Dass der Korruptionsprozess zum Verkauf der Buwog mit einer „Tatort“-Szene starten würde, hätte wohl kein Beobachter vorhersehen können. Die erste Sitzung im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte zeichnete sich weniger durch Inhalte als durch Skurrilitäten aus. Am frühen Nachmittag sah es sogar danach aus, als könnte der Prozess nach jahrelangen Ermittlungen in seiner Eröffnungssitzung platzen.

Alles beginnt mit einer verschlossenen, schmiedeeisernen Tür. Um acht Uhr früh trudeln die ersten Journalisten – vorbei an ein paar Aktivisten – ein, denn die Angst ist groß, keinen Sitzplatz zu ergattern. Eine Angst, die sich später als unbegründet herausstellen wird. Ab 8.45 Uhr darf der Große Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht betreten werden, ein großes Eisentor versperrt den Weg zum Saal. Als sich die Türen kamera-wirksam öffnen sollten, tut sich – nichts. Sie lassen sich nicht öffnen, es heißt warten. Erst mit diversen Schlüsseln und ein wenig Gewalt gibt das Tor den Weg ins Innere frei. Kurze Zeit später tauchen auch die Verteidiger der Angeklagten auf – ein Meer an Anzügen in diversen Grau- und Schwarz-Schattierungen. Nur einer sticht heraus: Anwalt Michael Dohr, der bekannt für ausgefallene Anzüge ist und einen Porr-Mitarbeiter vertritt, erscheint in einem maßgeschneiderten Vivienne-Westwood-Anzug – bedruckt mit Pfundnoten.

Auftritt der Angeklagten

Und dann betreten jene vier Herren den Saal, auf die alle gewartet haben: Hauptangeklagter Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Lobbyist Peter Hochegger und der Immobilien-Boss Erich Karl Plech. Sie nehmen, ebenso wie die anderen elf Angeklagten, in der ersten Reihe und damit vor ihren Anwälten Platz. Marion Hohenecker, die nur wenige Stunden zuvor vom Obersten Gerichtshof als zuständige Richterin für den Prozess bestätigt worden war, nimmt kurz darauf ebenfalls Platz und eröffnete die Sitzung.

Zuerst werden die Daten aller Angeklagten überprüft – das einzige Mal, dass sie an diesem Tag zu Wort kommen. Grasser, Meischberger und Hochegger verweigern Angaben zu ihren aktuellen Einkünften und zu ihrem Vermögen, Grasser gibt zudem an, derzeit „keinen Dienstgeber, kein Haus, kein Auto“ zu haben.

Die Klärung dieser Formalien stellt sich für Richterin Hohenecker schon bald als nur kurz andauernde Verschnaufpause heraus. Denn Grassers Anwalt Manfred Ainedter prescht kurz darauf vor und läutet mit seinem Befangenheitsantrag gegen Hohenecker eine dreistündige Attacke gegen die Richterin ein. Weil ihr Mann – ein Strafrichter am Landesgericht Korneuburg – vor zwei Jahren abwertende Tweets über Grasser verfasst habe, „müssen wir Sie, Frau Vorsitzende, leider Gottes ablehnen“, erklärt Ainedter. Zur Untermauerung seines Antrages – den er übrigens bereits vergangene Woche fast wortgleich eingebracht hatte und der abgelehnt worden war – lässt er die Tweets an die Wand des Gerichtssaales projizieren. In einem davon teilte Hoheneckers Gatte ein Video der Satiriker „Christoph und Lollo“, die darin ein Anti-Grasser-Lied anstimmen. Zur Anschauung will Ainedter das Video abspielen, doch der Ton funktioniert nicht. „Wir haben hier keine Tonausgabe, das ist nicht vorgesehen“, ruft die Schriftführerin verärgert. Daraufhin ergreift der Jurist selbst die Initiative und trägt das Lied vor. Und auch die Anfangsszene eines 2015 ausgestrahlten „Tatortes“, auf den sich Hohenecker in einem Tweet bezogen hat, wird – tonlos – abgespielt. Die Richterin selbst verzieht während des Schauspiels keine Miene.

