Die Konkurrenz wirft Heinz-Christian Strache vor, in Ibiza zu urlauben, statt sich mit komplizierten Sachfragen der Wirtschafts- oder Sozialpolitik aufzuhalten. In Österreich würde er lieber Partys feiern als in lästige Details des Budgets vertieft zu sein. Nur bei Medien- und Wahlkampfauftritten ist er schlagwortartig dabei.

Doch warum sollte Strache sein Lebensvergnügen durch Alltagsarbeit belasten, wenn seine Probleme von deren Verursachern gelöst werden? Frank Stronach hat die FPÖ in der Nationalratswahl 2013 40.000 Stimmen gekostet. Vor dessen kuriosen Fernsehauftritten wäre es das Doppelte gewesen. Nur bis zu Franks Selbstvernichtung waren die FPÖ-Wahlergebnisse mittelmäßig bis schlecht - in Kärnten (mit einem Stimmenverlust von minus 28 Prozentpunkten!), Niederösterreich (minus zwei), Tirol (minus drei) und Salzburg (plus vier).

2014 laufen Ex-Stronach-Gläubige und Anhänger der nunmehrigen Zwergpartei BZÖ der FPÖ automatisch zu. Parallel dazu gibt es Gratisgewinne von SPÖ und ÖVP, weil beide lieber intern oder gegenseitig streiten, statt gemeinsam die FPÖ zu kritisieren. Der erste Umfrageplatz der FPÖ ist trotzdem nicht allein durch Verhaltensauffälligkeiten anderer Parteien zu erklären. Die FPÖ-Wähler sehen das nach den Daten der ISA/SORA-Wahlforschung ungefähr so: Wir wählen FPÖ, weil ihr euch beim Thema Ausländer etwas zu sagen traut!

Zusätzlich ist es der FPÖ gelungen, in Sachen Lebenserhaltungskosten, Arbeitsmarkt und Pensionen als lautstarkes Sprachrohr zu fungieren. Nur bei Bildung und Umwelt schwächelt man, doch das eine lässt sich mit dem Wunschthema kaschieren: "Wie viele Ausländerkinder haben wir in den Schulklassen?" Das andere ist FPÖ-Wählern egal.

Aggressive Sprache

Dadurch gibt es in der 50-plus-Generation und unter Pensionisten Stimmenzuwächse, was angesichts der Bevölkerungsstruktur große Wahlchancen bringt. Nur Frauen wählen seltener die FPÖ. Warum? FPÖ-Kerngruppen praktizieren einen aggressiven Sprachstil. Stammwähler genießen das lustvoll. Wechselwählerinnen sind nicht begeistert. Wenig frauenfreundlich war etwa der Pressesprecher des blauen Parlamentsklubs auf Twitter: "Noch nie waren so viele Frauen in der Politik. Noch nie war die Politikverdrossenheit so hoch. Besteht da ein Zusammenhang?"

Wer meint, dass Österreich sich negativ entwickelt und auf die Wirtschaftskrise falsch reagiert, wählt zu 35 bis 40 Prozent FPÖ. Das passt zum Slogan des Einsatzes für die kleinen Leute. Dasselbe gilt, wenn mehr als ein Drittel der Wähler mit Lehrabschluss und unter einem Zwanzigstel der Universitätsabsolventen für die FPÖ sind.

Allerdings ist die FPÖ extrem offensiv aufgestellt. Das entspricht der Erwartungshaltung in den eigenen Reihen. Wer aber in die Regierung will, muss Brückenbauer sein. Da wird die Partnersuche schwierig. Jeder, der den Kommunikationsstil der FPÖ speziell im Internet mitverfolgt, weiß warum. Allzu leichtfertig werden aus inhaltlicher Kritik persönliche Unterstellungen und Entgleisungen.

Ins Eck manövriert

Das Problem ist nicht nur der Sprechdurchfall einzelner FPÖ-Vertreter, von denen Strache sich mehrfach abgrenzen musste. Es wird für die gewünschte Regierungszukunft öffentlich zu wenig sachliche Gesprächsbasis gepflegt. Die FPÖ hat im Lauf der Zeit so ziemlich jeden von außerhalb beschimpft und beleidigt.

Es stimmt, dass es auch umgekehrte Falschbehauptungen gab. Doch seitens der FPÖ ständig nachzulegen, die anderen wären wehleidige Warmduscher und man selbst müsse mehr erdulden, verbessert weder die Ausgangslage für Koalitionskontakte noch das Medienimage. Österreich ist ein zu kleines Land, um nicht fast überall dialogfähig bleiben zu müssen.

Vielleicht hofft Strache, dass es im Fall des Regierungseintritts unter den bisherigen Widersachern viele Wendehälse gibt. Das kann sein. Nur müsste er ja vorher Partner finden. Die SPÖ schließt eine Zusammenarbeit aus, und der neue ÖVP-Chef kommt aus der Wirtschaftskammer. Dort ist soeben der FPÖ-Vizepräsident wegen Verbalinjurien gegen Ein-Personen-Unternehmer zurückgetreten. Diese hatte er als Taglöhner und Sklaventum betitelt, und ihre Sozialversicherung als Schande bezeichnet.

Womit sich der Kreis der blauen Sprachprobleme schließt. Eine Internetrecherche zu Presseaussendungen des freiheitlichen Generalsekretärs Herbert Kickl über SPÖ oder ÖVP führt in Sekundenschnelle zu 20.000 Meldungen, von denen 99,9 Prozent negativ sind. Wie soll also ein paarungswilliger Rot- oder Schwarzpolitiker sich auf blaue Flirts einlassen, ohne seine Partei zu spalten? Eine Annäherung mit Grünen und Neos ist irreal.

Falls jedoch Strache und Kickl aus Strategiegründen kuschelweich sind - beide können das -, würde dann auch ihre Hintermannschaft die jahrelange Gewohnheit der Sprachattacke auf alles, was sich bewegt, ablegen? Auf Bundesebene droht Strache die Abwandlung eines Filmzitats, das er gerne gegen Werner Faymann verwendet: Er ist ungeachtet seiner großen Wählerzahl allein zu Haus.

Peter Filzmaier ist Professor für Politische Kommunikation an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Donau-Universität Krems