Kataloniens separatistischen Anti-Kapitalisten (CUP) haben am Donnerstag auch den dritten Versuch vereitelt, drei Monate nach den katalanischen Regionalwahlen einen neuen separatistischen Ministerpräsidenten zu wählen. Kurz vor der Abstimmung kündigte die CUP ihre Enthaltung an. Damit konnte Jordi Turull, Kandidat von Carles Pugidemonts separatistischer Einheitsliste Junts per Catalunya (JxCAT), nicht die notwendige absolute Mehrheit von 68 Stimmen erreichen.

Nun muss sich Turull innerhalb von 48 Stunden einem zweiten Wahlgang stellen. Es darf aber laut Experten aber kaum davon auszugehen sein, dass Turull am Samstag selbst die einfache Mehrheit erreicht. "Turull gehört dem rechten, erzkonservativen Block an und steht in Korruptionsskandalen involvierten Politikern nahe. Die Basis der neomarxistischen CUP will Turull nicht an die Macht helfen", erklärt Miquel Molina, stellvertretener Chefredakteur der katalanischen Tageszeitung "La Vanguardia" im Gespräch mit der APA.

Aus diesem Grunde, so Molina, dürfte sich die CUP auch im zweiten Wahlgang enthalten und Turull könnte nur ausreichend Stimmen erhalten, wenn Kataloniens Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont und der mit ihm nach Brüssel geflohene Abgeordnete Toni Comin auf ihren Sitz im Regionalparlament verzichten. Davon ist allerdings kaum auszugehen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Am Freitag wird die spanische Justiz darüber entscheiden, ob Turull wegen seiner Beteiligung am illegalen Unabhängigkeitsprozess im Oktober möglicherweise wieder in Haft kommt.

Seine Chancen, einer erneuten Inhaftierung zu entkommen, stehen nicht gut. Die Polizei bezeichnet den 51-jährigen Rechtsanwalt und ehemaligen Regierungssprecher von Puigdemont als einen der Drahtzieher des Unabhängigkeitsprozesses. Er muss sich wegen Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Veruntreuung öffentlicher Gelder verantworten.

JxCAT versucht durch seine Express-Wahl zum Ministerpräsidenten eine Inhaftierung zu verhindern. Juristen sehen dafür aber selbst bei einer Wahl kaum Chancen, da er sein Amt selbst bei einer Inhaftierung sofort wieder niederlegen müsste. Die Linksrepublikaner der ERC wollen unterdessen möglichst schnell eine Regierung bilden und zur politischen Normalität in Katalonien zurückkehren, damit ihr Parteivorsitzender Oriol Junqueras wieder aus der U-Haft kommen kann.

Es war der dritte Versuch der separatistischen Parteien, die im Regionalparlament in Barcelona über eine knappe absolute Mehrheit verfügen, einen Ministerpräsidenten zu wählen. Der nach Brüssel geflüchtete Ex-Präsident Puigdemont konnte nicht zur Wiederwahl antreten, da er von der spanischen Justiz wegen Rebellion gesucht wird und bei einer Rückkehr nach Spanien sofort verhaftet worden wäre. Danach einigten sich ERC und JxCAT auf Puigdemonts Nummer Zwei, Jordi Sanchez, der wegen der gleichen Verstöße allerdings in U-Haft sitzt und vom zuständigen Richter keine Genehmigung erhielt, sich der Wahl zu stellen. Turull war also bereits der dritte Kandidat.

Wie es scheint, machen der Machtstreit sowie die politischen und ideologischen Unterschieden zwischen den drei separatistischen Parteien CUP, Junts per Catalunya (JxCAT) und den Linksrepublikanern (ERC) Spaniens wirtschaftsstarke Region auch weiterhin unregierbar. Das Problem: Durch den nun tatsächlich umgesetzten Versuch, einen Kandidaten zu wählen, wurde der Countdown zur Regierungsbildung aktiviert. Sollte innerhalb von zwei Monaten kein Kandidat eine ausreichende Parlamentsmehrheit erhalten, müssten Neuwahlen ausgerufen werden.