Die EU-Kommission schlägt eine deutliche Erhöhung des Ausgabenrahmens für das EU-Budget vor. Der mehrjährige Finanzrahmen von 2021 bis 2027 soll auf Verpflichtungen in Höhe von 1.279 Mrd. Euro ansteigen, wie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Brüssel sagte. Das sind 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung, derzeit liegt der Rahmen bei 1,03 Prozent.

Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist der Vorschlag der EU-Kommission inakzeptabel. Die EU werde aber durch den Austritt Großbritanniens kleiner: "Man muss das zum Anlass nehmen, um auch bei den Strukturen schlanker zu werden." Positiv sei der Schwerpunkt für den Außengrenzschutz, erklärte Kurz noch bevor die EU-Kommission ihren offiziellen Vorschlag unterbreitete. Der Bundeskanzler rechnet insgesamt mit "harten und langen" Verhandlungen.

Juncker sagte, mit den 1,11 Prozent des Bruttonationalprodukts der EU sei dies ein verantwortungsvoller Plan. "Wären wir auf alle Wünsche der Staaten eingegangen und hätten diese zum bisherigen Haushalt addiert, wären wir bei zwei Prozent" des BIP gelandet. So ein Vorschlag wäre aber sofort von allen abgelehnt worden. Der jetzige sei ernsthaft und könne die Grundlage für künftige Diskussionen sein.

Finanzrahmen in Höhe von 1.279 Milliarden

Unter Berücksichtigung der Inflation entspricht der EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 einem Betrag von 1.279 Mrd. Euro an Mitteln für Verpflichtungen und 1.246 Mrd. Euro an Zahlungen. Dazu gehört auch der Europäische Entwicklungsfonds, der bisher nicht im EU-Haushalt enthalten war. In aktuellen Preisen von 2018 entspricht dies 1.135 Mrd. Euro an Verpflichtungen und 1.105 Mrd. Euro an Mitteln für Zahlungen. Der derzeitige EU-Finanzrahmen von 2014 bis 2020 umfasst in aktuellen Preisen 1.087 Mrd. Euro an Verpflichtungen und 1.026 Mrd. Euro an Zahlungen (1,03 Prozent bzw. 0,98 Prozent des BNE). Er gilt für 28 EU-Staaten, der nächste wegen des Brexit nur mehr für 27.

Kürzungen kommen auf Bauern zu. Die Direktzahlungen für Landwirte und marktbezogenen Ausgaben sollen im neuen Finanzplan nur mehr 286 Mrd. Euro ausmachen, während derzeit - in aktuellen Preisen - 309 Mrd. Euro vorgesehen sind. Auf die großen Empfänger von EU-Strukturhilfen wie Polen und Ungarn kommen neue Hürden zu. Künftig werde die Auszahlung von EU-Mitteln stärker an die Rechtsstaatlichkeit gekoppelt. Es gehe um das Geld europäischer Steuerzahler, die Unabhängigkeit von Gerichten müsse ohne jede Gefahr sein, sagte EU-Budgetkommissar Günther Oettinger.

Die EU-Kommission will die Agrarförderungen im neuen Finanzplan von 2021 bis 2027 um fünf Prozent kürzen. Die Kürzung von fünf Prozent erscheine viel, doch schlage die EU-Kommission auch mehr Flexibilität vor: So könnten Landwirte zwischen Agrar-Direktzahlungen und der Mittelzuweisung für ländliche Entwicklung künftig selbst entscheiden, sagte Juncker. Nur vier Prozent Kürzungen gebe es bei den Direktzahlungen für Bauern, ergänzte Oettinger.

Der EU-Finanzrahmen sei "nicht ausschließlich eine Buchhaltungsübung", sondern spiegle den Ehrgeiz und die Prioritäten der EU wider, betonte Juncker. Die EU-Kommission habe zwar viele Prioritäten der europäischen Staats- und Regierungschefs berücksichtigt.

Einbußen im Bereich der Landwirtschaft

Im Bereich der Landwirtschaft dürfte Österreich mit Einbußen von sechs Prozent rechnen. Dies verlautete in EU-Ratskreisen am Mittwoch. Zuvor hatte EU-Agrarkommissar Phil Hogan davon gesprochen, dass 16 EU-Länder 3,9 Prozent weniger im Bereich der Direktzahlungen zu erwarten hätten. Derzeit fließen aus Brüssel rund 1,36 Milliarden Euro in die heimische Landwirtschaft. Für den 29. Mai kündigte Hogan konkrete Zahlen an.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sieht die "Budgetpläne im Agrarbereich kritisch", sagte sie am Mittwoch zur APA. "Wir werden gemeinsam als Bundesregierung sowohl gegen höhere Beiträge, als auch gegen Kürzungen bei der Landwirtschaft kämpfen", kündigte die Politikerin mit EU-Erfahrung an. "Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wir stehen vor harten Verhandlungen."

Derzeit fließen laut dem Landwirtschaftsministerium rund 1,3 Mrd. Euro von der EU als Direktzahlungen und über die 2. Säule (ländliche Entwicklung) nach Österreich zurück. Hierzulande werden die Beträge aus der ländlichen Entwicklung von der EU für die Bauern aufgedoppelt und sollen die kleinstrukturierte Landwirtschaft in schwierigen topografischen Lagen mit erhalten helfen. Insgesamt ist Österreich freilich Nettozahler in der Union.

