Es wird eine Schicksalwahl für Griechenland. Der Mittelmeer-Staat steht am Rande des ökonomischen Ruins: Auch nach einem großen Schuldenerlass durch seine Gläubiger steht die Regierung in Athen mit mehr als 160 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung in der Kreide, mehr als jeder andere Staat in Europa. Vor wenigen Wochen wurde der Mindestlohn drastisch gekürzt, große Streiks erschütterten das Land. Nun sollen die Bürger am 6. Mai zur Urne gerufen werden. Große Versprechungen kann ihnen niemand mehr machen.

Die großen Parteien in Griechenland sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. In Umfragen kommt die derzeitige, aus Sparzwang gebildete Große Koalition aus Sozialisten (PASOK) und Konservativen ("Neue Demokratie") nur noch auf rund 40 Prozent. Ihr Scheitern an der Urne könnte für die Griechen drastische Konsequenzen haben. Denn die anderen Parteien, die sich einen Einzug ins Parlament versprechen können, haben sich gegen die Hilfsgelder der EU und des internationalen Währungsfonds ausgesprochen. Mit den zwei bisherigen "Rettungspaketen" wurde eine Staatspleite abgewandt, allerdings wurde Athen ein rigider Sparkurs auferlegt, der in der Bevölkerung zu massivem Widerstand führte.

Die Gegner der Sparmaßnahmen sind eine bunte Truppe. In Umfragen können drei weit links stehende Gruppen insgesamt fast ein Drittel der Stimmen für sich verbuchen. Darunter befindet sich auch die orthodox-marxistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die gegen die EU und gegen die Gemeinschaftswährung Euro auftritt, sowie das linke Sammelbündnis SYRIZA, und dessen gemäßigtere Abspaltung DIMAR. Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben aber auch die Nationalistenpartei LAOS, die anfangs die Große Koalition und die Sparpakete unterstützte, aber im Februar aus Protest ausscherte und nun gegen die EU-Hilfen kampagnisiert, sowie eine Gruppe von Renegaten aus den Reihen der Konservativen, die sich unter dem Namen ANEL gegen die von EU und Internationalem Währungsfonds diktierten Maßnahmen stellen.

Platz nehmen sollen im neuen Parlament 300 Abgeordnete. Zuletzt war im Jahr 2009 gewählt worden, der Urnengang bracht nach Jahren konservativer Regierungen den Sozialisten Georgios Papandreou an die Macht. Dieser dankte allerdings im Vorjahr auf Druck der Konservativen ab, die als Gegenleistung für ihre Beteiligung an den Sparmaßnahmen die Einsetzung des parteilosen Loukas Papademos erzwangen. Um weitere Konsolidierungsmaßnahmen demokratisch zu legitimieren, einigten sich die Parteien vor wenigen Wochen auf Neuwahlen. Papademos führt Griechenland in die Wahlen und soll bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt bleiben.

Wer nach der Wahl regieren soll, ist mehr als unklar. Viel hängt davon ab, welche weiteren Parteien die Wahlhürde von drei Prozent überspringen könnten. Im Ausland wird davor gewarnt, eine neue Regierung könnte weitere Sparmaßnahmen verweigern oder die Kürzungen im öffentlichen Sektor zurücknehmen.

In diesem Fall droht dem Land ein geordneter oder gar ein ungeordneter Staatsbankrott - mit verheerenden Konsequenzen. Die Regierung müsste dann wohl die Zahlung an Firmen mit öffentlichen Aufträgen und unter Umständen auch an Staatsangestellte einstellen, eine Welle von Unternehmenspleiten und sozialer Notlagen wäre die Folge. Kreditausfälle auf griechische Staatsanleihen könnten dann auch Banken in Österreich und anderen EU-Staaten zu Sanierungsfällen werden lassen. In Griechenland wird aber auch ein neues EU-Maßnahmenpaket für Griechenland gefürchtet, in dem zwar weitere Hilfsgelder für den Schuldendienst garantiert werden, aber auch eine neuerliche Welle von Sparmaßnahmen folgt.