Eine vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Studie, welche Auswirkungen die Einführung des deutschen Hartz-IV-Modells in Österreich hätte, sorgt für Empörung bei der SPÖ: Sozialminister Alois Stöger befürchtete am Samstag in einer Aussendung eine "Zerstörung des Sozialsystems". Das Finanzministerium betont, so ein Modell sei gar nicht geplant.

In der Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, über die "Kronen Zeitung" und ORF berichteten, wird davon ausgegangen, dass nach Bezug des Arbeitslosengeldes statt der Notstandshilfe die bedarfsorientierte Mindestsicherung als staatliche Unterstützung folgt. In Deutschland bekommen Alleinstehende im Rahmen von Hartz IV 404 Euro monatlich, Paare 768 Euro. Das Einsparungspotenzial für den Bund läge bei einer Milliarde Euro jährlich. Gleichzeitig wird aber auch auf einen beträchtlichen Anstieg der Armutsgefährdung hingewiesen.

Stöger propagiert "Aktion 20.000"

"Die Einführung von Hartz IV in Österreich bedeutet Armut und soziale Ausgrenzung", warnte denn auch Sozialminister Stöger. "Menschen in die Armut zu treiben hat nichts mit verantwortungsvoller Sozial- und Wirtschaftspolitik zu tun." Statt Tempo bei der Langzeitarbeitslosen-"Aktion 20.000" zu machen, blockiere die ÖVP, um scheinbar die Möglichkeiten einer Einführung von Hartz IV in Österreich vorzubereiten.

Er werde nicht zulassen, "Arbeitssuchende mit Hartz IV zu bestrafen, ihnen beinahe das gesamte Ersparte, das Haus und die Eigentumswohnung, das Auto und den Bausparer wegzunehmen", erklärte Stöger. Hartz IV in Deutschland sei "ein mahnendes und abschreckendes Beispiel für uns".

Alte Studie

Im von Hans Jörg Schelling (ÖVP) geführten Finanzministerium kann man die Aufregung nicht wirklich nachvollziehen - denn ein Hartz IV-Modell für Österreich sei gar kein Thema. Es handle sich nicht um eine aktuelle Studie, die Untersuchung sei bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben worden. "Ein Modell wie Hartz IV war und ist in Österreich nicht geplant", betonte eine Sprecherin gegenüber der APA. Grundsätzlich seien derartige Studien nichts ungewöhnliches, da das Finanzministerium laufend Effizienzpotenziale in jedem Bereich prüfe.

Überlegungen, das Sozialsystem umzustellen, gibt es in der ÖVP seit langem. Zuletzt hatte Innenminister Wolfgang Sobotka in seiner Funktion als NÖAAB-Obmann rund um den 1. Mai für eine De-facto-Abschaffung der Notstandshilfe getrommelt.

Kaiser spricht von "Abrissbirne"

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser warf der ÖVP am Samstag einen "Feldzug gegen sozial Schutzbedürftige" vor und sprach von einer "Kurz'schen Sozial-Abrissbirne".

Aus dem Büro des designierten ÖVP-Chefs Sebastian Kurz hieß es gegenüber der APA, man bleibe der eigenen Linie treu und antworte auf "Angriffe" nicht mit Gegenangriffen. Zuvor hatte bereits das ÖVP-geführte Finanzministerium betont, dass die Simulationsstudie bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben worden sei. "Ein Modell wie Hartz IV war und ist in Österreich nicht geplant."

Köstinger: "Alter Stil"

Die ÖVP wehrt sich gegen Vorwürfe der SPÖ, sie wolle das deutsche Hartz IV-Modell in Österreich einführen. "Das ist ein Musterbeispiel für alten Politikstil", kritisierte ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger am Samstag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Wir werden uns an solchen Spielen und diesem Stil nicht beteiligen."

Köstinger warf umgekehrt der SPÖ vor, "irgendeine Studie aus dem Finanzministerium" über die Medien veröffentlicht zu haben, die der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht nur nicht kenne, "sondern nicht einmal wusste, dass es sie gibt". Dann behaupte die SPÖ, ohne Kurz' Programm zu kennen, dass die in der Studie enthaltenen Vorschläge Positionen seines Programms sein würden und empöre sich dann "über die gerade selbst erfundene Behauptung", meinte Köstinger.

Das strategische Ziel sei derzeit offensichtlich "alle gegen Sebastian Kurz", ärgerte sich Köstinger. Man werde über das Programm, die Inhalte und Ziele "sachlich rechtzeitig informieren, ohne andere anzupatzen", versicherte sie.

Die SPÖ will das dem scheidenden Koalitionspartner im anlaufenden Wahlkampf offenbar nicht glauben: In einer Aussendung warf Kaiser der "Kurz-ÖVP" vor, "krude Pläne" zu schmieden. Überlegungen, das Hartz IV-Modell einzuführen, seien "kaltherzig", meinte der Stellvertreter von SPÖ-Chef Christian Kern. "Nach und nach zeigt die neue ÖVP mit Sebastian Kurz als taktierendem Pokerspieler an der Spitze ihr wahres Gesicht." 160.000 Menschen wären zusätzlich von Armut betroffen, so Kaiser. Die Schicksale von sozial schutzbedürftigen Menschen seien der ÖVP "schlichtweg egal".

Gewerkschaft gegen Hartz-IV-Ideen

Auch Gewerkschafter und SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf der "Kurz-ÖVP" vor, mit Hartz-IV-Ideen "auf die Schwächsten hinzuhauen".

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl befand, "mit den Hartz IV-Visionen aus dem Finanzministerium hat sich die ÖVP vom Volk verabschiedet" und unterstellte Kurz' Team "weltfremde Elitenpolitik". Aber auch der SPÖ traut Kickl nicht, es könne durchaus sein, dass ÖVP und SPÖ nach der Wahl "dieses Sozialkürzungsprogramm beinhart durchziehen", zumal die Staatskassen leer seien. Wichtig wäre es dagegen, den Zugang ins Sozialsystem bei "Nicht-Staatsbürgern und Asylanten" zu verschärfen, forderte Kickl.