In den Kirchen singen die Gläubigen zu Ostern „Freu dich, erlöste Christenheit“. Ist von den festlichen Freuden über die Auferstehung Jesu in unseren Tagen nur noch ein Traditionsfest geblieben?


Bischof Wilhelm Krautwaschl: Ostern ist nach wie vor ein wunderbares, schönes Fest. Auch wenn seine religiösen Inhalte vielleicht nicht mehr für alle zugänglich sind. Doch man erlebt zu dieser Zeit auch das Aufblühen der Natur und viele gehen auch zur Osterspeisensegnung, die oft auch kurz Fleischweihe genannt wird. Diese Ereignisse lösen tief drinnen bei den Menschen etwas aus. Es ist dann unsere Aufgabe, sie glaubend zu begleiten.


Glaubend zu begleiten, was darf man sich darunter vorstellen?


Zu sagen, der Tod ist zwar das Schrecklichste, was uns passieren kann, er ist aber nicht das Ende. Ostern wird damit zu einer Botschaft jenseits all der Erfahrungen von Schrecknissen. Wenn wir auf die Christen in Syrien oder im Irak schauen, sie sind hilflos Terrorangriffen ausgesetzt, trotzdem verlieren sie die Hoffnung nicht, Hoffnung auf ewiges Leben, Hoffnung darauf, geliebt zu werden.


Wie kann man beispielsweise Kindern die Bedeutung von Ostern erklären?


Vielleicht so: Ostern heißt, dass ich keine Angst mehr haben muss, egal, was kommt. Wie ich noch klein war, musste am Abend, wenn ich im Bett lag und einschlafen sollte, die Türe einen Spalt offen sein, damit ich ein Licht vom Nebenraum sehen konnte, dann konnte ich in Ruhe einschlafen, weil ich wusste, es ist noch jemand da. Ich brauchte keine Angst vor der Dunkelheit zu haben.


Erinnern Sie sich noch an Osterfeiern in Ihrer Kindheit?


Als wir bei den Dominikanerinnen in Gleisdorf die ganze Nacht über, von Karsamstag bis in den Ostersonntag hinein, feierten. Wir gingen mitten in der Nacht auf den Friedhof und zündeten an möglichst vielen Gräbern Kerzen an. Es gibt Traditionen, das Osterfest in der Früh zu feiern, wenn der Tag anbricht – man steht bewusst auf und spürt dabei, in das Dunkel kommt neues Leben hinein. Das ist das Wesen der Auferstehung.


Wenn Sie jetzt einen neuen Titel für Ostern finden müssten, was würde Ihnen dazu einfallen?


In meinen jungen Jahren nannte ich die Osternacht einmal die große Ballnacht der Christenheit. In dieser Nacht zeigen wir durch das Entzünden des Lichts unseren Glauben, dass der Herr wiederkommt. Wir spenden die Taufe in dieser wichtigsten Feier der Christenheit im Jahreslauf. Wir ziehen in dieser Nacht alle uns möglichen Register, mit Licht, mit Wasser, mit Feuer.


Noch ein Übertitel für das Osterfest?


Mein Vorgänger in diesem Bischofsamt nannte es ein Fest gegen die Schwerkraft, die uns hinunterziehen will. Ich meine, in Erinnerung an meine Kindheit könnte man auch sagen, Ostern ist, wenn die Tür einen Spalt offen ist.


Und überlagert dann das Brauchtum eben nicht doch das Inhaltliche?


Mancher Brauch entwickelte sich aus der Liturgie und hat sich bis heute gehalten, obwohl die Liturgie mittlerweile geändert wurde. Vor 1962 wurde die Osternacht schon am Karsamstagmorgen begangen. Vorne hat der Pfarre etwas gesungen, hinten beteten die Gläubigen noch am Heiligen Grab. Das Osterfeuer gab es in der Früh, daher kam der Brauch, das Weihfeuer zu tragen und auf diesem gesegneten Feuer kochte man das Osterfleisch. Um elf Uhr am Vormittag des Karsamstags waren die Auferstehungsfeiern und die Fastenzeit vorbei und man durfte essen.


