Man muss schon sehr hartnäckig sein, um einem der Verhandler Neuigkeiten zu entlocken. Um den Nationalfeiertag herum fiel der Startschuss zu den türkis-blauen Koalitionsgesprächen. Die Order, die von den beiden Verhandlungschefs Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache ausgegeben wurde, war unmissverständlich: Melden sich Journalisten, hieß es sinngemäß, hebe man lieber nicht ab oder drücke am besten gleich das Gespräch weg. Aus Angst, als Plaudertasche überführt zu werden, halten die rund 150 Verhandler weitgehend dicht.

Dass der Maulkorberlass nicht unterlaufen wird, ist ein gewaltiger Fortschritt. Bei den letzten Koalitionsverhandlungen waren SPÖ oder ÖVP stets versucht, Indiskretionen über das Einknicken der jeweils anderen Seite nach außen zu spielen. Mangels Neuigkeiten schießen dafür diesmal Gerüchte und Spekulationen über angeblich oder tatsächlich fixierte Einzelmaßnahmen ins Kraut - dass die Ambulanzgebühr eingeführt, der Hunderter auf Autobahnen abgeschafft, das Rauchverbot wieder zurückgenommen, das Heeresbudget dramatisch aufgestockt, bei Heimbewohnern das 13. und 14. Gehalt einbehalten wird. Personalspekulationen regen ganz besonders die Fantasie an. Jüngstes Gerücht: Karin Kneissl, die bekannte Nahostexpertin, wird Außenministerin, Lotterievorstand Bettina Glatz-Kremsner Finanz- oder Wirtschaftsministerin, Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser Kanzleramts- und Reformminister. Das Problem dabei: Über die Ministerliste ist bisher noch gar nicht wirklich gesprochen worden.

Widersprüchliche Aussagen

Die Fortschritte in den 25 Verhandlungsgruppen sind höchst widersprüchlich. „Wir sind fast fertig“, heißt es in einer Gruppe. „Ob die Chefs die Vorschläge übernehmen, wissen wir nicht.“ Anders der Tenor in einer anderen Runde. „Wir wissen gar nicht, worüber wir im Detail reden sollen. Wir warten auf Anordnung von oben.“ Und in einer dritten Gruppe vernimmt man: „Worüber sollen wir überhaupt reden? Das Resultat hat man uns schon vorgelegt.“

Diese scheinbare Kakofonie hat einen handfesten Grund: Nur Kurz und Strache sowie deren engste Vertraute, die in der Steuerungsgruppe sitzen, haben den Überblick. Genereller Eindruck: Das Klima ist gut, die Fortschritte sind mager, weil sich die FPÖ kein zweites Mal über den Tisch ziehen lassen will wie 2000 unter Wolfgang Schüssel - und diesmal auf Nummer sicher geht. „Wir drehen extrem viele Schleifen“, so einer der ÖVP-Verhandler. Bis Weihnachten will man fertig sein. Kommentar von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gestern in Rom: „Mir fehlt das Neue. Darauf warte ich noch.“ Einer der wenigen Punkte, der nach Informationen der Kleinen Zeitung fix zu sein scheint: Zwischen ÖVP und FPÖ gibt es einen Konsens über die Zusammenlegung der Krankenkassen.

Auffällig an den Verhandlungsgruppen ist, dass ÖVP-Chef Kurz zwar alle Bündechefs eingebunden hat, aber kein einziger der Landeshauptleute dabei ist. Dafür sind einige externe Experten an Bord wie Skiweltmeister Michael Walchhofer, Runtastic-Boss Florian Gschwandtner, die ehemalige Grüne Monika Langthaler, Agnes Husslein, Medienmanager Hans Gasser, Andreas Salcher oder die Uni-Professoren Wolfgang Mazal und Gottfried Haber. Die Freiheitlichen schöpfen aus einem weniger großen personellen Reservoir, viele blaue Politiker müssen mehrere Gruppen abdecken. Einzige echte Quereinsteigerin auf FPÖ-Seite ist Karin Kneissl. Auffälligste Absenz ist Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner.