Die Grüne Bundessprecherin Ingrid Felipe hat bei ihrem ORF-Sommergespräch scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung vor zwei Jahren geübt. "Ich hätte danach getrachtet, mit Deutschland, mit Griechenland und Brüssel zu kooperieren und nicht dort gegen die EU-Verteilung zu stimmen", sagte Felipe Montagabend. Die Art und Weise, wie die Balkanroute geschlossen wurde, sei falsch gewesen.

"Wenn man Grenze schließt, ist das Problem nicht gelöst", das Ergebnis sei gewesen, das Frauen und Kinder im Schlamm gesessen seien. Die Bundesregierung hätte viel früher anfangen müssen, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Darüber hinaus brauche es faire Handelsabkommen mit Afrika und legale Fluchtwege, legte die Grünen-Chefin die Positionen ihrer Partei dar.

"Lage am Brenner überschaubar"

Ihr Gegenüber in der Tiroler Landesregierung, Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) lobte sie dafür, dass er es dank Diplomatie geschaffte habe, den Brenner trotz der Flüchtlingskrise offenzuhalten. Äußerungen von Bundespolitikern hätten da nur zu Irritationen in Italien und Brüssel geführt. "Die Lage am Brenner ist überschaubar. Es irritiert Südtirol und die EU, wie die Regierung mit ihren Aufmarschplänen agiert."

Zu den internen Problemen der Grünen sagte Felipe, es sei schon mutig gewesen, die Partei in dieser Phase zu übernehmen. "Es sind schwierige Zeiten, aber es gilt auch in schwierigen Zeiten zu zeigen, dass man krisenfest ist", übte sie sich in Zweckoptimismus. Es gehe nun darum, durchzustarten, weil es die Grünen in Österreich brauche, versprach Felipe eine "Aufholjagd". Sie präsentierte die Partei mit Verweis auf die Koalitionen in Tirol und Vorarlberg als regierungsfähig.

"Gesprächsbereit mit allen, auch mit Peter Pilz"

Die basisdemokratische Listenerstellung, die dazu führte, dass Peter Pilz nun mit einer eigenen Liste antritt, verteidigte Felipe. Die Listenerstellung sei eine wichtige Entscheidung, "diese Entscheidung treffen wir gemeinsam". Die Demokratie fange hier an. Nachbesserungsbedarf sah sie in der Frage, wie unterlegene Kandidaten mit ihrer Enttäuschung umgehen sollten. Dafür brauche es Räume und Möglichkeiten, damit die Abrechnung nicht in den sozialen Netzwerken stattfindet. Den Grünen gehe es darum Lösungen zu finden. Daher sei man nach den Wahlen mit allen Parteien außer den Freiheitlichen bereit, Koalitionen zu bilden. Auch mit der Liste Peter Pilz.

"Das fossile Denken beenden"

Moderator Tarek Leitner, der heuer die Sommergespräche mit den Parteivorsitzenden führt, klapperte auch grüne Kernthemen ab, darunter die Umweltpolitik. "Wir müssen das fossile Denken beenden", begründete Felipe ihre Forderungen nach einer kilometerabhängigen Maut, einem österreichweiten Öffi-Ticket und einer Reform der Pendlerpauschale. Es brauche eine intelligente Mobilitätswende.

Darüber hinaus betonte die Tirolerin, dass es einen Unterschied mache, ob Frauen nur mitgemeint oder auch genannt werden und warnte davor, Religionen für populistische Zwecke zu instrumentalisieren. In der Bildungspolitik forderte Felipe, dass Zweitsprachen von Kindern mit Migrationshintergrund als Kompetenzen wahrgenommen werden.

Felipe, die selbst an nicht wählbarer Stelle für den Nationalrat kandidiert, strebt, wie sie sagte, 2018 eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition in Tirol an. Die grüne Spitzenkandidatin für die Wahl am 15. Oktober, Ulrike Lunacek, hatte Felipe zum Glasstudio vor dem Parlament begleitet - blieb aber während des Fernsehinterviews im Hintergrund. Felipe schloss gegenüber Tarek Leitner aber nicht aus, dass die derzeitige Ämtertrennung der Grünen nach der Wahl überdacht wird.

Das Sommergespräch mit Felipe haben laut ORF durchschnittlich 511.000 Österreicher verfolgt (Marktanteil 22 Prozent). Damit stieß die Grüne auf etwas weniger Zuschauerinteresse als NEOS-Chef Matthias Strolz eine Woche zuvor, ihm sahen im Schnitt 552.000 zu. Nächste Woche ist FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache an der Reihe.

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