Noch zweimal tagt der Nationalrat bis zur Wahl am 15. Oktober - Zeit genug, die Konkurrenz noch mit dem einen oder anderen Gesetzesentwurf unter Druck zu setzen. Die SPÖ will dabei vor allem die Arbeitnehmerfreundlichkeit von Blau und Schwarz abtesten, die ÖVP bringt ihr "Sicherheitspaket" erneut ins Spiel, die FPÖ eine Steuersenkung. Chancen auf Umsetzung hat die gestaffelte Pensionserhöhung. Am Mittwoch werden jedenfalls zahlreiche Anträge im Nationalrat eingebracht.

Während die SPÖ für die Umsetzung ihrer Vorschläge auf das "freie Spiel der Kräfte" im Parlament setzt, bekräftigte der ÖVP-Klub am Dienstag neuerlich, keine Beschlüsse gegen den Koalitionspartner fassen zu wollen. Inhaltliche Festlegungen gab es seitens der ÖVP allerdings nicht - verhandelt werde bis zuletzt.

PENSIONEN: Bereits im August haben sich SPÖ und ÖVP grundsätzlich geeinigt, die Pensionen heuer gestaffelt anzuheben: bis 1.500 Euro soll es 2,2 Prozent geben, bis 2.000 Euro pauschal 33 Euro monatlich. Und bis 3.355 Euro wird zumindest die Inflationsrate (plus 1,6 Prozent) abgedeckt. Für darüber liegende Pensionsbezüge wird die Erhöhung dann "abgeschmolzen", Pensionen über 4.980 Euro gar nicht mehr erhöht. Kostenpunkt: 136 Mio. Euro. Dass die Umsetzung ausgerechnet im Wahlkampf scheitern könnte, gilt als unwahrscheinlich.

TIERSCHUTZGESETZ: Seit Juli dürfen Tierschutzvereine Tiere nur noch dann im Internet anbieten, wenn sie in Österreich Tierheime betreiben. Was als Maßnahme gegen den illegalen Welpenhandel gedacht war, hat laut Kritikern aber dazu geführt, dass unerwünschte Haustiere zunehmend ausgesetzt werden. Die Grünen fordern eine Reform, SPÖ und ÖVP haben eine Reparatur grundsätzlich zugesagt und verhandeln über eine Lösung.

ARBEITER UND ANGESTELLTE haben nach wie vor unterschiedliche Regeln bei Kündigungsfristen, -terminen und Krankenstand. Nachdem sich die ÖVP in ihrem Wahlprogramm der Streichung dieser Unterschiede verschrieben hat, will die SPÖ das Thema nun gleich vor der Wahl erledigen. Ein Antrag soll bei der Sitzung am Mittwoch eingebracht werden - Zustimmung der ÖVP vorausgesetzt, könnte der Beschluss bei der letzten Sitzung vor der Wahl am 12. Oktober fallen.

MIETRECHT: Eine Abfuhr hat sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bereits beim Mietrecht geholt. Das von der SPÖ gewünschte einheitliche Mietrecht hätte vorgesehen, dass der Mietzins nur bei frei finanzierten Neubauten 20 Jahre lang frei festgelegt werden kann. Für alle anderen Wohnungen würde ein Quadratmeterpreis von 5,50 Euro plus Zu- und Abschläge für Lage und Ausstattung gelten. ÖVP und FPÖ wollen dem aber nicht zustimmen.

GRUPPENKLAGE: Im Gefolge des Diesel-Skandals würde die SPÖ gerne Gruppenklagen ermöglichen, damit Konsumenten gleichartige Ansprüche gemeinsam vor Gericht durchfechten können. Derzeit ist das in Österreich nicht möglich - die Sammelklage "österreichischer Prägung" schreibt stattdessen vor, dass die Kläger ihre Ansprüche an VKI oder Arbeiterkammer abtreten, die dann den Prozess führen. Konsumentenschützer kritisieren das als nicht effektiv.

BARGELD in die Verfassung schreiben würde die ÖVP gerne und hat einen entsprechenden Vorschlag in die Koordinierung für den Ministerrat eingebracht. Die SPÖ hätte gerne einen Beschluss zum Verbot von Bankomatgebühren.

