Die SPÖ hat am Dienstag wie angekündigt rechtliche Schritte wegen der Dirty-Campaiging-Affäre eingeleitet. Stoßrichtung der Sozialdemokraten ist, herauszufinden, wer tatsächlich hinter jenen Facebook-Seiten steht, die vom vormaligen SPÖ-Werber Tal Silberstein vor allem gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz eingesetzt wurden.

Die SPÖ geht dabei über die Kanzlei Freimüller/Obereder/Pilz auf drei unterschiedlichen Ebenen vor, wie Interims-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter gegenüber der APA ausführte. Zunächst ersucht man mittels einer Anzeige bei der Polizei um die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, da die Urheber der Facebook-Fan Pages unter dem Namen "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern" kein Impressum angegeben haben. Betont wird, dass die SPÖ mit diesen Seiten keine formale Verbindung habe und insbesondere keine Finanzmittel für den Betrieb dieser Seiten aufgewendet habe.

Erhebungen wegen übler Nachrede

In einem weiteren rechtlichen Schritt ermächtigen die Sozialdemokraten die Staatsanwaltschaft, Erhebungen wegen übler Nachrede einzuleiten. Als Beispiel angeführt wird etwa ein Bild, das Kanzler Christian Kern in einer Foto-Montage am Klo sitzend den "Falter" lesend zeigt.

Hingewiesen wird darauf, dass gemäß einer vom Justizministerium im Sommer mitgeteilten Information das Unternehmen "Facebook" den Strafverfolgungsbehörden der Republik Österreich einen "Single Point of Contact - SPOC", also einen Ansprechpartner für Auskünfte mitgeteilt habe. Die Staatsanwaltschaft Wien wird daher aufgefordert, unverzüglich bei Facebook Erkundigungen über die Medieninhaber und verantwortlichen Betreiber der genannten Seiten einzuholen, um ein Strafverfahren gegen bekannte Täter einleiten zu können

Schließlich richtet die SPÖ noch direkt ein Schreiben an Facebook. Innerhalb weniger Tage soll das Unternehmen bekannt geben, wer die Personen hinter den Seiten sind. Argumentiert wird, dass diverse Abbildungen die Persönlichkeitsrechte des Kanzlers verletzten und er daher das Recht habe, die Betreiber von "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" and "Die Wahrheit über Christian Kern" juristisch zu verfolgen. Noch warten heißt es indes auf das Vertragsverhältnis, das die SPÖ mit Silberstein eingegangen war. Matznetter hofft, am Donnerstag einen Zwischenbericht vorlegen zu können.

Facebook blockt Anfragen ab

Facebook blockt Presseanfragen zu den Seiten, mit denen der Ex-SPÖ-Berater Tal Silberstein Dirty Campaigning gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz organisiert hat, ab. Facebook kommentiere keine Einzelfälle, hieß es auf die APA-Anfrage, wer die Seiten "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz" erstellt und deren gesponserte Postings bezahlt hat.

"Alle Menschen, die Facebook nutzen, müssen sich an geltendes Recht halten", erklärte die Facebook-Sprecherin allgemein. Dies gelte auch für all diejenigen, die politische Kampagnen verantworten. "Wir haben gut funktionierende Prozesse, um mit Beschwerden bzgl. Aktivitäten auf unserer Plattform umzugehen und arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden zusammen, wo dies relevant ist."

Kern sauer auf Silberstein

"Verrückt und unverständlich" nennt Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern die jüngsten Wendungen um seinen ehemaligen Wahlkampfberater Tal Silberstein. Silbersteins Erklärung, wonach Kern in die Facebook-Aktionen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht eingeweiht gewesen, das Budget dafür unter 100.000 Euro gelegen sei und aus Silbersteins SPÖ-Honorar bezahlt wurde, reicht dem Kanzler noch nicht.

"Faktum ist, dass die Facebookseiten von uns nicht gewünscht waren. Es war nicht nur unmoralisch, sondern auch unglaublich blöd", sagte Kern während einer Wahlkampftour durch die Obersteiermark. Es gebe bei ihm wegen der Silberstein-Entlastung "kein Aufatmen", meinte der SPÖ-Vorsitzende. Die Angelegenheit sei weiter "höchst aufklärungsbedürftig".

Kern auf Wahlkampftour in der Obersteiermark

Kern fordert Aufklärung

Da die manipulierten Facebookseiten laut Silberstein aus Teilen seines SPÖ-Honorars, das in Summe bei rund 400.000 Euro liegen soll, bezahlt wurden, will Kern prüfen lassen, ob wegen der Verwendung der SPÖ-Gelder Regressforderungen an Silberstein möglich sind. Die ganze Sache werde ein juristisches Nachspiel haben, das über den 15. Oktober hinausgehen wird.

Aufklärung fordert der SPÖ-Chef aber auch über die Umstände der Veröffentlichung der vielen internen SPÖ-Papiere in den vergangenen Wochen. Kern berichtete, dass nicht nur die bisher bekannten Mails und Dokumente, sondern auch andere SPÖ-Interna durch ein Datenleck den innersten Kreis der Kampagne verlassen haben. Jede interne Umfrage, jeder Werbe-Slogan und jede Rede des Kanzlers sei unmittelbar nach Fertigstellung und noch vor der Veröffentlichung durch die SPÖ beim politischen Mitbewerber gelandet, so ein hörbar verärgerter Parteichef. Kern spricht vom "strukturierten Absaugen von Daten".

