Der ungarische Premierminister Viktor Orban hat nach dem EU-Gipfel am Freitag in Brüssel betont, dass er mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) beim EVP-Treffen am Vortag über die Migrationsfrage gesprochen habe, und dessen Position teile. Kurz sei ein junger engagierter Politiker, der die Migration stoppen wolle. Allerdings "will ich nicht in den österreichischen Wahlkampf eingreifen", so Orban.

Beim EU-Gipfel habe es jedenfalls Einigkeit darüber gegeben, dass die externen Grenzen geschützt und illegale Migration gestoppt werden müssten, sagte Orban. Auch seien die Staats- und Regierungschefs einig, dass Abkommen mit den Transitländern für Flüchtlinge geschlossen werden sollten. Zudem solle eine Liste mit sicheren Drittstaaten geschaffen werden, kündigte Orban an.

Der Streit zwischen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Kurz über eine "Schließung" der Mittelmeer-Route für Flüchtlinge und Migranten geht unterdessen weiter. Kurz bekräftigte seine Forderung am Freitag nach einem Arbeitsgespräch mit dem steirischen LH Hermann Schützenhöfer (ÖVP) in Graz. Kern hatte zuvor vom EU-Gipfel aus diese als nicht ernstzunehmend qualifiziert.

"Der Vorschlag schwebt hier gar nicht im Raum, aber er schwebt in Österreich im Raum", sagte Kern in Brüssel am Donnerstagabend. "Nur einen solchen Vorschlag zu machen, wo wir in Europa Bündnispartner brauchen, europäische Lösungen brauchen, und den wir dann eigentlich nur für die österreichischen Medien und die österreichischen Konsumenten diskutieren - das ist keine ernst zu nehmende Politik."

Und weiter: "Was wir brauchen, ist Engagement bei den ganz konkreten Projekten und Maßnahmen, da müssen wir uns viel stärker einbringen." Die EU-Kommission und die Außenbeauftragte Federica Mogherini seien diesbezüglich nicht unerfolgreich. Vereinbarungen mit Niger, Mali und Libyen seien aber erste gute Schritte. Die EU könne natürlich jederzeit die Boote aufhalten. Es gebe aber auch die rechtlichen Verpflichtungen, sagte Kern. "Das Völkerrecht sieht vor, dass diese Menschen in Europa ein entsprechendes Asylverfahren zu bekommen haben, und das ist natürlich verbindlich. Darüber kann man sich nicht einfach hinwegsetzen, wenn man sich an das Völkerrecht, an die Menschenrechtskonvention halten möchte."

"Kein Vollholler"

Zunächst konterte ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger, indem sie auf die Gipfel-Einladung von EU-Ratspräsident Donald Tusk verwies. Tusk schrieb in dem der APA vorliegenden Brief unter anderem, dass im Zusammenhang mit der illegalen Migration nach Europa die Mittelmeerroute "überprüft" werden müsse. Die Zahl der illegalen Ankünfte in Italien sei im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent gestiegen. Rund 1.900 Menschen hätten ihr Leben im Meer verloren, die Schlepperei eine neue Dimension erreicht. Die bisherigen Anstrengungen sind angesichts dieser Entwicklung laut Tusk "klar zu wenig". Es brauche mehr Unterstützung für die libysche Küstenwache, die ein Verbündeter im Kampf gegen die Schlepper sei.

Druck machen mit EU-Geld

Kurz verwies in Graz auf den Flüchtlings-Deal der EU mit der Türkei zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms über den Balkan. "Mit einem entsprechenden Angebot ist das auch mit Tunesien oder Ägypten möglich", so Kurz. Nur eine Ankündigung gestrichener Gelder werde im Übrigen in afrikanischen Staaten eine Politikänderung bewirken. Kurz selbst hatte früher den Pakt mit der Türkei als Plan B bezeichnet, denn Europa müsse eigenständig seine Grenze schützen. Wer sich nur auf den Flüchtlings-Deal (mit der Türkei) verlasse, werde bald selbst verlassen sein.

Das Mittelmeer sei eine andere Route als über den Balkan, "aber eines ist immer gleich: solange sich Menschen illegal auf den Weg machen und Schlepper bezahlen und tatsächlich am Zielort ankommen, solange machen sich immer mehr auf den Weg. Die Schlepper verdienen immer mehr, und bei uns steigt die Überforderung, und solange die Rettung im Mittelmeer auch das Ticket nach Europa bedeutet, kommen mehr", sagte der Außenminister in der Grazer Burg. "Wir entscheiden, wer zuwandert, nicht die Schlepper. (...) Deshalb ist die Schließung der Mittelmeerroute kein 'Vollholler'", wies er die Kritik von Kanzler Kern, der dieses Wort gebraucht hatte, zurück.

"Nie wieder" eine Situation wie 2015

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer stellte sich voll hinter, neben und vor den Außenminister: "Ich will nie wieder mit einer Flüchtlingswelle wie 2015 konfrontiert werden. Das war die härteste Zeit." Er hoffe, dass alle aus den Fehlern von damals gelernt hätten. Den Schleppern müsse das Handwerk gelegt, den Flüchtlingen vor Ort geholfen werden. Was den Kern'schen "Vollholler" betrifft, so meinte Schützenhöfer: "Ich wundere mich über die Wortwahl. Das dient nicht Kerns Partei und es dient auch nicht Österreich."

Unterdessen erklärte Bundeskanzler Kern, beim EU-Gipfel in Brüssel seien Fortschritte in der Migrationspolitik gegenüber Libyen gemacht worden. Niger habe bereits deutlich die Zahl der Flüchtlinge nach Libyen reduziert. "Jetzt geht es darum zu verhindern, dass alternative Routen aufgemacht werden", sagte Kern.

Deshalb würden die Kooperationen der EU auf Mali und Tschad ausgeweitet. Dies werde zu einer weiteren Reduktion des Migrantenzustroms nach Libyen führen. Auch die EU-Kooperation mit der libyschen Küstenwache werde ausgebaut, was ein positiver Schritt sei, sagte Kern.