Wirbel um ein Foto

Auch dann nicht, als Ainedter und zwei weitere Anwälte, die ebenfalls Befangenheitsanträge gegen die Richterin einbringen, ihr „unterbewusste Beeinflussung“ durch ihren Mann attestieren oder alle Anwesenden darauf hinweisen, dass Hoheneckers Ehemann ihr Ausbildungsrichter war. Man mache ihr ihre Ehe zwar „nicht zum Vorwurf“, aber ihre „bessere Hälfte“ stehe nun einmal „sehr weit links“ und mit einem Schuldspruch in der Causa Buwog tue „sie ihrem Mann einen Gefallen“. Nur ein Mal unterbricht die Richterin erbost: Ein Prozess-Beobachter hatte mit seinem Handy ein Foto gemacht – was während des Prozesses streng verboten ist. Der Betroffene muss das Foto löschen.

Nun liegt es an den Schöffen, über die Anträge abzustimmen. Für die Beratung soll die Mittagspause genutzt werden, doch der Sitzungsbeginn verzögert sich. Spannung macht sich unter Anwälten und Beobachtern breit. Denn sind die Schöffen der gleichen Meinung wie die Verteidiger, dann platzt der Prozess – nach wenigen Stunden.

Meischberger und Hochegger nützen Sitzungsunterbrechungen wie diese für das ein oder andere, durchaus herzlich wirkende Schwätzchen. Grasser blickt hingegen stets ernst drein und vermeidet es, mit den anderen Angeklagten mehr als ein paar Worte zu wechseln. Die Reihen auf der Zuschauergalerie und jene für die Journalisten leeren sich zunehmend, der Ansturm auf den Prozessauftakt hält sich in Grenzen.
Alles im Saal erhebt sich, Richterin Hohenecker verkündet das Urteil: Die Schöffen lehnen die Anträge ab, mit der Begründung: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist einer Richterin, sich die Meinung des Ehemanns umzuhängen.“ Damit bleibt der Buwog-Prozess weiterhin bei Hohenecker.
Doch die Verteidiger haben sich warm gelaufen, ein Antrag jagt den nächsten. Für Aufsehen sorgt jener von Plechs Anwalt Michael Rohregger, der die Sitzordnung bemängelt. Der größte Gerichtssaal Österreichs wurde im Vorfeld des Prozesses aufwendig saniert, Ton- und Klimaanlage wurden eingebaut. Kostenpunkt: eine halbe Million Euro. Dass die Angeklagten nun am tiefsten sitzen – Richter, Schöffen und Privatbeteiligte sitzen etwas erhöht –, sei laut Rohregger unzumutbar. Zudem befürchtet Plechs Verteidiger Einblicke in seine Unterlagen durch die anwesende Presse, die drei Reihen hinter den Verteidigern sitzt. All das verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Und wieder wird beraten, bis Hohenecker zurückkehrt und verkündet, dass auch dieser Antrag abgelehnt wurde.

Nachdem die Richterin auch die Sitzordnungsbedenken juristisch zerstreut hat, schließt sie die erste Sitzung. Der einzig erfolgreiche Antrag hatte übrigens Folgen für einen Journalisten: Ashwien Sankholkar, ein bekannter Aufdecker in der Causa Buwog und an diesem Tag als Zuhörer anwesend, musste den Saal verlassen. Die Begründung: Da Sankholkar auf der Zeugenliste steht, könnte er durch seine Anwesenheit beim Prozess voreingenommen sein.

Damit ging der erste Prozesstag (bis März sind 27 weitere Sitzungen geplant) zu Ende, ohne dass auch nur die Anklage verlesen wurde. Heute, Mittwoch, geht es ab Vormittag weiter, unter anderem mit dem Plädoyer des Staatsanwaltes. Ob die Verteidiger auch heute eine Reihe von Anträgen einbringen, wird sich zeigen. Hohenecker könnte von den Tweets ihres Ehemannes aber auch nach der gestrigen Antragsflut eingeholt werden. Zwar erklärte Grasser-Anwalt Ainedter im Anschluss der Sitzung, er wolle sich den weiteren Prozessverlauf erst einmal in Ruhe ansehen. Dass er mit seinem Anliegen, die Richterin loszuwerden, aber weiter zum Obersten Gerichtshof ziehen wird, schloss er nicht aus.