Silberstein: "Kern wusste nichts"

Tal Silberstein, der von der SPÖ engagierte Wahlkampfberater und Experte für Negativkampagnen soll in Abstimmung mit Vertretern des SPÖ-Wahlkampfbüros ein eigenes Dirty Campaigning-Team engagiert haben, um Facebookseiten gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz zu organisieren. Seit Mitte August ist Silberstein, wegen seiner Verhaftung in einer anderen Causa, nicht mehr für die SPÖ tätig.

In „News“ nimmt er jetzt erstmals selbst Stellung, bleibt zu den Vorwürfen aber kurz angebunden. SPÖ-Chef Christian Kern nimmt er er jedenfalls in Schutz: „Der Kanzler hatte nicht einmal das entfernteste Wissen oder die entfernteste Information darüber“, sagt Silberstein. Die Facebook-Seiten seien ohne Auftrag eingerichtet worden. Es sei nicht um „Negative Campaigning“ gegangen, sondern um Datenanalyse, soll Silberstein seinem Umfeld gegenüber beteuert haben, berichtet "News". Die Arbeit mit Facebook mache es unter anderem möglich, verschiedene Wahlkampfbotschaften zu testen und verschiedene Zielgruppen einzuteilen.

Im Gespräch mit "News" geht der Ex-SPÖ-Wahlkampfberater in die Gegenoffensive: „Es ist Teil einer Negativkampagne der Gegenseite, alles dem Kanzler und der SPÖ vorzuwerfen, was nichts mit der Wahrheit zu tun hat“, beteuert Silberstein. Zur Frage, wie die Angelegenheit ans Tageslicht gelangte, meint der Berater: „In meinem Team gab es ganz sicher einen Maulwurf.“ Es sei jedoch nicht PR-Berater Peter Puller, wie nun manche andeuten würden. „Ich höre, der Maulwurf habe auch verbotenerweise versucht, geheime Chats zu veröffentlichen“, erzählt Silberstein. Das alles werde rechtlich geprüft. „Das Eigenartige ist, dass Leute von anderen Parteien dazu verwendet wurden, Informationen zu stehlen, und was jeden aufregt, sind Facebook-Seiten“, meint Silberstein.

Grüne rügen "politische Unkultur"

Nach dem jüngsten Dirty Campaigning-Skandal der SPÖ werfen die Grünen sowohl den Roten als auch den Schwarzen "politische Unkultur" vor. Er frage sich, ob man nicht ein "Trottel" sei, wenn man wie die Grünen in diesem Wahlkampf Inhalte in den Mittelpunkt stelle, meinte Klubchef Albert Steinhauser am Dienstag.

Die Bürger empfinden den Wahlkampf als "ungustiös", betonte Steinhauser, dieser sei geprägt von Inszenierung, "Wadlbeißerei", "Fakes", "Dirty Tricks" und Verschwörungstheorien. "Als Grüner fragt man sich fast, wenn man jetzt versucht irgendwie einen sachlichen Stil zu fahren, Themen in den Mittelpunkt zu stellen, ob man da nicht ein bisschen - Sie verzeihen den Ausdruck - ein Trottel ist", beklagte Steinhauser. "Man kommt sich vor wie der einzige Radfahrer bei der Tour de France, der nicht dopt - und das kann's ja nicht sein."

Der Umgang der SPÖ mit dem Dirty Campaigning-Skandal sei "fragwürdig", findet Steinhauser. Das Bild zu zeichnen, als wäre man selbst die Geschädigte, greife zu kurz. "Sie hat sich selbst geschädigt", richtete der Grüne Klubchef der SPÖ aus. Die ÖVP wiederum sei wegen der Facebook-Seiten gegen Sebastian Kurz "moralisch empört", was er zu einem gewissen Grad zugestehe, erklärte Steinhauser. Dennoch solle die ÖVP vor der eigenen Tür kehren, denn Kurz betreibe eine Politik der Neiddebatten und Feindbilder, meint der Grüne.

Sobotka sieht "Tiefpunkt erreicht"

Die Dirty Campaigning-Affäre um gefälschte Facebook-Seiten habe für Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) "einen absoluten Tiefpunkt erreicht", sagte er im Anschluss an eine Pressekonferenz. Es sei dadurch "ein politischer Schaden" entstanden. Für Sobotka sei es nun wichtig aufzuklären, wer die Facebook-Seiten betrieben habe. Dazu brachte die SPÖ Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein.

"Die Staatsanwaltschaft wird dann beauftragen, was sie mit dieser Anzeige tut", so Sobotka. Die Behörde werde entscheiden, ob sie die Polizei mit Ermittlungen beauftrage. Die von der SPÖ kolportierte Mitwisserschaft anderer in der Causa bezeichnete Sobotka als "unglaubwürdig". "Wie der Informationsfluss in der SPÖ offenbar gelaufen ist, da zeigen sich jeden Tag neue, verwunderte Meinungen darüber. Aber das ist nicht die Sache für uns, das festzustellen, das muss die SPÖ für sich tun", sagte der Innenminister.