Vor einem Jahr trat Werner Faymann zurück, letzte Woche Reinhold Mitterlehner, heute Donnerstag hat Eva Glawischnig im Parlament in Wien ihren Rücktritt verkündet.

Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstagvormittag nannte sie hierfür gesundheitliche Gründe. Glawischnig war allerdings nach dem ausbleibenden Aufschwung nach der Bundespräsidentenwahl, aber auch nach dem Rausschmiss der Jungen Grünen aus der Bundespartei parteiintern unter Druck geraten.

Sie sparte bei ihrem Abgang nicht mit Kritik an der politischen Konkurrenz und Medien. "Es gibt da Leute, die zutiefst sexistische Machos sind." Sie sei in vielen Diskussionen die einzige Frau gewesen, "hätte es mehr Menschen wie Sabine Oberhauser und Barbara Prammer in der Politik gegeben, wäre vielleicht einiges anders."

An alle Social Media-Nutzer appellierte sie weiters, die Debattenkultur zu verändern, damit nicht der Hass dominiert. Als Privatperson werde sie auch weiterhin gegen Hass im Netz mit Musterklagen vorgehen. Dies will sie "mit aller Kraft weiter betreiben". Auch "einige Persönlichkeiten" in der Medienbranche kritisierte sie, da diese das Klima in der Republik "regelrecht vergiften" und journalistische Sorgfalt vermissen ließen - oder weil sie "einfach sexistische Machos sind". Bei dem Medientermin saß übrigens auch der "Krone"-Kolumnist Michael Jeannee, der Glawischnig immer wieder in seiner Kolumne heftigst angegriffen hatte, im Publikum.

Nächster Rücktritt: Grünen-Chefin Glawischnig geht

Ihre Söhne und ihr Ehemann würden sie brauchen, erklärte Glawischnig, die - abseits der Politik - weiter daran arbeiten wolle, dass Österreich lebenswert bleibe.

Wer soll Glawischnig folgen?

Dem Vernehmen nach wollte sie diesen Schritt erst morgen vollziehen, weil die Meldung aus dem engeren Führungszirkel nach außen gespielt wurde, wurde der Termin vorgezogen. Wie es bei den Grünen weitergeht, sollte sie den Rückzug antreten, soll bei einer Krisensitzung des erweiterten Bundesvorstands am Freitag in Salzburg beraten werden. Dem Vernehmen nach könnte die Tiroler Grünenchefin Ingrid Felipe das Zepter übernehmen. Als erster Zeitung wurde der Kleinen Zeitung um Mitternacht das von der Hamburger "Zeit" gestern spätabends aufgebrachte Gerücht bestätigt. "Es stimmt", hieß es aus Grünen Kreis. Felipe wurde 1978 in Tirol geboren, studierte Betriebswirtschaft in Innsbruck und ist seit 2005 für die Grünen aktiv, 2012 zog sie in den Landtag ein, 2013 wurde sie Landesrätin für Umweltagenden. Sie ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes.

Lockl will nicht nachfolgen

Lothar Lockl, langjähriger Grüner und zuletzt Kampagnenleiter im Wahlkampf von Alexander Van der Bellen, will nicht die Nachfolge der scheidenden Bundessprecherin Eva Glawischnig antreten. "Ich stehe bis auf weiteres nicht zur Verfügung", bekräftigte er am Donnerstag auf APA-Anfrage. Er wolle sein Unternehmen nicht aufgeben und lasse seiner Frau Claudia Reiterer beruflich den Vortritt.

"Derzeit kommt eine parteipolitische Funktion für mich nicht infrage", so Lockl, der für den grünen Spitzenposten wiederholt ist Spiel gebracht worden ist. Er habe ein erfolgreiches Strategieberatungsunternehmen aufgebaut und trage Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. "Ich mache das mit Freude. Das gibt man nicht leichtfertig auf", sagte er.

Außerdem habe seine Frau mit der Leitung der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" gerade erst eine neue und spannende Funktion übernommen. "Für mich wäre es nicht akzeptabel, dass sie jetzt ihren Job aufgeben müsste oder zurückstecken sollte", so Lockl in Hinblick auf die drohende Unvereinbarkeit der beiden Jobs. Sie habe dies schon einmal tun müssen, als er Bundesparteisekretär der Grünen geworden war: "Ich lasse ihr da den Vortritt."

Angesichts des Rückzugs von Glawischnig, aber auch von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und anderer zeigte er sich nachdenklich darüber, dass es in der Politik Respekt und Wertschätzung nur beim Antritt und beim Rücktritt gebe. Es brauche in Politik und Medien einen anderen Ton und eine andere Gesprächskultur, meinte Lockl.

"Verstoßene" Jugend sieht Chance

Die Jungen Grünen sehen im Rücktritt von Bundessprecherin Eva Glawischnig eine Chance für den Neuanfang. Bei Glawischnig bedankte sich Flora Petrik, Bundessprecherin der Jungen Grünen, für ihr Engagement.Die Jungen Grünen seien "im Windschatten" von Glawischnig zur größten ehrenamtlichen Organisation der Grünen geworden. Auch habe sie der Partei "viele Erfolge beschert", hieß es weiters.

Nach dem Zerwürfnis mit der Bundespartei seien "unsere Hände  weiterhin ausgestreckt für eine Zusammenarbeit", betonte Petrik, die ein geordnete Übergabe anstrebt. Die Jungen Grünen seien in allen neun Bundesländern weiterhin die offizielle Jugendorganisation der Grünen.

Petrik kritisierte in der Aussendung auch, dass es der Bundespartei in den vergangenen Jahren nicht gelungen sei, "starke politische Erzählungen mit inhaltlicher Substanz zu schaffen". Es brauche hingegen wieder eine tiefgehende Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen, forderte sie. Mit Glawischnigs Rücktritt seien die Probleme der Partei nicht gelöst.

Vizekanzler bedauert Rücktritt

Der neue Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bedauert den Rücktritt der Grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig. Sie sei stets als "konstruktive Kraft im Parlament aufgefallen", erklärte der Justizminister in einer Aussendung am Donnerstag. Ihre Warnung vor einer stärker werdenden "politischen und medialen Aggressivität" sollte man ernst nehmen, betonte Brandstetter.

Eine Analyse von Politik-Redakteur Thomas Cik finden Sie hier. Eine erste Analyse von Innenpolitik-Chef Michael Jungwirth: