Im Staccato erfolgten nach der Präsentation von Teil 2 des ÖVP-Wahlprogramms die Reaktionen der anderen Parteien, und zwar durchwegs negative.

Beim Noch-Koalitionspartner SPÖ ergriff zunächst Klubobmann Andreas Schieder das Wort und bezeichnete das Wahlprogramm als "Bilderbuch, garniert mit den inhaltslosesten Sätzen der politischen Kommunikation." Kurz setze auf "Plattitüden", es sei "das unambitionierteste und inhaltsleerste Wirtschaftsprogramm, das die ÖVP je vorgestellt hat", so Schieder. Die Wahlbroschüre der ÖVP erinnere ihn an die Panini-Alben, in denen bei Fußball-EM und -WM Sticker mit den Spielern gesammelt würden. "Offenbar will Kurz gar keinen politischen Diskurs, sondern den Wettbewerb um das größte Bilderbuch gewinnen. Aber auch da scheitert das Projekt: Pickerl sind da unschlagbar."

"Unverdaulich" und abgeschrieben

Zu einem anderen Vergleich griff SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler: "Häppchenweise verabreicht und trotzdem unverdaulich" ist das ÖVP-Programm für ihn. Kurz lasse keine Gelegenheit aus, Österreich schlechtzureden, kritisierte Niedermühlbichler in Bezug auf die Feststellung im Programm, Österreich habe in den letzten Jahren einiges verschlafen. "Der Einzige, der offenbar geschlafen hat, ist Herr Kurz selbst. Denn Österreich steht heute dank der harten Arbeit der ÖsterreicherInnen und unserer konsequenten Politik gut da", so Niedermühlbichler. Während die SPÖ dafür kämpfe, dass der Aufschwung bei allen ankomme, habe sich die ÖVP bei wichtigen Reformen als "Oberbremserin" betätigt. Die ÖVP habe weder Zukunftskonzepte noch eigene Ideen, meint Niedermühlbichler in Anspielung auf Gemeinsamkeiten der Wahlprogramme von ÖVP und FPÖ.

Auch Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, findet, dass die ÖVP beim Thema Bildung von der FPÖ abgeschrieben hat. Konkret geht es um Deutsch als Voraussetzung für die Schulreife. Damit vertrete die ÖVP "populistische Ausgrenzungsphantasien statt aktiver Ingetrationspolitik". Es sei nicht nur teuer und ungerecht, Kinder beim Lernen zu trennen, sondern auch kontraproduktik, denn "Kinder lernen am besten von Kindern". Sprachenförderung müsse vom Kindergarten bis zum Ende der Schulzeit durchgehend forciert werden, und es brauche eine flexible Schuleingangsphase.

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl lehnt die Einführung von Studiengebühren (vorgesehen in Kombination mit Stipendien) ab: "VP-Obmann Kurz schließt damit die Route zu höherer Bildung für tausende Studierende, die sich dann ein Studium nicht mehr leisten könnten." Das ÖVP-Programm sei ein Programm für die Wohlhabenden und gegen mittlere und kleinere Einkommen.

FPÖ sieht "Leere Worthülsen"

Der Vorwurf, die ÖVP habe abgeschrieben, kommt der FPÖ gerade recht. Bildungssprecher Wendelin Mölzer findet es "wenig erstaunlich", dass blaue Ideen im türkisen Bildungsprogramm auftauchen. Allerdings vermutet er, dass Kurz es mit einigen der Forderungen nicht so ernst meine. Ansonsten seien "nicht mehr als leere Worthülsen" zu finden, so Mölzer.
Maximilian Krauss, Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend und Wiener Gemeinderat, bezeichnet die ÖVP als "Totengräber des Gymnasiums". Er glaubt Kurz nicht, dass er das Gymnasium erhalten wolle, habe er doch der Einrichtung von Modellregionen für die Gesamtschule zugestimmt.

Als "Retter des Bildungswesen" sei Kurz "unglaubwürdig", konstatierte die stellvertretende Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. In den Wiener Schulen seien die Probleme schon lange vorhanden, aber sowohl ÖVP als auch SPÖ hätten einfach weggeschaut. "Die Zukunft der Kinder war ihnen egal", so Meinl-Reisinger.
Erstaunen löste der Wirtschaftsteil des ÖVP-Programms bei Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn aus, denn einige der nun vorgelegten Maßnahmen habe die ÖVP bisher konsequent abgelehnt. "Der Abstand zwischen dem behaupteten Reformwillen der ÖVP und ihren tatsächlichen Handlungen ist frappierend", kritisiert Schellhorn und nennt als Beispiel die Reform der Gewerbeordnung, die Kurz verhindert habe.