Der Druck der Opposition auf den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi wächst. Die wichtigste Oppositionsgruppierung in Ägypten, die Nationale Heilsfront, forderte am Samstag den Rücktritt des islamistischen Staatchefs. Nach erneuten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in der Nacht zum Sonntag vor dem Präsidentenpalast beruhigte sich die Lage am Vormittag wieder.

Die Nationale Heilsfront erklärte, sie unterstütze die "Rufe des Volkes" nach einem Sturz "des Regimes der Tyrannei" und einem Ende der Vorherrschaft der Muslimbrüder. Mursi müsse wegen der "Verbrechen" vor Gericht gestellt werden, die bei der Niederschlagung der jüngsten Proteste begangen worden seien.

Video zeigt Polizeigewalt

Für Entrüstung sorgte zuletzt ein Video mit Aufnahmen massiver Polizeigewalt gegen einen Demonstranten. Die Aufnahmen zeigten, wie offenbar am Rande der Proteste vom Freitag Polizisten einen Mann beim Präsidentenpalast mit Knüppeln verprügeln und ihm die Kleider vom Leib reißen. Dann wird der Mann nackt zu einem Transporter geschleift.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem Opfer um einen 50-jährigen Arbeiter. Er sei von den Polizisten verfolgt worden, weil er "18 Molotowcocktails und zwei Benzinkanister" bei sich getragen habe. Offenbar unter Druck sagte der Mann später im Fernsehen, er sei von Demonstranten attackiert und ausgezogen worden. Der Polizei habe er sich anfänglich widersetzt, bevor er gemerkt habe, dass sie ihm habe helfen wollen.

Die ägyptische Präsidentschaft zeigte sich "schmerzerfüllt angesichts dieser schockierenden Bilder". Die Polizisten hätten den Mann auf eine Art und Weise behandelt, die weder der Menschenwürde noch den Menschenrechten entsprächen, hieß es in einer Erklärung. Gleichwohl handele es sich um einen "Einzelfall".

Auch das Innenministerium sprach von einem Einzelfall und entschuldigte sich in einer Mitteilung. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Minister Mohammed Ibrahim erklärte sich zum Rücktritt bereit. Der Sprecher der Nationalen Heilsfront, Khaled Daud, forderte Ibrahims "sofortigen Rücktritt".

"Hau ab!"

Am Samstagabend protestierten erneut mehrere hundert Menschen vor dem Präsidentenpalast in Kairo. Die vorwiegend jungen Demonstranten warfen Steine und Molotowcocktails in Richtung des Amtssitzes von Mursi. Sie riefen "Hau ab!" und "Das Volk will den Sturz des Regimes" - Slogans der Revolte gegen den vor zwei Jahren gestürzten Machthaber Hosni Mubarak.

Die Polizei ging laut Augenzeugen in der Nacht zum Sonntag mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die sich gewaltsam Zugang zum Palast verschaffen wollten. Die Republikanische Garde blieb hinter den Palastmauern und schritt nicht ein. Der Kommandant der Garde, General Mohammed Saki, ließ über die amtliche Nachrichtenagentur Mena erklären, es werde "nicht mehr auf Provokationen bestimmter Demonstranten vor dem Palast reagiert".

Auch am Freitag hatten auf dem Tahrir-Platz sowie am Präsidentenpalast tausende Menschen gegen Mursi und die hinter ihm stehenden Islamisten demonstriert. Bei Ausschreitungen wurden ein Mensch getötet und Dutzende weitere verletzt. Immer wieder endeten in den vergangenen Tagen Proteste blutig, mehr als 50 Menschen wurden in einer Woche bereits getötet. Am Samstag bewarfen Demonstranten in Kairo die Autokolonne von Ministerpräsident Kandil mit Steinen und Flaschen.