Bundeskanzler Christian Kern nützte seine Rede vor den Rekruten am Nationalfeiertag zu einem Plädoyer für den Patriotismus, aber gegen den Chauvinismus: Hetze und Antisemitismus dürften in Österreich keinen Platz haben. Wo Menschen in Not seien, müsse geholfen werden. Die Österreicher sollten sich nicht fragen, was ihnen das bringe, sondern was sie beitragen könnten. "Die, die helfen und anpacken, bringen unser Land weiter. Die, die auf die Alten aufpassen, und auf die Kinder, die Millionen Freiwilligen, die anpacken, auch Sie, liebe Rekruten."

Österreich habe seinen Platz in Europa gefunden, aber das Konzept eines starken Europa sei in Zeiten von Brexit und anderen Unabhängigkeitsbestrebungen keine Selbstverständlichkeit.  "Spaltung kann nie die Lösung sein. Gelingendes Leben funktioniert nur in einer gelingenden Gemeinschaft."

Nationalfeiertag erstmals mit Bundespräsident Van der Bellen

Der Nationalfeiertag hat am Donnerstagvormittag wie jedes Jahr mit den traditionellen Kranzniederlegungen begonnen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Bundesregierung gedachten am Äußeren Burgtor der toten Soldaten und Opfer des Widerstandes. Bei sonnigem Herbstwetter startete zugleich das umfangreiche Feiertagsprogramm rund um den Heldenplatz.

Österreich feiert am Donnerstag die "immerwährende Neutralität", die der Nationalrat am 26. Oktober 1955 beschlossen hat. Die offiziellen Feierlichkeiten begannen mit dem Abschreiten der Ehrenkompanie der Garde durch Staatsoberhaupt Van der Bellen, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Generalstabschef Othmar Commenda. Danach legten sie Kränze beim Denkmal für die Freiheits- und Widerstandkämpfer sowie bei der Gedenktafel für verunglückte und gefallene Soldaten nieder.

Das Prozedere wiederholte sich wenig später mit der Bundesregierung mit Kanzler Christian Kern (SPÖ), Verteidigungsminister Doskozil und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) an vorderster Front.

Nächster Tagesordnungspunkt war die feierliche Angelobung von rund 1.300 Rekruten. Dabei hielten unter anderem Bundespräsident Van der Bellen als Oberbefehlshaber des Heeres und Kern Reden.

Zwei Appelle

Der scheidende Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil formulierte zwei Appelle in Hinblick auf die künftige Bundesregierung: Zum einen: Dass  auch die künftige  Bundesregierung den Budgetpfad einhalte: "Sicherheit hat ihren Preis, Sicherheit kostet Geld, das Bundesheer hat es sich verdient, den Weg über 2020 hinaus beschreiten zu können."

Und ein Appell an alle politischen Parteien: Die Sicherheit und das Bundesheer müssten herausgehalten werden aus politischem Hickhack und Streit.

Bekenntnis zu Europa

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen beschwor die wichtige Rolle des Bundesheeres für die Sicherheit in Österreich und die Rolle Österreichs für die Sicherheit in Europa. In seiner "Jungfernrede" als Bundespräsident am Nationalfeiertag betonte er, die politische Führung Österreichs müsse dafür Sorge tragen, dass das Bundesheer die nötigen Mittel für Ausrüstung, Gerät, Personal und Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekomme. Durch den Beitritt Österreichs zur EU habe unser Land direkten Anteil am "größten Solidaritäts- und Friedensprojekt seit dem zweiten Weltkrieg". Dadurch habe sich nicht nur Europa "sondern auch die militärstrategische Lage Österreichs zu unserem Vorteil verändert".

Europa sei ein gelungenes Projekt für Offenheit, Freiheit, Menschenrechte, Demokratie, Wohlstand und Verantwortung. "Aber Europa braucht nicht nur Gemeinschaftssinn und Integrationswillen sondern auch Sicherheit, die nach innen und außen gerichtet ist."

Van der Bellen plädierte dafür, dass auch die künftige Regierung eine Krisenkoordinationsstelle in Verteidigungsministerium und Kanzleramt einrichte, um für Anlassfälle gerüstet zu sein.

Leistungsschau und Tag der offenen Tür

Neben der Leistungsschau des Heeres mit Hubschraubern und Panzern zum Angreifen an mehreren Standorten in der Innenstadt öffnen zahlreiche Institutionen und Ministerien ihre Tore. Mit dabei sind etwa das Parlament (in und ums derzeitige Ersatzquartier Hofburg), die Präsidentschaftskanzlei oder das Bundeskanzleramt. Die Leistungsschau und die Amtsgebäude stießen auf großes Interesse. Laut Polizei und Bundesheer waren schon am Vormittag 100.000 Besucher gekommen, bis zum Abend erwartet man an die 800.000.