Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte am Freitag klar, dass für sie die hierzulande lebenden Muslime und der Islam sehr wohl zu Deutschland gehörten. SPD, FDP, Grüne und Linke kritisierten Seehofer.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer schränkte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung ein: "Die bei uns lebenden Muslime gehören selbstverständlich zu Deutschland." Doch dass der neue Innen- und Heimatminister die kulturelle Zugehörigkeit des Islams bestritt, sorgte für Wirbel - auch wenn sich der CSU-Chef in der Vergangenheit bereits ähnlich geäußert hatte. Seehofer schürt mit seiner Aussage auch Unmut in der eigenen Partei, und zwar wegen des dafür gewählten Zeitpunkts. Die CSU wählte am Freitag den Hoffnungsträger und langjährigen Seehofer-Rivalen Markus Söder im Landtag zum Ministerpräsidenten und erhoffte sich davon ein ungestörtes Signal für den Auftakt des Landtagswahlkampfs. Das habe Seehofer nun torpediert, hieß es in Kreisen verärgerter CSU-Landtagsabgeordneter.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles vermutete politisches Kalkül. "Seehofer glaubt wohl, damit im Bayern-Wahlkampf punkten zu können", sagte Nahles der "Rhein-Neckar-Zeitung" mit Blick auf die bayerische Landtagswahl im Oktober. "Das ist eine acht Jahre alte Debatte, die innerhalb der Union immer noch geführt wird, aber niemanden weiterbringt."

"Debatte ist überflüssig"

FDP-Chef Christian Lindner zeigte ebenfalls wenig Verständnis für Seehofer. "Weder verlangt irgendwer die Übernahme islamischer Sitten, noch ist das Christentum Staatsreligion", sagte Lindner der "Rheinischen Post". "Diese Debatte lenkt ab und ist überflüssig."

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte, es sei "entlarvend, wenn der selbsternannte Heimatminister als erstes sagt, wer nicht dazu gehört". Mit dieser Aussage mache Seehofer deutlich, dass ihm die Anliegen der AfD wichtiger als die Anliegen der deutschen Muslime seien. Auch die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz, sah in Seehofers Äußerung "ein Zugeständnis an die AfD".

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland warf Seehofer umgehend vor, Positionen seiner Partei zu kopieren. "Dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, sagen wir seit langem", erklärte Gauland. "Diese Feststellung ist ureigene AfD-Linie und wird wie andere Aspekte der inneren Sicherheit von der CSU abgekupfert."

Merkel wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven auf den umstrittenen Satz ihres Innenministers angesprochen. Zwar sei Deutschland "sehr stark durch das Christentum" sowie das Judentum geprägt, sagte die Kanzlerin. Aber inzwischen würden hierzulande auch vier Millionen Muslime leben. "Und diese Muslime gehören auch zu Deutschland. Und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."

Die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), distanzierte sich ebenfalls. "Solche Sätze bringen uns nicht weiter" und lieferten keinen Beitrag zur Lösung der Herausforderungen bei der Integration, sagte Widmann-Mauz der "Rheinischen Post".

Seehofer verteidigte seine Äußerungen vor Journalisten in München. "Natürlich haben wir die Toleranz und den Respekt vor anderen Religionsgemeinschaften", sagte er. Als Innenminister wolle er die Islamkonferenz wiederbeleben und den Dialog mit muslimischen Verbänden führen. Deutschland sei aber über Jahrhunderte kulturell vom Christentum geprägt worden. "Und deshalb ist der Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, in dieser Form falsch."