In der Bildung will Sebastian Kurz einen "stärkeren Fokus auf die Grundausbildung" setzen. Als Kriterium für die Schulreife soll künftig "das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache" gelten. Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen in speziellen Deutschförderklassen unterrichtet werden, unabhängig vom Alter. Außerdem sollen sie verpflichtenden Nachmittagsunterricht und Sommerkurse besuchen, wenn die Lernfortschritte in Deutsch nicht ausreichend sind.

Anstelle der Schulpflicht solle es eine "Bildungspflicht" geben, so Sebastian Kurz am Mittwoch in Kuchl (Salzburg), wo die "Neue Volkspartei" mit ihrer "Aufbruchtour" Station machte. "Aufbruch und Wohlstand" steht auch im Titel von Teil 2 des neuen Wahlprogramms. Die ÖVP widmet sich auf 93 Seiten vier Schwerpunkten, "die unseren Standort stärker machen und uns als Österreich letztlich auch ein Stück weit ausmachen", Kurz.

"Chancen-Pass" und "Staatskunde"

Die Sprachförderung soll bereits im Kindergarten beginnen: Kinder, die nach einem Kindergartenjahr nicht ausreichend Deutsch sprechen, sollen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr absolvieren.

Um die Schulpflicht zu erfüllen, müssen Mindest-Bildungsstandards beherrscht werden. Dazu gehören sinnerfassendes Lesen und Kenntnisse der Grundrechnungsarten.
In der 8. Schulstufe soll es einen "Chancen-Pass" geben: eine zentrale Prüfung der Bildungsstandards (ähnlich der Matura), eine Projektarbeit, eine verbale Beurteilung der Stärken und Schwächen sowie einen Berufsorientierungstest.

ÖVP präsentierte Wahlprogramm Teil 2: „Bildungspflicht statt Schulpflicht“

Auch staatliche Grundwerte sollen den Kindern vermittelt werden, und zwar im Pflichtfach "Staatskunde" ab der fünften Schulstufe. Und wer sich vom Religionsunterricht abmeldet, soll künftig verpflichtenden Ethikunterricht haben.
Auf die Digitalisierung will man bereits in der Volksschule reagieren, und zwar mit dem Erlernen von Programmiersprachen und Unterricht in digitalen Grundkompetenzen.

Grundsätzlich soll das Schulsystem aber bleiben, wie es ist, also mit der Möglichkeit, nach der Volksschule ins Gymnasium zu gehen.

Zugangsbeschränkungen an Unis

An allen Hochschulen Österreichs soll es künftig Zugangsregelungen und eine Studienplatzfinanzierung geben. Außerdem sollen "moderate Studienbeiträge in Kombination mit einem Stipendiensystem" für eine höhere soziale Durchlässigkeit sorgen. Auch zwischen Lehre, Matura und Studium soll die Durchlässigkeit höher werden.

Im Forschungsbereich sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, vor bei der Abwicklung von Förderungen. Die Forschungsquote soll auf 3,76 Prozent steigen, mit den Schwerpunkten Grundlagenforschung und die angewandte Spitzenforschung.

Die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung soll auch den Bürgern Vorteile verschaffen: Ein Online-Portal soll die 10 wichtigsten Behördenwege ersparen, und jeder Bürger soll ein "Digitales Bürgerkonto" mit den Online-Profilen aller Behörden bekommen. Zudem soll das Breitbandinternet ausgebaut werden.

Entlastung bei Sozialversicherungsbeiträgen

Für geringe Einkommen soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung (ein Teil der Sozialversicherungsbeiträge) reduziert werden, damit Menschen, die wenig verdienen, mehr Nettolohn übrig bleibt. Bis 1.648 Euro soll künftig kein Beitrag mehr anfallen, bis 1.798 Euro soll 1 Prozent für die Arbeitslosenversicherung abgezogen werden, bis 1.948 Euro 2 Prozent und darüber 3 Prozent. Die Geringverdiener sollen dadurch um einige hundert Euro im Jahr entlastet werden. Kosten soll 200 bis 250 Millionen Euro pro Jahr.

Bereits bekannt sind die ÖVP-Vorschläge zum Bürokratieabbau: Ein Unternehmen zu gründen, soll zukünftig leichter sein, etwa durch One-Stop-Shop an nur einer Behördenstelle und ohne Einlage von Stammkapital. Die Mindest-KöSt soll abgeschafft und das Gewerberecht modernisiert werden. Gesetze sollen mit einem Ablaufdatum versehen werden, und das Arbeitsinspektorat soll künftig "Beraten statt Strafen".

Durch steuerliche Anreize und den Abbau bürokratischer Hürden sollen sich mehr Unternehmen in Österreich ansiedeln und zum Wachstum beitragen. Außerdem will die ÖVP den Fachkräftemangel beheben und die Exportwirtschaft forcieren, etwa durch einfachere Zollverfahren.

Pariser Klimaabkommen einhalten

Die "Neue Volkspartei" bekennt sich zu den Klimazielen des Pariser Abkommens und will die Ziele der EU für die Reduktion von CO₂-Emissionen einhalten. Es soll in Zukunft einfacher sein, eine Genehmigung für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu erhalten.

Beim Thema Mobilität will man auf Mitfahrbörsen und Carsharing setzen, um die Umwelt zu entlasten. Außerdem soll die Digitalisierung helfen, um etwa mit Ampeln den Verkehrsfluss effizienter zu steuern.

Schützenhöfer sieht Kurz "neue Wege gehen"

Für Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) zeigt der zweite Teil des ÖVP-Wahlprogramms, "dass Sebastian Kurz die ausgetretenen Pfade verlassen und neue Wege gehen will um Österreich, das in manchen Bereichen verkrustet ist, in eine gute Zukunft zu führen". Im Mittelpunkt stehe die Stärkung des Standorts Österreich. Schützenhöfer begrüßt die Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Stärkung der Unternehmer. Wichtig sei es auch, die Exportwirtschaft zu stärken, denn "die Steiermark ist ein exportorientiertes Bundesland".

"Standortpolitik ist die beste Arbeitsmarktpolitik", konstatierte der Wiener ÖVP-Chef und Stadtrat Gernot Blümel. Es sei vollkommen richtig und wichtig, die Themen Bildung, Wissenschaft und Forschung als eine der tragenden Säulen für die Zukunft in den Vordergrund zu rücken und Zukunftschancen durch bestmögliche Bildung zu garantieren. "Gerade in Wien, wo die Zahl der außerordentlichen Schüler immer mehr explodiert", brauche es die Bildungspflicht und den Fokus auf Grundkompetenzen ebenso wie die Forderung, dass Deutsch Voraussetzung für die Schulreife werden soll. "Wir dürfen nicht zulassen, dass hier Generationen von Kindern vom System mitgeschleppt werden, ihre Schulpflicht absitzen und am Ende des Tages wegen Unvermittelbarkeit ihre Leben in der Mindestsicherung verbringen müssen." 

Lob kam am Mittwoch auch vom Wirtschaftsbund. Für Präsident Christoph Leitl bestätigt die ÖVP mit dem zweiten Teil ihres Programms, "dass sie die Wirtschaftspartei im Land ist".

Von den anderen Parteien kommt hingegen heftige Kritik. Mehr dazu hier.