Staatsmännisch, ausgleichend, mahnend, freundlich - Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die erste große Bewährungsprobe seiner Amtszeit, die Bildung einer neuen Bundesregierung, mit Bravour und zwei kleinen Hoppalas bestanden. Auch wenn manche Anhänger und Wähler des ehemals grünen Staatsoberhaupts wenig Freude mit der Angelobung einer ÖVP-FPÖ-Regierung haben und Kritik an Van der Bellen üben, für politische Beobachter hat der Bundespräsident seine Aufgabe ordentlich erledigt. Fast amikal ging die Angelobung der neuen Regierungsmitglieder mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Montag in der Hofburg über die Bühne. Dass Van der Bellen bei Handschlag und Gelöbnis Strache fast übersehen hätte, entlockte den Beteiligten ein Lachen. Das zweite Hoppala passierte dem Bundespräsidenten dann, als er vorzeitig zu Erfrischungen bitten wollte und beinahe auf die Unterzeichnung der Ernennungsdekrete der neuen Ministerinnen und Minister vergessen hätte. Die neue Regierung nahm es mit Humor, während sich der Bundespräsident kurz an den Kopf griff.

Das war es dann aber auch mit den protokollarischen Pannen, politisch hat der Bundespräsident in den vergangenen Wochen alles richtig gemacht. "Das war die Kunst des Machbaren und Möglichen", meinte ein in die Verhandlungen Involvierter zu Van der Bellens Rolle bei den Regierungsverhandlungen. Ein forscheres oder gar ablehnendes Vorgehen des Bundespräsidenten hätte möglicherweise eine Staatskrise heraufbeschwören können.

Forderungen eingebracht

Van der Bellen legte es anders an: Ein klares Bekenntnis zu Europa, die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte sowie einen lediglich maßvollen Umbau in Richtung Direkter Demokratie hatte der Bundespräsident als besondere Anliegen in die Koalitionsgespräche eingebracht, und die Regierung hat entsprechend geliefert. Die Forderung, dass Innen- und Justizministerium nicht in einer Hand sein dürfte, wurde ebenfalls erfüllt.

Darüber hinaus drängte Van der Bellen auch noch auf die Installierung eines Staatssekretärs im Innenministerium, der sich an der Seite des FPÖ-Ministers Herbert Kickl unter anderem um die Korruptionsagenden sowie das Gedenkwesen - unter anderem mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, kümmern soll. Karoline Edtstadler von der ÖVP wird diese Aufgabe übernehmen. In Sachen Geheim- und Nachrichtendienste soll ein Rechtsschutzbeauftrager installiert werden, die Berichtspflichten und damit die Zuständigkeit verbreitert werden.

Etwaige Bedenken zu Ministervorschlägen hat Van der Bellen bereits laufend und pro-aktiv mit Kurz und Strache besprochen. Den EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und den künftigen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus soll Van der Bellen etwa auf diesem Weg abgelehnt haben. Dass das Außenministerium von der FPÖ in Person von Karin Kneissl von einer Frau ohne Parteikarriere übernommen wird, dürfte ebenfalls auf Van der Bellen zurückgehen. Und dass Bundeskanzler Kurz die EU-Agenden vom Außenministerium zu sich ins Kanzleramt holt, hat der Bundespräsident unterstützt. Ein eigenes von der FPÖ angedachtes "Heimatschutz"-Ministerium gibt es nun nicht.

"So muss eine Bundesregierung arbeiten"

Die Angelobung am Montag nutzte Van der Bellen für lobende und mahnende Worte an die neue Regierung. Feierlich und gelöst lief die Zeremonie ab - Van der Bellen zeigte keine saure und versteinerte Miene wie einst Bundespräsident Thomas Klestil bei der Angelobung von Schwarz-Blau I. Der Präsident lobte die Regierungsspitze für ihre kooperative und lösungsorientierte Art bei den Gesprächen in den vergangenen Wochen. Man habe gemeinsam intensiv daran gearbeitet, tragfähige Lösungen zu finden. Dies sei gelungen, das schätze er sehr, "und so muss eine Bundesregierung auch arbeiten".

Verständnis zeigte der Bundespräsident aber auch für jene, die der Regierung skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen: "Es ist in einer Demokratie eben so, dass unterschiedliche Meinungen existieren." Von der Regierung erwartet das Staatsoberhaupt, die Verantwortung für Österreichs gemeinsame Geschichte zu übernehmen, "für helle wie für dunkle Seiten". Ferner forderte Van der Bellen Achtsamkeit beim Gebrauch der Sprache ein. Es brauche auch Respekt vor Andersdenken und Minderheitenrechte: "Am Umgang mit den Schwächsten zeigt sich, was unsere Werte wirklich wert sind."

Ungewöhnlich waren zwei weitere Dinge: Erstens verzichtete Van der Bellen darauf, die Titel der Regierungsmitglieder vorzulesen ("Das ist mir zu umständlich"), zweitens begnügte er sich nicht damit, einfach die Gelöbnisformel abzunehmen, sondern wechselte mit jedem Minister und Staatssekretär auch noch einige persönliche Worte. "Ich wünsche Ihnen nicht zu viel Stress", meinte Van der Bellen nach erfüllter Mission.