Nach dem Militärangriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien hat Russland die USA im UN-Sicherheitsrat scharf angegriffen. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin nannte den Angriff eine aggressive Aktion Amerikas und seiner Alliierten. Die USA machten eine bereits katastrophale humanitäre Situation in Syrien noch schlimmer, sagte Tschurkin. Die von Washington betriebene Eskalation destabilisiere den gesamten Nahen Osten. Unverhohlen ignorierten die USA und ihre Verbündeten internationales Recht, sagte Tschurkin. Dies sei neokoloniales Auftreten und erinnere an das Verhalten von "Hooligans". Der Sicherheitsrat werde völlig ignoriert, seine Autorität unterminiert.

Tschurkin sagte, es gebe keinerlei Beweise für den Einsatz chemischer Waffen vergangene Woche in der Stadt Douma, welchen der Westen der syrischen Regierung vorwirft. Tschurkin fragte, ob die USA ein einstmals prosperierendes Land in die Steinzeit zurückbomben wollten. Russland agiert in Syrien als Schutzmacht Syriens. Die Dringlichkeitssitzung wurde am Samstag auf Bitten Russlands einberufen.

Russland scheitert mit Resolution

Wie erwartet ist Russland im Sicherheitsrat allerdings mit dem Versuch gescheitert, eine Verurteilung der Raketenangriffe zu erreichen. Bei einer Dringlichkeitssitzung des wichtigsten UN-Gremiums stimmten nur drei von 15 Staaten für einen entsprechenden Resolutionsentwurf. In dem nicht angenommenen Text werden die Raketenangriffe als "Aggression" und als "Verletzung des internationalen Rechts und der UN-Charta" bezeichnet.

UN-Generalsekretär António Guterres wiederholte eingangs der Sitzung an die Adresse der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen seine eindringliche Mahnung zur Zurückhaltung. Es müsse alles vermieden werden, was die Situation in Syrien weiter eskalieren lasse.

Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten in der Nacht auf Samstag Ziele in Syrien angegriffen - als Vergeltung für einen mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz in dem Bürgerkriegsland, für den sie die syrische Regierung verantwortlich machen. Duma liegt in der einstigen Rebellenhochburg Ost-Ghuta und wurde zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Giftgasangriffs von islamistischen Aufständischen beherrscht. Die Stadt steht aber inzwischen unter russischer Kontrolle.

Frankreich kündigt diplomatische Initiativen an

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat den Sicherheitsrat zu neuen Friedensbemühungen für das Bürgerkriegsland aufgerufen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsse jetzt vereint die Initiative ergreifen, "um den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen und damit dieses Land endlich den Frieden wiederfindet", teilte der Élyséepalast mit. Macron führte am Nachmittag zwei Telefonate mit US-Präsident Donald Trump und der britischen Premierministerin Theresa May. "Er hat die exzellente Koordination unserer Streitkräfte mit denen unserer britischen und amerikanischen Verbündeten bei der Operation gegen die chemischen Fähigkeiten des syrischen Regimes begrüßt, die ihre Ziele erreicht hat."

"Frankreich will die Initiative im Sicherheitsrat wieder aufnehmen, um dafür zu sorgen, dass wir uns in Richtung einer friedlichen Regelung der syrischen Krise bewegen", sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Samstagabend TF1.

"Wir werden bereits Montag Initiativen ergreifen - im Sicherheitsrat in New York, in Brüssel beim Außenministertreffen - um mit allen, die das wollen, den Fahrplan festzulegen", so Le Drian. Der deutsche Außenminister Heiko Maas hatte zuvor bereits angekündigt, Deutschland wolle sich zusammen mit Frankreich für ein internationales Format einflussreicher Staaten einsetzen, das den politischen Prozess voranbringen könne.

USA im UN-Wortgefecht mit Russland

Die USA sind im Falle eines erneuten Chemiewaffenangriffs in Syrien zu weiteren Luftangriffen bereit. Sollten die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad nochmals Giftgas einsetzen, werde das US-Militär mit neuen Angriffen reagieren, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, im Sicherheitsrat. Die Militärschläge waren nach Überzeugung der Botschafterin legitim und angemessen. "Zivile Opfer wurden sorgfältig vermieden", sagte Haley. "Dies war keine Rache oder Vergeltung und keine Demonstration der Stärke", sagte Haley. Stattdessen hätten die USA und ihre Alliierten die syrische Regierung zur Verantwortung gezogen. Die Bilder toter Kinder nach dem Einsatz chemischer Waffen in Duma vor einer Woche seien keine gefälschten Nachrichten gewesen.

