Noch laufen die Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ weitgehend friktionsfrei. Die Ankündigung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, im Bereich Innere Sicherheit und Asyl die Spielregeln zu verschärfen, setzt kein besonderes Verhandlungsgeschick voraus. In diesen Punkten ist die inhaltliche Überschneidung groß. Doch wie lange hält die Harmonie an?

Während die ÖVP-Verhandler den Eindruck zu vermitteln versuchen, es laufe eh alles super und eine Einigung vor Weihnachten sei ausgemachte Sache, sieht man das auf blauer Seite differenzierter. „Je mehr wir in die Tiefe gehen, umso öfters stoßen wir auf hartes Gestein“, so einer der Verhandler. „Da ist viel schwarzer Beton vorhanden.“

Zu Details will man nichts sagen, weil Stillschweigen vereinbart wurde, doch es liegt auf der Hand, dass eine Veränderung, wie sie gerade von der ÖVP im Wahlkampf versprochen wurde, und die die Bezeichnung denn auch verdient, vor Strukturen nicht haltmachen kann. Jüngstes Beispiel: Offenbar ist die ÖVP zu einer Fusion der 21 Sozialversicherungsträger bereit, die schwarz dominierte Beamtenkasse sollte davon ausgenommen werden. „Die ÖVP will Veränderungen, solange es die eigenen Leute nicht betrifft“, klagt man. Ähnliches gelte für Kürzungen bei den Förderungen - die Landwirtschaft, die Wirtschaft, die Länder, also die Urklientel der ÖVP, sollten nicht angetastet werden, so wenig wie der Kammerzwang.

In der ÖVP verteidigt man sich, dass Kurz mit dem Umbau der Partei, der Erstellung der Bundesliste, der Zusammensetzung des Verhandlungsteams, dem kein einziger ÖVP-Landeshauptmann angehört, bereits den Mut aufgebracht habe, neue Wege zu gehen. Wie auch immer: Erst wenn der Koalitionsvertrag vorliegt, die Zusammensetzung der Regierung feststeht und ob der unbequeme Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser ein Schlüsselressort erhält oder nur mit einem zweitrangigen Ministeramt abgespeist wird, wird sich zeigen, wie neu die alte Volkspartei tatsächlich ist - oder ob sie nur zum Schein umgefärbelt wurde.

Irmgard Griss, die bei der Bundespräsidentenwahl ein fulminantes Ergebnis einfuhr, jedoch mit Platz drei vorliebnehmen musste, hat sich als echte Kaderschmiede erwiesen. Von ihrem Kampagnenteam haben viele Karriere gemacht. Jüngstes Beispiel: Jochen Prüller, der die Medien betreut hatte und in die ÖVP-Parteizentrale gewechselt war, ist nun zum Pressesprecher von Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger aufgestiegen. In der ÖVP werken auch Sven Wagner und Alexandra Geyer, die vorübergehend bei Lothar Lockl, dem Kampagnenchef von Alexander Van der Bellen, gearbeitet hatte. Martha Bißmann, die auf der Liste Pilz kandidiert hatte und nun statt dem Parteigründer in den Nationalrat eingezogen ist, gehörte ebenso dem Griss-Team an wie Milo Tesselaar, der für die Pilz-Kampagne verantwortlich zeichnete. Nach einem Intermezzo als Neos-Gemeinderätin hat Maria Maager bei Christian Kern angedockt.