Das "SICHERHEITSPAKET" hatte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zuletzt eigentlich schon abgeschrieben, weil sich in der SPÖ der "linke Flügel" durchgesetzt habe. Nun will die ÖVP das auch "Überwachungspaket" genannte Gesetz, das u.a. mehr Video- und Online-Überwachung vorsieht, wieder einbringen. Die Zustimmung der SPÖ ist allerdings ausgeschlossen: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil meinte am Dienstag, es gebe noch Diskussionsbedarf.

Die MEHRWERTSTEUER auf Hotelübernachtungen ist mit der Steuerreform von zehn auf 13 Prozent angehoben worden. Weil VP-Chef Sebastian Kurz kürzlich die Rücknahme der Erhöhung gefordert hat, will die FPÖ nun im Nationalrat einen entsprechenden Antrag einbringen. Die FPÖ wolle wissen, ob die ÖVP mitstimme oder ob Kurz nur "leere Versprechen" mache, so der freiheitliche Abgeordnete Gerald Hauser.

Die Pläne der SPÖ

Die SPÖ will in den letzten Wochen des Wahlkampfs die ÖVP in Zugzwang bringen und einzelne Gesetzesvorhaben notfalls auch ohne die Stimmen des Koalitionspartners im Nationalrat durchsetzen. Am Mittwoch will Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) ein Gesetz einbringen, das künftig Gruppenklagen von Konsumenten ermöglichen soll, was "bislang an der Blockade einzelner Gruppen in der ÖVP gescheitert ist".

"Der Gesetzesentwurf ist fertig ausgearbeitet und wir werden jetzt bis morgen zum Plenartag noch einmal die Gespräche auch suchen", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Man werde aber nicht mehr den alten Weg gehen, "dass wir es der ÖVP schicken und die lässt es liegen und dann passiert nichts." Man werde das Gesetz jetzt noch mit allen Parteien besprechen und überlegen, es in den nächsten Tagen noch selbst im Parlament einzubringen.

"Keine Wahlzuckerl"

Man werde jetzt die Diskussion im Ausschuss führen und dann mit den Experten der anderen Parteien, sagte Schieder. "Und wenn sich Mehrheiten abzeichnen, ja, dann gibt's Mehrheiten, und dann wird mann dann die Entscheidung treffen, ob diese Mehrheit mit oder ohne ÖVP gefunden werden kann." Man habe das schon über Jahre versucht, "der Justizminister ist leider die Arbeit schuldig geblieben in diesem Bereich". Es handle sich bei dem neuen Gesetz jedenfalls um "kein Wahlzuckerl, weil es kostet gar nichts".

Mit dem Gruppenverfahrensgesetz sollen u.a. das Konsumentenschutzgesetz, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, um in gleichartigen Rechtsstreitigkeiten Sammelklagen möglich zu machen. Das Gesetz soll Konsumenten zu ihrem Recht verhelfen, Unternehmen vor unlauteren Methoden ihrer Mitbewerber schützen und die Justiz entlasten, erklärte Stöger. Derzeit könnten geschädigte Konsumenten in Österreich nur selbst klagen, "mit vollem Prozess und Kostenrisiko. "Anwalts- und Gerichtskosten, komplexe Sachverhalte, teure Gutachten und ein ungewisser Ausgang dieser Klagen halten Konsumentinnen davon ab, hier auch eine Klage einzubringen."

Was neu kommen soll: "Musterverfahren - das bedeutet, statt paralleler Prozesse mit der Gefahr widersprechender Entscheidungen sollen Verfahren in einem Testprozess ausgestritten werden. Gruppenverfahren - das bedeutet, dass man gleiche Sachverhalte gemeinsam klagen kann und, dass man eine Gewinnabschöpfung bei Bagatell- und Streuschäden hat, die dann dazu führt, dass es keinen Anreiz für gesetzwidriges Verhalten mehr gibt." Ein Gruppenverfahren soll künftig möglich sein, wenn mindestens zehn Personen Ansprüche geltend machen.

Die SPÖ will vor der Nationalratswahl am 15. Oktober auch noch bei anderen Themen "Nägel mit Köpfen machen vor Ende der Legislaturperiode", so Schieder, etwa bei der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Zum Verbot von Bankomatgebühren "liegt ein Gesetzesvorschlag von meiner Seite schon seit einem Jahr beim Finanzminister", sagte Stöger. Wenn die neue ÖVP sage, sie wolle Bargeld sichern, dann sollten die Leute auch gebührenfrei zu ihrem Bargeld kommen, so die SPÖ-Forderung.

