Die Rolle von Hilfsorganisationen bzw. NGOs bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer sorgt für den nächsten Koalitionszwist. Dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) den Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wegen dessen Vorwurfs an die Adresse der NGOs kritisiert hat, sorgt für Verärgerung beim Koalitionspartner.

Scharfe Kritik an Kurz übt vor allem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Dieser habe mit seinen Vorwürfen gegen die Arbeit von NGOs im Mittelmeer während seines Frontex-Besuchs auf Malta die Helfer diffamiert. Menschen vor dem Ertrinken zu retten, sei aber eine humanitäre Verpflichtung.

"Alles für ein schönes Foto"

"Dass Minister Kurz so ziemlich alles für eine Schlagzeile oder für ein schönes Foto tut, ist hinlänglich bekannt. Dass er jetzt aber die wichtige humanitäre Arbeit von NGOs verunglimpft, ist ein neuer, nicht akzeptabler Tiefpunkt. Auch die Wortwahl von Kurz - Stichwort 'NGO-Wahnsinn' - ist völlig inakzeptabel", sagte Niedermühlbichler.

"Dem Außenminister die menschliche Nächstenliebe abzusprechen, ist eines Kanzlers unwürdig. Es ist unerhört, Kurz zu unterstellen, dass er für das Ertrinken von Menschen wäre. Das ist eine bewusste Fehlinterpretation an der Grenze der Geschmacklosigkeit", meinte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon am Samstag in einer Aussendung.

Kurz hatte am Freitag bei einem Frontex-Besuch auf Malta die Rettungsaktionen von Hilfsorganisationen im Mittelmeer scharf kritisiert. Das Vorgehen der Helfer würde Schleppern indirekt das Geschäft erleichtern, der Minister hatte deshalb ein Ende dieses "NGO-Wahnsinns" gefordert. Kanzler Kern wies Kurz' Kritik rund um ein EU-Treffen in Rom via "ZiB 2" zurück. "Wir können nicht sagen, warten wir mal, bis so viele ertrunken sind, und dann werden schon weniger kommen. Das kann für uns keine politische Lösung sein", meinte der Kanzler. "Wenn's dann darum geht, Menschen aus dem Meer vor dem Ertrinken zu retten, dann geht das vor jeder politischen Überlegung." NGOs leisteten einen "unglaublich großartigen Beitrag", so Kern.

250 Tote

Kurz selbst begründete seine Aussagen am Samstag erneut mit der dramatischen Lage an der Südgrenze Europas. "Das derzeitige System führt dazu, dass immer mehr Menschen ertrinken und muss geändert werden. Erst vorgestern sind 250 Menschen vor der libyschen Küste ertrunken", hielt der Minister  fest.

"Die Menschen müssen im Mittelmeer gerettet werden, aber die Rettung darf nicht verbunden sein mit dem Ticket nach Mitteleuropa. Die Migranten müssen nach der Rettung an der EU-Außengrenze gestoppt, versorgt und zurückgestellt werden. Denn sonst machen sich immer mehr auf den Weg, und immer mehr sterben bei der gefährlichen Überfahrt. Ich werde mich jedenfalls nicht zurücklehnen und mit dem Status quo zufrieden sein, wenn die Zahl der Toten von Jahr zu Jahr steigt." Kurz verwies auf die Zahlen der bei der Überfahrt Ertrunkenen. 2015: 3.771, 2016: 5.082, 2017 gibt es seit 1. Jänner mehr Tote als im Vergleichszeitraum der Vorjahre.

Kritik an Kurz setzte es auch von den Grünen. "Die Aussage von Außenminister Sebastian Kurz, dass der 'NGO-Wahnsinn' beendet werden müsse, ist ein Schlag ins Gesicht für all jene Österreicher, die ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig sind, oder für diese Organisationen spenden", meinte deren Chefin Eva Glawischnig. Sie stellte sich hinter all jene Nicht-Regierungsorganisationen, die tagtäglich Menschenleben retten. "Kurz arbeitet konsequent daran, Kanzler in einer Schwarz-Blauen Regierung zu werden", so Glawischnig. Auch diverse NGO-Vertreter wiesen die Aussagen von Kurz empört zurück.