In gedrückter Stimmung haben am Freitag die Beratungen der Grünen nach ihrem Wahldebakel vom Sonntag begonnen. Im Albert-Schweitzer-Haus in Wien trat der erweiterte Bundesvorstand der aus dem Nationalrat geflogenen Partei zusammen. Funktionäre und künftige Ex-Abgeordnete gaben sich vor Beginn wortkarg. "Jetzt ist einmal so richtig Krise", sagte Interimsparteichef Werner Kogler den Journalisten.

Das nebelige Wetter passte zur Stimmungslage der Grünen, die mit traurigen Mienen und oft mit Tränen in den Augen am Tagungsort eintrafen. Am optimistischsten zeigte sich noch die am Dienstag zurückgetretene Spitzenkandidatin der Wahl, Ulrike Lunacek. "Es wird einen Neustart geben für die Grünen", sagte sie, "da können Sie sich sicher sein".

Galgenhumor bewies Kogler, der in der Sitzung das Mandat als Interimschef bekommen soll. Angesichts der Kameraleute setzte er sich eine quietschgrüne Sonnenbrille auf, sprach von Krise und dem Wiedersehen danach und begab sich dann in den Sitzungssaal, dessen Glaswände mit Packpapierbahnen behelfsmäßig vor neugierigen Blicken geschützt waren. Der ursprünglich für die Mittagsstunden angekündigte Medienauftritt von Interimsparteichef Werner Kogler wurde auf den Nachmittag verschoben. 

Grüne beraten ihr Debakel

Fragen zur Tilgung der Millionenschulden der Grünen, zum möglichen Beitrag der Landesparteien und zur Vorbereitung auf die kommenden vier Landtagswahlen wurden kaum beantwortet. Ex-Bundessprecherin Ingrid Felipe, die sich jetzt auf Tirol konzentrieren will, verwies auf ihre bisherigen Aussagen zur Solidarität der Länder: "Heute werden wir diskutieren, ob wir das stemmen können."

Selbstkritisch zeigte sich der Nachfolger Lunaceks im EU-Parlament, der steirische Bio-Bauer Thomas Waitz. Mit dem Präsidentschaftswahlkampf für Alexander Van der Bellen und der Konzentration auf die politische Mitte habe man "die Kanten verloren" und danach ein zerstrittenes Bild abgegeben, meinte er.

Der erweiterte Bundesvorstand umfasst 34 Mitglieder, darunter die Länderspitzen der Partei. Doch auch andere Grüne dürfen sich zu Wort melden, wurde im Vorfeld betont. Diskutieren wollte man das weitere Vorgehen nach der Wahl, die Aufteilung der Schulden und den Mitarbeiterabbau.

Was von der Bundespartei bleibt: "Zimmer mit Türschild"

Im Klub muss bis spätestens 8. November alles geräumt werden. Die Räumlichkeiten der Bundespartei werden ebenfalls aufgelöst, übrig bleiben wird vermutlich ein einzelnes "Zimmer mit Türschild", wobei noch nicht klar ist, wo das untergebracht wird.

Landesorganisationen unter Zugzwang

Vier Landesorganisationen sind nun besonders unter Zugzwang, stehen sie doch knapp vor Landtagswahlen. Los geht's bereits voraussichtlich Ende Jänner in Niederösterreich, wo die Grünen beim letzten Urnengang 2013 auf 8,06 Prozent kamen. Die niederösterreichische Landessprecherin Helga Krismer betonte bereits, dass man gemeinsam alles unternehmen werde, um das Vertrauen zurückzugewinnen.

Die Kurzzeit-Bundessprecherin Ingrid Felipe hat dann in Tirol Ende Februar eine Landtagswahl zu schlagen. 12,59 Prozent errang die Öko-Partei 2013 und wirkte fortan als Juniorpartner mit der ÖVP in der Landesregierung. Nachdem sie sich aus der Bundesspitze diese Woche bereits wieder verabschiedet hat, will sich Felipe nun auf die Landtagswahl konzentrieren.

Herausforderung Kärnten

Gewählt wird wenig später auch in Kärnten, wo die Grünen ebenfalls in der Landesregierung vertreten sind. Im südlichsten Bundesland steht die Partei auch vor einer Herausforderung: Seit Landessprecherin Marion Mitsche im Sommer das Handtuch geworfen hat, werden die Grünen von einem Leitungsteam geführt. Als dessen Sprecher fungiert schon bisher Landesrat Rolf Holub und er ließ bereits wissen, dass er wieder Landessprecher werden will. Mitsche unterdessen erwägt ein eigenes Antreten mit ihrer Plattform "F.A.I.R" und hat sich hierzu auch schon mit Peter Pilz ausgetauscht. Einfacher dürfte es dadurch für die Grünen nicht werden, ihr Ergebnis von 12,10 Prozent aus 2013 zu verteidigen.

In Salzburg geht es gar um 20,18 Prozent, die in Folge des Finanzskandals bei der vorgezogenen Landtagswahl erzielt wurden, und ebenfalls um die Regierungsbeteiligung. Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler sieht die Chancen für ein gutes Ergebnis in ihrem Bundesland weiter intakt, wie sie in den "SN" erklärte, obwohl das jüngste Ergebnis bei der Nationalratswahl nicht einmal für den Landtagseinzug gereicht hätte.

Welche Rolle diese vier und die restlichen Landesorganisation künftig spielen werden, wird erst im Erweiterten Bundesvorstand geklärt. Werner Kogler, bisher stellvertretender Klubobmann, rückt zwar automatisch an Felipes Stelle als Parteichef nach, er soll jedoch auch in dem Gremium dieses Mandat bekommen.

Der bisherige Abgeordnete Dieter Brosz erklärte unterdessen gegenüber der APA, sich komplett aus der Politik auf allen Ebenen - er war auch in Niederösterreich aktiv - zurückzuziehen. "Es ist ein endgültiger Abschied", so Brosz, der sich in den vergangenen Jahren bereits auf Verhandlungstraining spezialisiert hat. Diese Kompetenz will er nun nutzen und sich in diesem Bereich selbstständig machen, kündigte Brosz an.