Es ist die letzte Nationalratssitzung vor der Wahl, und voraussichtlich die letzte unter der Großen Koalition. Eine künftige rot-blaue Zusammenarbeit zeichnete sich dabei nicht gerade ab. Das Hickhack aus dem Wahlkampf setzte sich im Parlament fort. Die FPÖ stellte drei Tage vor der Wahl einen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern. Die ÖVP stimmte diesem Antrag ebenso wie alle anderen Parteien außer der FPÖ nicht zu, es gab also keine Mehrheit dafür.

Zuvor hatte Kern in seiner Rede an die Mandatare appelliert, "gemeinsam Verantwortung für Österreich" zu übernehmen und im Interesse des Landes konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Während der Debatte zu seiner Erklärung verließ Kern den Plenarsaal, was auf Missfallen bei einigen Abgeordneten stieß. Der Grün-Abgeordnete Dieter Brosz brachte einen Antrag ein, um den Kanzler wieder zurückzuholen. Diesem Antrag wurde mehrheitlich, auch mit den Stimmen der ÖVP, zugestimmt.

Kern nützte Nationalrat als Wahlkampf-Bühne

Angleichung von Arbeitern und Angestellten

Die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten ist so gut wie fix. SPÖ, FPÖ und Grüne haben sich auf einen entsprechenden Antrag, der die bestehenden Unterschiede etwa bei Kündigungsfristen und Entgeltfortzahlung beseitigen soll, verständigt. Einem Beschluss heute Abend im Nationalrat sollte nun nichts mehr entgegen stehen.

Lange Übergangsfristen

Als Zugeständnis gegenüber den Arbeitgebern wurden allerdings in den Parteienverhandlungen die Fristen für das Inkrafttreten nach hinten verschoben. Die Angleichung der Entgeltfortzahlung, die tendenziell Angestellte begünstigt, kommt nun erst Mitte kommenden Jahres. Gleich auf 2021 verschoben wurde die Einführung längerer Kündigungsfristen für Arbeiter. Weiters soll eine Fortführung der Branchenlösung für Saisonbetriebe wie Tourismus und Bau über den 1.1. 2021 hinaus möglich sein.

Heimkosten für Lehrlinge

Fixiert wird im Lauf des Abends auch, dass die Kosten für Lehrlingsheimplätze künftig vom Arbeitgeber-gespeisten Insolvenzentgeltfonds übernommen werden und nicht mehr von den Lehrlingen. Als Ausgleich für die Dienstgeber wird die Auflösungsabgabe, die derzeit bei Kündigungen in Höhe von 124 Euro fällig wird, abgeschafft.

Reform der Notstandshilfe

Schließlich wird noch wie erwartet eine Reform bei der Notstandshilfe durchgeführt. Dieses von den Grünen eingebrachte Begehren sieht vor, dass das Partnereinkommen künftig nicht mehr bei der Errechnung der Höhe herangezogen wird. Die Kosten dafür sollen 130 Millionen betragen.

Weitere für den Abend anvisierte Beschlüsse waren schon länger außer Streit gestanden, etwa die von der FPÖ beantragte Abschaffung der Mietvertragsgebühr oder die Verdoppelung der Mittel für aktive Behindertenpolitik.

Umweltdebatte

Mit einer von den Grünen initiierten Umweltdebatte hat die Sitzung am Donnerstag begonnen.  In der "Aktuellen Stunde" rechnete Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner zu Beginn mit den Leistungen von Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) ab. Die Regierung wolle weitermachen, als ob es die Klimakrise nicht gäbe, was angesichts der "größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte" verantwortungslos sei. "Wir können uns das Nichtstun nicht mehr leisten", sagte sie: "Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel voll spürt, und wir sind die letzte Generation, die etwas tun kann."

Rupprechter zeigte sich von der Kritik unberührt. Österreich bekenne sich "im Sinne unserer Schöpfungsverantwortung" zu den Klimazielen von Paris und habe diese aktiv mitverhandelt. "Wir wollen aus der Dekarbonisierung eine Erfolgsstory machen", sagte er und verwies etwa auf den hohen Anteil erneuerbarer Energien in der heimischen Stromerzeugung.

Aufstockung der Pensionen

Beschlussreif ist die von der Noch-Koalition eingebrachte Aufstockung der Pensionen. Spannend könnte es noch für Bezieher von Höchstpensionen werden. Eigentlich hätten sie in diesem Beschluss durch die Finger schauen sollen, die ÖVP verkündete jedoch gestern, auch Pensionen ab 5000 Euro aufbessern zu wollen. Dass die SPÖ hier mitgeht, scheint aber ausgeschlossen. Außerdem beschließen SPÖ und ÖVP die Fortsetzung der Kindergartenförderung und eine Reform der Finanzmarktaufsicht.

Unterhaltsreform gescheitert

Alle Spitzenkandidaten hatten im Fernsehen bekräftigt, den Unterhaltszuschuss für Alleinerzieher und -erzieherinnen verbessern zu wollen. Doch es spießt sich an den Details. ÖVP und FPÖ wollten dem SPÖ-Antrag, den auch die Liste Pilz unterstützte, nicht zustimmen – man fürchte ein Abfließen der Gelder ins Ausland. Beide Parteien brachten heute deshalb eigene Anträge ein. Die FPÖ will den staatlichen Zuschuss beispielsweise an die österreichische Staatsbürgerschaft knüpfen. Die Parteien einigten sich auf keinen der drei Anträge, damit ist die Gesetzesänderung gescheitert.