Im Parlament liege auch schon ein SPÖ-Vorschlag, nach dem alle Mietverhältnisse in Österreich dem gleichen Mietrecht unterworfen werden sollen. Blaue und Grüne hätten sich dazu zustimmend geäußert. "Das ist ein Thema, das hier im Haus liegt und das wir in den nächsten Tagen, nämlich morgen noch, anziehen wollen", sagte Schieder.

Die Pläne der Grünen

Die Grünen glauben, noch vor der Wahl mit freien Mehrheiten diverse Gesetzesbeschlüsse durchzubekommen. Die größte Chance sieht Klubobmann Albert Steinhauser bei der Einführung der Gruppenklage, die ja die SPÖ auch ohne Sanktus der ÖVP durchsetzen würde. Da auch die Freiheitlichen immer dafür eingetreten seien, glaubt Steinhauser an eine Umsetzung im Oktober.

Sozialsprecherin Judith Schwentner wiederum meint, dass auch im Pensionsbereich noch einiges umsetzbar wäre, da es entsprechende Sympathiekundgebungen dazu von SPÖ und FPÖ gegeben habe. Dabei geht es unter anderem darum, dass auch Ausgleichszulagenbezieher von der Negativsteuer profitieren oder dass von der sogenannten Mindestpension nichts abgezogen wird, wenn sich vor allem ältere Frauen für ihren Lebenserhalt etwas dazuverdienen. Weitere Einschränkungen peilt Schwentner bei den Politikerpensionen an. Dazu drängte sie einmal mehr darauf, dass das Partner-Einkommen bei der Notstandshilfe nicht mehr angerechnet wird.

Hoffnungsfroh zeigte sich Steinhauser bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner Klubkollegin Montagvormittag, dass es auch einen Schulterschluss in Sachen Glyphosat geben könnte. Konkret will man die Regierung im EU-Unterausschuss binden, einer verlängerten Zulassung auf europäischen Ebene nicht zuzustimmen, halte die WHO das Pestizid doch für krebserregend. Behandelt wird das Thema am Mittwoch im Plenum in der "Aktuellen Europastunde", was für die Grünen den Vorteil hat, ihre Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek ans Rednerpult schicken zu können, sind doch bei Europastunden auch EU-Abgeordnete zugelassen.

"Nein" für Glyphosat zeichnet sich ab

Die SPÖ will im Ministerrat am Mittwoch ein österreichisches "Nein" zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat auf EU-Ebene vereinbaren. Die Abstimmung der EU-Landwirtschaftsminister über die Neuzulassung des umstrittenen Mittels stehe im Herbst an. "Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie Österreich in dieser Frage abstimmen wird", so Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag. Das Landwirtschaftsministerium hat am Dienstag darauf hingewiesen, dass der Vorschlag der EU-Kommission zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat aus österreichischer Sicht in der aktuellen Form nicht zustimmungsfähig sei. Die zuständigen Experten der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) hätten sich nämlich für eingeschränkte Anwendungsmöglichkeiten ausgesprochen.

Eher skeptisch ist der grüne Klubobmann, was eine Reform des Wohnrechts angeht. Die Schuld gibt Steinhauser dafür zum Teil der SPÖ, wiewohl diese ähnliche Positionen wie seine Partei vertritt. Denn die Sozialdemokraten hätten es verabsäumt, das Thema rechtzeitig mit Fristsetzungsanträgen voranzutreiben. Nun habe die FPÖ eine Ausrede, mit dem Argument, dass solch ein umfassendes Thema ausreichende Vorbereitung brauche, die Flucht anzutreten.

Für die morgigen Plenarsitzung planen die Grünen nicht nur diverse Fristsetzungsanträge zu oben genannten Themen, über die ein Beschluss der Materien bei der letzten Sitzung vor der Wahl im Oktober noch möglich wäre, sondern auch eine "Dringliche Anfrage". Diese würde sich um die Parteienfinanzierung drehen und vor allem die Spenden der Großindustrie an die ÖVP zum Thema haben. Voraussetzung dafür ist freilich, dass nicht nur wie üblich Rot und Schwarz auf ihr Antragsrecht verzichten sondern auch die Freiheitlichen.