Haley warf Russland eine Desinformationskampagne vor. "Eine Woche des Nichtstuns ist vergangen", sagte Haley. Dieses Nichtstun habe in der Nacht geendet. Die Diplomatie habe Chance um Chance gehabt, aber Russland habe sechs Mal sein Veto gegen eine gemeinsame Resolution eingelegt. Diese Vetos seien für Syrien das grüne Licht für seine barbarischen Aktionen gewesen. Das Scheitern in Syrien sei die Verantwortung Russlands. "Chemische Waffen sind für uns alle eine Bedrohung", sagte Haley. "Die USA werden Syrien nicht erlauben, chemische Waffen weiter einzusetzen." Sie habe am Morgen mit US-Präsident Donald Trump gesprochen, sagte Haley. Sollte Syrien weiter chemische Waffen einsetzen, hätten die USA den Finger am Abzug, habe Trump deutlich gemacht. "Wenn unser Präsident eine rote Linie zieht, dann verschafft unser Präsident dieser roten Linie Geltung", betonte Haley.

Auch nichtmilitärische Ziele getroffen

Entgegen der Darstellung des US-Verteidigungsministeriums haben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge nicht alle US-Geschosse ihre Ziele in Syrien getroffen. Die Einschätzung des Pentagon sei nicht korrekt, sagte der Leiter der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Einige der Geschosse hätten ihre Ziele getroffen, andere nicht. Das Pentagon hatte zuvor mitgeteilt, man sei zuversichtlich, dass alle Flugkörper ihre Ziele getroffen hätten.

Das russische Verteidigungsministerium hatte in der Früh gemeldet, dass die syrische Luftabwehr zwölf Geschosse im Anflug auf den Militärflughafen Dumair bei Damaskus abgefangen habe. Die Beobachtungsstelle bestätigte, dass "Raketen" abgefangen worden seien und kein Geschoss in Dumair eingeschlagen sei. Die USA meldeten zunächst nicht, den Flugplatz ins Visier genommen zu haben. Russlands Angaben zufolge wurden insgesamt 71 von 103 Marschflugkörpern abgeschossen. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte bezieht ihre Informationen von einem Netz von Informanten in Syrien und hat sich in der Vergangenheit als weitgehend verlässlich erwiesen.

Trump: "Auftrag erfüllt"

Nach ihren schweren Luftangriffen in Syrien wollen die USA den Konflikt mit Russland zunächst allerdings nicht weiter anheizen. "Auftrag erfüllt", twitterte Trump. Wie seine Alliierten Großbritannien und Frankreich machte er klar, dass keine weiteren Attacken geplant seien. Allerdings dürfe Präsident Bashar al-Assad nicht erneut Chemiewaffen einsetzen. Auch Assads Verbündeter Russland zeigte kein Interesse an einer Zuspitzung. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow erklärte, Moskau sei an einer Zusammenarbeit mit Washington interessiert. Am Abend wollte sich der UN-Sicherheitsrat auf russischen Wunsch mit den Angriffen auf vermutete Produktions-, Forschungs- und Lagerstätten von Chemiewaffen der syrischen Regierung befassen.

"Ein perfekt ausgeführter Einsatz vergangene Nacht", twitterte Trump. In der Nacht auf Samstag feuerten die drei westlichen Alliierten nach Angaben von US-Verteidigungsminister Jim Mattis über hundert Raketen von Schiffen und Flugzeugen auf Ziele in Syrien ab. "Wir sind darauf vorbereitet, diese Art Antworten zu geben, bis das syrische Regime den Einsatz verbotener Chemikalien aufgibt", kündigte Trump zeitgleich an. In Anspielung auf Assad und den mutmaßlichen Giftgas-Angriff in Duma vor einer Woche sagte er: "Dies sind nicht die Taten eines Mannes. Es sind die Verbrechen eines Monsters."

Putin kritisiert den Westen

Assad konterte, die Attacke vergrößere die Entschiedenheit Syriens im Kampf gegen "Terrorismus". Putin warf den USA und ihren Verbündete vor, die humanitäre Katastrophe in Syrien zu verschlimmern. Der Angriff werde sich verheerend auf die internationalen Beziehungen auswirken. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die eine Beteiligung Berlins an dem Einsatz abgelehnt hatte, begrüßte die westliche Strafaktion.

