In Deutschland haben die Spitzengremien der SPD in Berlin über die Neubesetzung des Parteivorsitzes beraten. Der bisherige SPD-Chef Martin Schulz will das Amt aufgeben und hat Bundestags-Fraktionschefin Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Allerdings übernimmt kommissarisch zunächst der stellvertretende Parteivorsitzende und Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz die SPD-Führung. Am 22. April soll ein Sonderparteitag den regulären Nachfolger oder eben die Nachfolgerin wählen. 

Am Nachmittag tagte zunächst das Parteipräsidium, im Anschluss versammelten sich die Mitglieder des SPD-Vorstands, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Von Seiten der Parteispitze hatte es Bestrebungen gegeben, Nahles direkt als kommissarische Vorsitzende zu benennen. Dagegen gab es aber rechtliche und politische Einwände.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller bekräftigte bei seiner Ankunft an der Parteizentrale seinen Widerstand gegen eine solche Lösung. Zwar unterstütze er Nahles, die "eine starke und gute Kandidatin" sei, doch müsse über den Vorsitz "in einem geordneten Verfahren auf einem Parteitag entschieden werden", sagte Müller.

Einwände gegen Nahles

Bis dahin könne jemand aus der Reihe der sechs Parteivize vorübergehend die Leitung der SPD übernehmen, "denn die sind dafür da", schlug Müller weiter vor. Dies entspricht auch der Haltung des Berliner SPD-Landesvorstands und auch weiterer SPD-Landesgremien. Im Vorfeld genannt wurde als mögliche kommissarische Parteivorsitzende beispielsweise die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Vize Malu Dreyer.

Juristen wandten ein, dass Nahles bisher nicht den Führungsgremien der SPD angehöre und daher nicht als kommissarische Vorsitzende in Frage komme. Wenn ein Vorsitzender zurücktrete, übernehme in der Regel ein Vizechef die Amtsgeschäfte, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ), Harald Baumann-Hasske, der Nachrichtenagentur AFP. "Das ist normales Vereinsrecht." Fraktionsvize und Präsidiumsmitglied Hubertus Heil sagte zu diesen Debatten: "Das werden wir klären."

Für zusätzliche Verwirrung sorgte unterdessen, dass überraschend Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange ihre Kandidatur für den Parteivorsitz ankündigte. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner erklärte dazu, mit dieser Bewerbung würden sich nun die Gremien der Landes-SPD befassen. Mitglieder des SPD-Bundesvorstands ließen allerdings erkennen, dass sie die Bewerbung Langes für keine ernsthafte Option halten.

"Chaostage hinter uns bringen"

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Vize, Manuela Schwesig, sagte vor der Präsidiumssitzung, die SPD müsse jetzt nach den Turbulenzen der vergangenen Tage "wieder zur Ruhe kommen". Weiter sagte sie mit Blick auf das Hin und Her um Parteivorsitz und Außenministerium: "Wir müssen diese Chaostage hinter uns bringen." Auch Schwesig käme als kommissarische SPD-Chefin in Frage.

Schulz hatte zunächst zwar den Parteivorsitz abgeben, dafür aber Außenminister in einer neuen schwarz-roten Bundesregierung werden wollen. Nach innerparteilicher Kritik verzichtete er auf das Außenamt, das derzeit von dem früheren SPD-Chef Sigmar Gabriel geführt wird. Ob Gabriel Außenminister bleibt, ist aber wegen erheblicher Vorbehalte in der SPD gegen ihn gleichwohl fraglich. Dabei spielte zuletzt auch ein umstrittener Panzer-Deal mit der Türkei eine Rolle.

Einer neuen Großen Koalition müssen ohnehin noch in einer Befragung die SPD-Mitglieder sowie ein CDU-Bundesparteitag zustimmen.

"Ich bin sicher, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird mit Andrea Nahles an der Spitze zu alter Kraft zurückfinden", sagte Schulz nach der Präsidiumssitzung, die kurz vor dem Vorstand tagte. Er selbst habe den Parteivorsitz "gerne ausgeübt", doch "ich scheide ohne Bitterkeit und ohne Groll aus diesem Amt". Mit seinem Verzicht auch auf die Mitgliedschaft in der neuen Bundesregierung wolle er dazu beitragen, die Personaldebatten in der SPD zu beenden und die Aufmerksamkeit der Mitglieder wieder auf den Koalitionsvertrag lenken, der "ein guter Koalitionsvertrag" sei.