Vor der Osternacht kommt der Karfreitag, mit der Frage von Jesus am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Stellen Sie diese Frage auch hin und wieder?


Ja, in verschiedensten Bereichen. Aber wenn ich lerne, diese Frage zu stellen: Wo bist du, Gott?, dann wird selbst die entfernteste Wirklichkeit von ihm umfangen.


Zu Ostern begrüßt der auferstandene Jesus seine Jünger mit den Worten: „Der Friede sei mit euch.“ Wir leben mit Kriegen in der Welt, mit Terror, in Afrika droht Millionen der Hungertod. Kann die Welt Ostern erleben oder kommt sie über den Karfreitag nicht hinaus?


Ich sprach es in meiner Predigt am Palmsonntag an. Der Jubel der Menschen, der dem Friedensfürsten galt. Zu Weihnachten kommt die Friedensbotschaft von den Engeln, zu Ostern kommt sie von Christus. Und wenn wir von Frieden sprechen, geht es nicht nur die da oben an, sondern jeder ist aufgerufen, sich die Frage zu stellen: Wo bringe ich Frieden, wen schließe ich aus, an wem gehe ich vorüber? Auch das ist Ostern.


Hört man diese Botschaft in unserem Land denn noch?Österreich gilt zwar nach wie vor als christliches, als katholisches Land, aber die Kirchbänke sind eher schütter besetzt.


Wir haben als Kirche eine Geschichte, von der wir uns nicht verabschieden können. Ich sage umgekehrt – jahrhundertelang wurden Kirche und Religion staatlich abgesichert, jetzt bestehen wir ohne die Staatsmacht.


Zurzeit wird darüber diskutiert, ob der Karfreitag, bis jetzt nur ein Feiertag für Evangelische, einer für alle werden soll. Wäre es vielleicht sinnvoll, wenn die katholische Kirche dafür einen anderen Feiertag, wie etwa den 15. August, Mariä Himmelfahrt, eintauscht?


Kardinal Christoph Schönborn hat es schon gesagt, die Sonntage sind zuerst einmal wichtiger. Und das andere, würde ich jetzt sagen, da schauen wir, was daherkommt. Wenn wir von uns aus einen Feiertagtausch anbieten, heißt es gleich wieder, wir würden uns selbst abschaffen.


Wie werden Sie heute die Menschen begrüßen?


Üblicherweise beginne ich meine Predigt am Ostersonntag mit dem ostkirchlichen Gruß: „Christus ist auferstanden!“ Das ist die Botschaft, weil das Wort Ostern macht das, worum es eigentlich geht, noch nicht so deutlich. Aber danach, an der Kirchentüre, da wünsche ich dann ein gesegnetes Osterfest.


Und dann haben wir wieder ein schönes, gemütliches Osterfest gehabt und Ostern ist für dieses Jahr damit erledigt?


Wir richten es uns zwar gerne in dieser Welt angenehm ein. Ostern heißt aber auch Aufbruch, der aus jeder Situation heraus möglich ist.

Papst Franziskus rief die Jugend auf, eine aktive Rolle in der Gesellschaft einzunehmen und sich nicht auf der bequemen Couch auszuruhen. Führt uns denn nicht alle diese bequeme Couch immer wieder in Versuchung?


Der Papst sagte in dieser Ansprache, die Zeiten, in denen wir leben, würden nicht nach jungen Couch-Potatoes verlangen, sondern nach Leuten mit Schuhen. Die Jugend lebt mit einer Unsicherheit, es ist eine schwierige Zeit. Verständlich, wenn man da seine Ruhe haben will. Aber Ostern hat noch eine Botschaft, denn die Begegnung mit dem Auferstandenen heißt, egal, wie es mir geht, das Leben hält für mich immer noch eine Möglichkeit parat.