Qualität müsse belohnt werden

Das Wording der Bundesregierung und Köstinger gegen die Agrarkürzungen, das heute auch schon Kanzler Sebastian Kurz anwendete, lautet, dass Qualität belohnt werden müsse und nicht bestraft werden dürfe. "Es kann bei Landwirtschaften, die in hoher Qualität produzieren, zu keinen Kürzungen kommen. Dafür werde ich kämpfen", lautet ihr Versprechen.

Köstinger will "über das Agrarmodell der Zukunft sprechen" und ist dabei gegen "Agrarfabriken mit tausenden Hektar Anbaufläche" in Europa. Dafür soll - auch wenn es ist zu einem endgültigen EU-Etat ab 2020 ein noch sehr weiter Weg ist - auch der EU-Vorsitz Österreichs im zweiten Halbjahr dienen, so Köstinger.

Die Bauern könnten nicht schutzlos die Brexit-Hauptlast tragen, so Landwirtschaftskammer-Chef Hermann Schultes. Jede Kürzung bedeute Einkommensverluste. "Kürzungen können wir nicht hinnehmen", so Bauernbund-Präsident Georg Strasser.

"Wer angesichts des Klimawandels die Agrargelder kürzen will, der verweigert total die Wirklichkeit", so der Landwirtschaftskammerpräsident. Bauern würden auch dann noch täglich für Natur, Umwelt, Tierwohl, Lebensmittelqualität, Arbeitsplätze und Wertschöpfung im ländlichen Raum sorgen, wenn der Brexit geschehen ist.

Forschung, Innovation, Digitales

Zu den neuen Prioritäten zählt die EU-Kommission Forschung, Innovation und Digitales. Dieser Bereich werde im neuen Finanzplan um 60 Prozent erhöht, sagte Budgetkommissar Günther Oettinger. Die Ausgaben für das Studentenaustausch-Programm "Erasmus Plus" will die EU-Kommission verdoppeln, um mehr jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, andere europäische Sprachen und Kulturen kennenzulernen.

Neu sind auch eigene Budgetkapitel für Sicherheit und Verteidigung sowie für den EU-Außengrenzschutz. Insgesamt soll der europäischen Verteidigungsindustrie zwei Mrd. Euro jährlich zufließen. Zu Ende der Finanzperiode 2027 will Oettinger die Zahl der Mitarbeiter der EU-Grenzschutzagentur auf von derzeit 1.200 auf 10.000 ausbauen. Dies sollte es ermöglichen, dass Grenzkontrollen im Schengen-Raum wie derzeit zwischen Deutschland und Österreich oder zwischen Österreich und Ungarn abgeschafft werden, sagte der EU-Kommissar.

Die EU-Kommission schlägt auch neue eigene Einnahmequellen für die Europäische Union vor. 20 Prozent der Einnahmen sollen aus dem Emissionshandelssystem kommen. Die neue gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage soll mit einem Satz von drei Prozent beitragen. Und ein nationaler Beitrag von 80 Cent pro Kilogramm soll aus nicht wiederverwerteten Verpackungsabfällen aus Plastik kommen. Diese neuen Eigenmittel würden etwa zwölf Prozent des gesamten EU-Haushalts ausmachen und könnten bis zu 22 Mrd. Euro jährlich beitragen. Die derzeitigen Rabattsysteme für die EU-Staaten will die Kommission stufenweise abschaffen, so dass dies für alle zumutbar sei, sagte Oettinger.

Hahn verteidigt höheres Budget

Der für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn verteidigte das höhere EU-Mehrjahresbudget. "Der heute von der Kommission beschlossene, mehrjährige Finanzrahmen trägt den neuen Herausforderungen voll Rechnung: wir wollen in Europas Stabilität, Sicherheit und globale Wettbewerbsfähigkeit investieren", erklärte Hahn am Mittwoch gegenüber der APA.

Deswegen gebe es in dem Entwurf der EU-Kommission auch budgetäre Zuwächse für die Außen- und Sicherheitspolitik, gemeinsamen Grenzschutz, und Forschung und Innovation. "In diesen Bereichen wird der europäische Mehrwert besonders deutlich, denn keine dieser Herausforderungen kann alleine gestemmt werden."

Anders sieht das SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Er verlangte von der EU "ein echtes europaweites Paket gegen Steuerbetrug und -vermeidung, statt Mehrbelastung des Nettozahlers Österreichs". Österreichs Beitrag, derzeit etwa drei Milliarden Euro, dürfe sich nicht erhöhen. Vielmehr gehe es darum, endlich die offenen Steuerschlupflöcher zu schließen, forderte der SPÖ-Klubobmann. Denn Fakt sei, dass die EU-Länder jährlich 1.000 Milliarden Euro an Einnahmen durch Steuervermeidung und Steuerbetrug verlieren würden. "Daraus ist jenes Geld zu lukrieren, um den Ausfall der Zahlungen der Briten zu kompensieren", forderte Schieder.