Im Visier hatten die Alliierten offenbar drei Ziele, davon zwei bei Homs und eines in der Hauptstadt Damaskus. Mindestens sechs laute Detonationen seien in Damaskus zu hören gewesen, sagte ein Reuters-Augenzeuge. Über der Millionen-Stadt hätten Rauchwolken gelegen. Ein zweiter Zeuge schilderte Einschläge im Viertel Barzeh. Dort befinden sich Forschungseinrichtungen.

Macron und May erklärten, es handle sich um gezielte Angriffe auf Gebäude, die das syrische Regime zur Produktion von Chemiewaffen nutze. Auch die USA machten deutlich, dass sie eine Konfrontation mit russischen Kräften verhindern wollten. Die Angriffe seien so geplant worden, dass das Risiko von Opfern unter russischen Einsatzkräften minimal gewesen sei, sagte US-Generalstabschef Joseph Dunford.

In Syrien ändern die Angriffe wenig

Die Luftschläge ändern nach Ansicht von Beobachtern kaum etwas an den Kräfteverhältnissen in Syrien, wo sich Assads Truppen dank russischer und iranischer Hilfe seit Monaten auf dem Vormarsch gegen ein gemischtes Feld von verschiedenen Rebellengruppen befinden. Zudem bekräftigte Trump noch während der Angriffe, die noch in Syrien stationierten amerikanischen Soldaten weiter abziehen zu wollen: "Amerika strebt keine unbegrenzte Präsenz in Syrien an, unter keinen Umständen."

Widersprüchliche Aussagen gab es über die Auswirkungen des Luftschlags. Ein hochrangiger Vertreter eines regionalen Verbündeten Assads sagte Reuters, der Schaden halte sich in Grenzen, weil die Ziele dank russischer Warnungen rechtzeitig geräumt werden konnten. Nach einem Bericht der russischer Nachrichtenagentur Tass wurden die meisten Raketen von der syrischen Luftabwehr abgefangen. Die syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, es seien drei Zivilisten verletzt worden.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte dagegen, jedes Ziel sei erfolgreich getroffen worden. Das Chemiewaffen-Programm sei für Jahre zurückgeworfen worden. Merkel stellte sich hinter die Angriffe: "Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren." In Deutschland löste die Attacke einen Parteien-Streit aus.

Bereits am Mittwoch hatte Trump Militärschläge angekündigt, später aber seine Aussagen relativiert. Er reagierte auf einen mutmaßlichen Giftgas-Angriff auf die Rebellen-Hochburg Duma am 7. April mit Toten und Verletzten. Trumps Äußerungen hatten Sorgen vor einer Konfrontation zwischen den USA und Russland ausgelöst.

Iran und Russland sollen sich von Syrien abwenden

Trump wandte sich in seiner Ansprache auch gegen die beiden syrischen Verbündeten in Moskau und Teheran: "Was für eine Art Nation will im Zusammenhang mit dem Massenmord an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern stehen?" Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei bezeichnete im TV-Sender Al-Manar den Angriff als kriminell. Israel wertete dagegen die Attacke als "wichtiges Signal" an den Iran und deren Verbündete, die libanesische Miliz Hisbollah. Israel fürchtet, die Islamische Republik werde ihr Engagement in Syrien nutzen, um den Einfluss des Iran in der Region auszuweiten.

Bereits vor einem Jahr hatte das US-Militär die syrische Luftwaffenbasis Shairat unter Beschuss genommen als Reaktion auf den Giftgasangriff mit Dutzenden Toten auf die Stadt Khan Sheikhoun. Der neue Militärschlag war wesentlich umfangreicher.

Berlin will in Syrien vermitteln

Deutschland stellt sich nach den US-Luftangriffen in Syrien als Vermittler für den Friedensprozess bereit. Außenminister Heiko Maas sagte, die Bundesregierung werde sich gemeinsam mit Frankreich für die Schaffung eines internationalen Formates einflussreicher Staaten einsetzen, welches den politischen Prozess mit neuer Schlagkraft füllen könne. In einem ersten Schritt solle ein landesweiter Waffenstillstand erreicht werden. Anschließend müsse eine dauerhafte Lösung ausgehandelt werden, welche die legitimen Interessen der Bevölkerung Syriens berücksichtige. Der mutmaßliche Chemiewaffeneinsatz von Duma zeige, wie dringlich die Zerstörung der bisher in Syrien verbliebenen Chemiewaffen sei. "Die Bundesregierung wird alle zur Verfügung stehenden Mittel und diplomatischen Wege nutzen, um einen solchen Prozess zu befördern", sagte Maas.