die Notstandshilfe zu übernehmen, oder?

HARTINGER-KLEIN: Ich stelle mir überhaupt eine Grundsicherung vor, und ich habe da auch noch andere Überlegungen, aber da muss ich noch mit den Ländern verhandeln.  Ich wünsche mir eine einheitliche Lösung im Wege einer 15a-Vereinbarung mit den Ländern. Ich habe in der vergangenen Woche schon eine Soziallandesrätin bei mir gehabt und das mit ihr diskutiert, und mit vielen anderen werde ich noch reden. Da finden wir sicher Ansätze.

Also eine einheitliche Grundsicherung, wobei aber auch noch einmal geklärt werden muss, wer was finanziert?

HARTINGER-KLEIN: Genau. Aber mir ist es wichtig zu sagen. Eine Lösung nach dem deutschen "Hartz IV"-Modell wird es nicht.

Im Falle unverschuldeter Arbeitslosigkeit im höheren Alter etwa darf der Betroffene also hoffen, dass er weiter ein Auskommen hat, ohne dass auf sein Vermögen zurückgegriffen wird.

HARTINGER-KLEIN: Ja, der Regierung ist wichtig, dass sich alle Seiten darum bemühen, dass der Betroffene wieder Arbeit findet. Jetzt haben wir Hochkonjunktur, und es wird leichter.  Für ältere Arbeitslose ist es natürlich eine Herausforderung, das wissen wir. Vielleicht können wir für ältere Arbeitslose über das Leuchtturmprojekt Digitalisierung etwas mitberücksichtigen. AMS-Chef Johannes Kopf war jedenfalls einer der ersten, die ich zu Gesprächen eingeladen habe. Mit ihm und anderen gemeinsam will ich über Möglichkeiten der gezielten Qualifizierung nachdenken, wodurch die Talente des oder der Betroffenen wirkungsvoll gefördert werden.

Das wäre ja wie bei Arbeitsstiftungen, aber die sind teuer.

HARTINGER-KLEIN: Ja, die sind teuer. Da muss man eben schauen, wie man das effizienter gestaltet. Es muss trotzdem darum gehen, was die Person leisten kann und was der Arbeitsmarkt braucht.

Und  gering qualifizierten Menschen, die keine anspruchsvolle Aufschulung absolvieren können – welche Perspektiven geben Sie denen?

HARTINGER-KLEIN: Man muss sie motivieren, dass sie sich auch qualifizieren. Natürlich müssen wir auch schauen: Wo sind die Hemmnisse? Ist einer psychisch und physisch überhaupt in der Lage, gewisse Dinge zu machen?  Wenn einer zum Beispiel eine Suchterkrankung hat, muss man ihm zuerst helfen, bevor man ihn wieder eingliedern kann. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir da insgesamt etwas schaffen, schließlich gehört das AMS zu den drei besten Arbeitsplatzvermittlungen Europas.

Also wie bisher, aber noch gezielter nachstoßen?

HARTINGER-KLEIN: Ja, die Personen müssen gezielt abgeholt werden.  Das ist mir gerade bei den Langzeitarbeitlosen und den 50+ ein Anliegen. Daher war es mir auch so wichtig, zu betonen, dass ich die Aktion 20.000 nicht abgeschafft sondern nur ausgesetzt habe, weil vielleicht sind da schon Dinge dabei, die interessant sind und die man weiterverfolgen sollte.

Aber wie gehen Sie da um mit dem Vorwurf zum Beispiel von Wifo-Chef Christoph Badelt, dass diese Aktion voreilig abgebrochen wurde?

HARTINGER-KLEIN: Das AMS, Johannes Kopf, hat mir gesagt, dass sie nicht zielführend war.

Angeblich wurden doch in den Pilotregionen alle Plätze ausgeschöpft?

HARTINGER-KLEIN: Mir wurde gesagt, nein. Aber wir haben noch nicht alle Zahlen. 1326 Anträge sind eingelangt, wie viele Leute definitiv in den Pilotprojekten sind, wissen wir noch nicht genau.

Wenn sich, sagen wir einmal, innerhalb eines Monats, herausstellt, die Aktion hat doch Potenzial, geht es dann weiter?

HARTINGER-KLEIN: Die Evaluierung wird länger dauern, und ich bin erst seit zweieinhalb Wochen im Amt. Ich kann nicht alles niederreißen. Aber wir werden uns alles anschauen und dann entscheiden.

INTERVIEW: CLAUDIA GIGLER