Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner legt alle Funktionen in Politik und Partei zurück. Dies gab er heute Mittag in einer "persönlichen Erklärung" bekannt. Der Parteivorstand werde am Wochenende einen geschäftsführenden Parteiobmann bestimmen und den Bundesparteitag ausschreiben.

Scharfe Kritik übte Mitterlehner gleich zum Auftakt seiner Pressekonferenz am ORF, der seinen Beitrag über die Regierungskrise in der "ZiB 2" am Dienstag mit einem Hinweis auf den Film "Django - die Totengräber warten schon" begonnen hatte. Hervorgestrichen wurde vom scheidenden Vizekanzler sein "positives Verhältnis" zu Kanzler Christian Kern, auch wenn die "ständige Inszenierung" mit ein Grund für die derzeitige Situation sei.

Claudia Gigler und Ernst Sittinger haben den Rücktritt Mitterlehners live im Kleine-TV-Studio analysiert. Den Stream zum Nachschauen gibt es in Kürze.

Am kommenden Montag trete er auch als Vizekanzler, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister zurück, kündigte Mitterlehner an. Eine Stunde nach ihm wandte sich auch SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern an die Öffentlichkeit.  Neuwahlen stehen im Raum, doch Kern winkt vorerst ab. Er bietet ÖVP eine "Reformpartnerschaft für Österreich" an.

Reinhold Mitterlehner tritt zurück und gibt alle Funktionen ab

Bundeskanzler Kern will mit ÖVP und Kurz weiterregieren

Wieder eine Stunde später folgte dann eine Stellungnahme von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Jetzt heißt es kühlen Kopf bewahren. Die Verantwortung der Spitzen von SPÖ und ÖVP ist es, zügig und zeitnah Klarheit darüber zu schaffen, wie es weitergeht." Die Verantwortung der Spitzen von SPÖ und ÖVP sei es nun, klarzulegen, wie sie mit dem in sie gesetzten Vertrauen umngehen. "Die Bevölkerung und ich erwarten sich, dass im Interesse Österreichs zügig zu einer Lösung kommt, die eine tragfähige Regierungszusammenarbeit ermöglicht."

Nach Mitterlehner-Rücktritt: Van der Bellen will rasch Klarheit

Seit Tagen stand Mitterlehner parteiintern unter Druck und sah sich erst diese Woche wieder gezwungen, Rücktrittsgerüchte zu dementieren. Seit Tagen habe er sich daher mit dem Gedanken getragen, zu weichen und sich auch intensiv mit seiner Familie beraten, bekannte Mitterlehner in seiner Erklärung ein. "Ich bin kein Platzhalter, der auf Abruf, bis irgendjemand anderer Zeitpunkt und Konditionen seines Abganges festlegt, agiert, der an einem Amt klebt."

Den Ausschlag, diesen Rücktritt heute zu erklären, habe die ORF-Berichterstattung von Dienstag abend gegeben, mit der Headline: "Django: Die Totengräber warten schon." Er habe immer mit Humor und Satire in der Politik leben können, aber das sei zu viel gewesen: "Es war nicht mehr pointiert, sondern schlicht fehl am Platz." Der ORF entschuldigte sich im Nachhinein dafür.

Die Erklärung Mitterlehners zum Nachsehen:

Jetzt sei es genug. "Damit war ich der 16. Parteiobmann der ÖVP, der sein Amt jetzt zur Verfügung stellt. Übrigens der vierte Obmann innerhalb der letzten zehn Jahre, das kann auch ein qualitatives oder strukturelles Problem der ÖVP sein."

Zwischen dem Plan A einerseits und fortgesetzten Provokationen durch die SPÖ andererseits mit dem Versuch, sinnvolle Politik zu betreiben, übrig zu bleiben, "das macht keinen Spaß mehr". Und, an die eigene Partei gerichtet: "Regierung und Opposition zugleich zu sein, das ist auch ein Paradoxon."

Es wird damit gerechnet, dass Außenminister Sebastian Kurz in Mitterlehners Fußstapfen tritt. Informationen der Kleinen Zeitung zufolge sollen sich Mitterlehner und Kurz bereits vor rund 14 Tagen darauf verständigt haben, dass Kurz übernimmt. Nur der Zeitpunkt war offen.

Weichenstellung am Wochenende

Am Wochenende sollen also die Entscheidungen in der ÖVP fallen. Davon hängt wohl auch ab, wie es mit der Regierung insgesamt weiter geht. Das weiß auch Kanzler Kern nicht, daher winkte er in Richtung Neuwahlen vorerst ab. Die Bilanz - Kern ist seit genau einem Jahr im Amt sei vom Stil her "durchwachsen", bei den Ertgebnissen aber "herzeigbar".

Die Erklärung Kerns zum Nachsehen:

"Aber wir stehen noch nicht dort, wo ich hinmöchte". Er wolle die Schritte konsequent fortsetzen. Die Klärung, die jetzt bei der ÖVP anstehe, sei aus seiner Sicht "möglicherweise eine Chance für Österreich und für diese Bundesregierung". Es mache Sinn, das kommende Jahr zu nützen, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Kern nahm von den Worten her eine Anleihe in der Steiermark: "Ich biete der ÖVP und Kurz eine Reformpartnerschaft für Österreich an."

Die Konzepte lägen alle in der Schreibtischlade. "Es geht nur um den Willen."

Mahnende Worte zum Ton in der Politik

Sowohl Kern als auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und viele andere Politiker bedankten sich ausdrücklich bei Reinhold Mitterlehner und dem, was er für Österreich geleistet habe. Mitterlehner hatte sich seiner Rücktrittserklärung bitter über den Ton beschwert, der Politikern von ihresgleichen aber auch seitens der Medien entgegengebracht werde. Dies griff auch der Bundespräsident in seiner Wortmeldung auf: "Seine mahnenden Worte zum Umgangston in der Politik sollten uns alle nachdenklich stimmen. Es braucht, bei aller Differenz, eine Kultur des Respekts."