Bei Protesten in Katalonien gegen die Festnahme von Separatistenführer Carles Puigdemont in Deutschland sind mindestens hundert Menschen verletzt worden. 92 wurden allein in der regionalen Hauptstadt Barcelona verletzt, wo am Sonntagabend mehr als 50.000 Menschen auf die Straße gegangen waren, berichteten die Rettungskräfte bei Twitter.

Bei kleineren Veranstaltungen in Lleida wurden sieben weitere verletzt, in Tarragona eine Person. In Barcelona kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die auch Schlagstöcke einsetzte. Polizeibeamte gaben auch Warnschüsse in die Luft ab. Es gab mindestens vier Festnahmen. Auf Fotos und Videos war zu sehen, dass Demonstranten die Polizei mit Gegenständen bewarfen. Auch mindestens 23 Beamte erlitten dort Verletzungen.

Festnahme in Deutschland

Der ehemalige Regionalpräsident war Sonntagmittag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt und festgenommen worden. Grundlage sei ein europäischer Haftbefehl, erklärte das Landespolizeiamt in Kiel. In Spanien wird infolge des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen des Verdachts auf Rebellion gegen Puigdemont ermittelt. Die Justiz in Schleswig-Holstein prüft jetzt, ob er an Spanien ausgeliefert wird. Dort drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft.

Die Demonstranten forderten auch die sofortige Freilassung der anderen "politischen Gefangenen". Bereits am Freitag hatten in ganz Katalonien Demonstrationen gegen die Verhaftung von 13 katalanischen Separatistenführern durch den Obersten Gerichtshof in Madrid stattgefunden. Unter den Verhafteten befinden sich unter anderen auch Präsidentschaftskandidat Jordi Turull, Kataloniens ehemaliger Außenminister Raül Romeva sowie Kataloniens ehemalige Parlamentspräsidentin Carme Forcadell. Die spanische Justiz klagt sie wegen ihrer Beteiligung am illegalen Unabhängigkeitsprozess der Rebellion an.

"Dieses Europa ist eine Schande"

Vor dem Sitz der Europäischen Union in Barcelona übten die Unabhängigkeitsbefürworter auch scharfe Kritik an der EU, die den "spanischen Unrechtsstaat" durch ihr Schweigen unterstütze "Dieses Europa ist eine Schande", schrien die Demonstranten. Die Bürgerbewegungen "Komitee zur Verteidigung der Republik" (CDR), Omnium Cultural sowie die ANC hatten zu den Massenprotesten aufgerufen. Es kam auch zu Protesten vor dem deutschen Konsulat in Barcelona.

Elsa Artadi, Sprecherin von Puigdemonts separatistischer Einheits-Liste Junts per Catalunya (JxCAT), appellierte an die deutsche Justiz, Puigdemont wieder freizulassen und nicht an Spanien auszuliefern: "Wir sind eine friedliche und demokratische Bewegung. In Spanien ist (Puigdemont) kein fairer Prozess garantiert, nur Rache und Repression". Unterdessen beschwor Kataloniens separatistischer Parlamentspräsident Roger Torrent (ERC) am Sonntag erneut eine "Einheitsfront zur Verteidigung der Demokratie".

Bekannte Separatistenführer wie Mireia Boya von der linksradikalen CUP-Partei gingen einen Schritt weiter, riefen die Menschen zum zivilen Ungehorsam und Massenprotesten auf und sprachen von der Notwendigkeit eines "katalanischen Frühlings", um den "spanischen Unrechtsstaat" in die Knie zu zwingen.

Während pro-spanische Politiker wie Albert Rivera, Chef der Liberalen (Ciudadanos), die Verhaftung des "Putschisten Puigdemont" feierten, rief der linke Podemos-Führer Pablo Iglesias zur "Rückkehr zum Dialog" auf. "Verhaftungen, Knast und die Justiz können das politische Problem in Katalonien nicht lösen", so Iglesias.

Wird Deutschland Puigdemont ausliefern?

Wird Deutschland den Separatistenführer ausliefern? Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwaltschaft prüft, wie lange Puigdemont auf Basis des europäischen Haftbefehls festgehalten werden kann und ob sie einen Antrag auf Auslieferungshaft stellt. "Herr Puigdemont befindet sich derzeit in polizeilichem Gewahrsam", sagte Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Entscheidung darüber, ob der Ex-Regionalpräsident in Auslieferungshaft genommen werde, falle "mit einiger Wahrscheinlichkeit erst am morgigen Tag", sagte Döpper. Diese treffe das zuständige Amtsgericht. "Wir stehen ganz am Anfang der Prüfung." Puigdemont wurde nach seiner Festnahme mit einem Kleintransporter in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht.

Puigdemont wurde in diesem Minivan in die Justizanstalt Neumünster gebracht

Die Kunde des prominenten Zugangs macht am Sonntagnachmittag schnell die Runde in der Justizvollzugsanstalt Neumünster. "Free, free Puigdemont" hallt es aus den Zellen der Gefangenen bis vor die Anstaltstore. Wenig später ist es dann soweit. In einem schwarzen Kleintransporter mit abgedunkelten Scheiben bringen Beamte den Separatistenführer Carles Puigdemont in das Gefängnis in Schleswig-Holstein.

Die deutsche Justizanstalt Neumünster

Hier endet vorerst die Reise des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten, den die spanische Zentralregierung Ende Oktober nach dem Unabhängigkeitsreferendum und dem Beschluss zur Abspaltung Kataloniens abgesetzt hatte. Unmittelbar danach hatte sich Puigdemont nach Brüssel abgesetzt. Spanien beantragte damals zwar einen europäischen Haftbefehl, zog diesen aber Anfang Dezember überraschend zurück. In Belgien und anderen Ländern konnte Puigdemot sich seither frei bewegen.

Am Freitag jedoch eröffnete der Oberste Gerichtshof Spaniens ein Strafverfahren gegen Puigdemont und andere Regionalpolitiker. Gegen den früheren Regionalpräsidenten und weitere sechs Separatisten, die sich ins Ausland abgesetzt hatten, wurden neue Haftbefehle erlassen. Puigdemont hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Finnland auf, am Freitag hielt er eine Rede an der Universität Helsinki. Danach wollte er über Dänemark und Deutschland nach Belgien zurückkehren. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereit erklärt, Puigdemont zu verhaften, doch kam die Entscheidung offenbar zu spät.

Am Sonntagvormittag exakt um 11.19 Uhr erwischt es den 55-Jährigen dann in Deutschland. Einsatzkräfte der Autobahnpolizei nehmen den Puigdemont in der Nähe der Ausfahrt Schleswig-Schuby der Autobahn 7 an einer Raststätte fest, bringen ihn zunächst in eine Polizeidienststelle, später geht es dann nach Neumünster. Er werde von der Polizei gut behandelt, sagte sein Sprecher.