Erst kürzlich hat sich die evangelische Generalsynode gegen "jede Form von Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Hass, auch in den eigenen Reihen" ausgesprochen. "Wir sehen natürlich, dass unterschiedliche Meinungen auch innerhalb der evangelischen Kirche vertreten sind", erklärt Bünker dazu. Pfarrgemeinden und Einrichtungen seien in der Flüchtlingshilfe dennoch in sehr hohem Ausmaß engagiert, "wir werden das kräftig verstärken", kündigt der Bischof an - auch finanziell. Derzeit habe man 180.000 Euro in die Begleitung, Schulung und Betreuung von ehrenamtlichen Helfern investiert.

Bünker schließt sich der Warnung mehrerer Hilfsorganisationen an, wonach das Erstaufnahme-System zusammengebrochen sei: "Das ist alles sehr besorgniserregend." Erstaufnahmezentren gehörten in jedem Bundesland eingerichtet und "das Gezerre zwischen Bund, Ländern und Gemeinden muss endlich einmal aufhören". Kritik übte der Bischof an den Regierungsplänen zu Asyl auf Zeit, was es aus rein menschenrechtlichen Gründen gar nicht geben könne. "Da kann man aus kirchlicher Sicht nie damit einverstanden sein", findet er und reiht das Vorhaben unter eine "Politik der Signale" ohne realistische Basis ein.

Für den lutherischen Bischof ist der Höhepunkt der Flüchtlingswelle aber noch längst nicht erreicht - aus einem weiteren Grund: "Es sind schon jetzt 22 Mio. Menschen Klimaflüchtlinge. Von denen ist noch kaum jemand bei uns", meint er. Die Umsetzung des Klimagipfels von Paris müsse nun wirklich angegangen werden "und ich bin mir sicher, dass Österreich mehr tun muss". Die Überprüfung der Ziele alle fünf Jahre ist für Bünker jedenfalls "sicher zu selten" und er gibt zu bedenken: "Es ist auch unsere Art zu leben, die dazu führt, dass Menschen fliehen müssen."

Hinsichtlich der Aufregung über "islamische Kindergärten" in Wien führt Bünker an, dass die Studie einen wunden Punkt angreife, "aber sie ist noch nicht verlässlich genug". Er würde es für sinnvoll halten, wenn die religiöse Erziehung für Muslime ausschließlich durch deren offizielle Vertretung, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), verantwortet würde.

Was dem evangelischen Bischof weiterhin fehlt, ist ein verpflichtender Ethikunterricht für jene Schüler, die vom Religionsunterricht abgemeldet sind. Auch ein Fach politische Bildung wäre sinnvoller als die oft geforderte "Werteerziehung, wo niemand weiß, was das sein soll". Angesichts der Bildungsreform ist der Jubel bei Bünker "eher verhalten". "Wir haben in Österreich ein Bildungssystem, wo einfach Armut vererbt wird", meint er.

Reformbedarf sieht Bünker außerdem im Hospiz- und Palliativ-, sowie im Pflegesystem. "Zwei riesige Probleme, die auf uns zukommen, sind die Zunahme an demenziell Erkrankten und der Umgang mit dem Sterben", findet er. Letzteres sei zwar etwa durch eine parlamentarische Enquete intensiv diskutiert worden, aber die Umsetzung stehe noch aus.

Eine Segnung homosexueller Paare gibt es in der lutherischen wie etwa auch in der römisch-katholischen Kirche nicht, in der evangelisch-reformierten Kirche schon. Dennoch weist er darauf hin, dass es in der lutherischen Kirche etwa offen in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebende Pfarrer gebe. Zudem sehe die evangelisch-lutherische Kirche die Möglichkeit einer Segnung "im seelsorgerlichen Rahmen" vor. "Den zu definieren ist die Verantwortung des Pfarrers oder der Pfarrerin, da gibt es keine kirchlichen Vorschriften, was das ist", meint Bünker dazu und: "Das ist ein gewisser Kompromiss. Nicht jeder Kompromiss ist faul."

Im Blick auf die römisch-katholische Kirche zeigt sich Bünker mit deren Oberhaupt zufrieden. "Die Richtung, die Papst Franziskus einschlägt, kann man aus evangelischer Sicht nur unterstützen und unterstreichen", sagt er, ebenso glücklich ist er auch mit der Bestellung des bisherigen Innsbrucker Bischofs Manfred Scheuer in die Diözese Linz, vor allem im Hinblick auf dessen Auftrag in der Ökumene.

Vom Reformationsjubiläum 2017 erwartet Bünker auch selbstkritische Beschäftigung der evangelischen Kirche mit sich selbst. Denn schon die Vorbereitung darauf habe gezeigt, "dass wir einiges an Standpunkten wohl überdenken müssen". Etwa die antisemitischen Schriften des Kirchengründers Martin Luthers, "weil man weiter drauf kommt, das war nicht ein Ausrutscher eines alten, griesgrämigen, verhärmten, frustrierten Mannes, sondern das liegt schon in seiner gesamten Biografie und Theologie auch begründet." Diese Ansichten Luthers habe die Synode in Österreich 1998 verworfen, denn: "Luther ist ja kein Heiliger für uns."

Dennoch hat sich Bünker vollends in Jubiläumsstimmung versetzt und ist auch dem kircheneigenen Merchandising-Boom erlegen. Die Playmobil-Ausführung Luthers besitzt er bereits "selbstverständlich" - "In mehrfacher Ausführung, groß und klein".