Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont kann ab sofort das Gefängnis im norddeutschen Neumünster verlassen. Das teilte der schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt am Freitag mit. Der von Spanien per Europäischem Haftbefehl gesuchte Separatist habe die vom Oberlandesgericht in Schleswig auferlegten Bedingungen für seine Freilassung erfüllt.

Der 55-Jährige hinterlegte eine Kaution in Höhe von 75.000 Euro, muss sich regelmäßig bei der Polizei melden und darf Deutschland zunächst nicht verlassen. Das OLG hatte am Donnerstag den in Spanien erhobenen Vorwurf der Rebellion verworfen, eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Korruption jedoch nicht ausgeschlossen.

Das Oberlandesgericht hatte den Auslieferungshaftbefehl nur wegen des Vorwurfs der Untreue erlassen - den von der spanischen Justiz vorgebrachten Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen die Schleswiger Richter. Zudem hält das Gericht zum Untreue-Vorwurf weitere Klärungen und mehr Informationen für nötig.

Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit Bedauern. "Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger", sagte Justizminister Rafael Catala in einer ersten Reaktion in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden.

Von vielen Katalanen wurde die Nachricht aus Deutschland mit Begeisterung aufgenommen, von größeren Kundgebungen wurde am Abend jedoch nichts bekannt.

Das Gericht in Schleswig hatte in einer schriftlichen Mitteilung erklärt, der 1. Senat des OLG sei der Auffassung, "dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der "Rebellion" die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist". Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil Puigdemont zuzurechnende Gewalttaten in Katalonien kein Ausmaß erreicht hätten, das den Willen der spanischen Verfassungsorgane hätte beugen können.

Etwas anderes gelte für den Vorwurf der "Korruption" in Form der Untreue. Insoweit erweise sich die Auslieferung "nicht als von vornherein unzulässig", erklärte das OLG. Für diesen Punkt seien aber weitere Klärungen und mehr Informationen nötig. Die spanischen Behörden werfen Puigdemont als damaligem Regionalpräsidenten Kataloniens vor, das verbotene Unabhängigkeitsreferendum habe 1,6 Millionen Euro öffentliche Gelder gekostet.

Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont in Spanien politischer Verfolgung ausgesetzt sein könnte, waren für den Senat nicht ersichtlich.

Für die Haftverschonung muss Puigdemont neben der Kautionszahlung vier weitere Auflagen erfüllen: Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und des Oberlandesgerichts zu folgen.

Drei von Spanien mit Europäischem Haftbefehl gesuchte katalanische Politiker bleiben unterdessen in Belgien auf freiem Fuß. Die drei hätten sich bei der Polizei gemeldet, seien angehört, aber unter Auflagen wieder freigelassen worden, teilte die Staatsanwaltschaft in Brüssel am späten Donnerstagabend mit. Über das Auslieferungsbegehren Spaniens werde nun ein Gericht befinden.

Es handelt sich um die ehemalige katalanische Ministerin Meritxell Serret und ihre beiden Kollegen Antoni Comin und Lluis Puig, die sich nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien gemeinsam mit dem ehemaligen Regierungschef Carles Puigdemont nach Belgien abgesetzt hatten. 

Der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien war am 25. März im Gefängnis von Neumünster in Gewahrsam gekommen, nachdem er auf der Rückfahrt von einer Skandinavienreise in Schleswig-Holstein festgenommen worden war. Grundlage war ein Europäischer Haftbefehl. Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein hatte das spanische Auslieferungsersuchen für zulässig erachtet und beim Oberlandesgericht einen Auslieferungshaftbefehl beantragt.

Hintergrund ist das von der Zentralregierung in Madrid untersagte und vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig eingestufte Referendum vom 1. Oktober 2017 über die Unabhängigkeit Kataloniens sowie ein anschließender Abspaltungsbeschluss der Separatisten. Der Politiker war angesichts des anschließenden massiven Vorgehens der spanischen Behörden nach Belgien geflüchtet.

Die OLG-Entscheidung bedeutet für den Katalanen nach den Worten seines spanischen Anwalts Jaume Alonso-Cuevillas einen "großen Erfolg". Denn mit dem Vorwurf der Rebellion drohten ihm in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Sollte er am Ende des juristischen Verfahrens von Deutschland tatsächlich nach Spanien ausgeliefert werden, dürfte er dort allenfalls noch wegen Untreue angeklagt werden - weil Rebellion als Auslieferungsgrund abgelehnt wurde.