Aus dem Ausflug auf ihre geliebten Prinzeninseln wird nichts. Kalt bläst der Wind übers Marmarameer, der aufgewühlte Bosporus trägt weiße Kronen; verhüllt und eingepackt sind in Istanbul heute auch die Säkularen.

Es ist der erste offizielle Besuch der neuen österreichischen Außenministerin in Istanbul, und die ohnehin heiklen Gespräche des ersten Treffens mit ihrem türkischen Amtskollegen werden in die Stadt verlegt - offenbar soll die wilde See die seit Jahren unterkühlten Beziehungen nicht zusätzlich zerrütten.

Karin Kneissl, die in der Ferienzeit ihrer Kindheit mit ihren Eltern viel Zeit auf den hübschen Inseln vor der Stadt verbracht hat, ist gekommen, um, wie sie sagt, „einen Neustart zu versuchen und die Gesprächsatmosphäre zu verbessern“. Da waren der Streit um die türkischen Doppelpässe; die Absage an Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Österreich.

Dass die türkis-blaue Regierung in ihrem Programm nicht nur festhält, ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen zu vertreten, sondern für dieses Unterfangen auch noch Verbündete in der Union suchen will, hat die Lage nicht vereinfacht.

Kneissls Dialog-Angebot und Zugehen auf die Türkei scheinen den Eindruck nicht zu verfehlen. Offensichtlich kam man sich bei den Gesprächen im üppig ausgestalteten Dolmabahçe-Palast, von dem aus einst die Sultane des Osmanischen Reiches ihre Macht ausspielten, trotz der eisigen Außentemperaturen erstaunlich näher.

„Die österreichischen Archäologen in Ephesos können ihre Arbeit wieder aufnehmen“, verkündet Außenminister Mevlüt Çavusoglu nach dem Treffen mit „Karin“. Er wisse, diese Grabungen hätten für die Österreicher große Symbolkraft. In Reaktion auf das Nein aus Wien zu den Beitrittsgesprächen hatte die Türkei 2016 die Arbeit der Archäologen in der antiken Stadt gestoppt. Çavusoglu lobt die angenehmen Gespräche mit der Ministerin aus Wien. Es gehe darum, das Gemeinsame zu suchen, anstatt sich Unfreundlichkeiten auszurichten.

Auch Kneissl, die ihr Eingangsstatement auf Türkisch hinlegt, zeigt sich angetan. Sie lobte die türkische Gastfreundschaft, „die Gespräche waren fruchtbar und haben meine Erwartungen bei Weitem übertroffen“, so die Außenministerin. Man habe offen und ehrlich miteinander gesprochen, Meinungen ausgetauscht - auch wenn diese unterschiedlich seien. Die Haltung der Bundesregierung zum EU-Beitritt sei bekannt und unverändert. „Doch auf bilateraler Ebene gibt es viel, das uns verbindet“.

Jetzt wird ein türkisch-österreichisches Kulturjahr ins Auge gefasst, und eine gemeinsame Wirtschaftskommission soll neue Wege der Zusammenarbeit erarbeiten. „Der Ton macht die Musik“, meint einer der türkischen Journalisten, „wir wollen höflich behandelt werden, auch wenn in der Sache die Standpunkte auseinanderliegen“. Die österreichische Ministerin mit ihrer Erfahrung aus dem Nahen Osten, glaubt er, habe da die türkischen Befindlichkeiten gut verstanden.

Beobachter sehen die türkische Aufwärmphase auch im Zusammenhang mit den womöglich heuer noch anstehenden Wahlen. Präsident Erdogan habe das Land durch seinen autoritären Kurs in eine Isolation geführt, die begann sich auf die immer noch gute, aber gebremste wirtschaftliche Lage auszuwirken. Auch die Offensive in Nordsyrien, die ebenfalls bei dem Treffen zur Sprache kam, beschert ihm derzeit einen nationalen Schulterschluss, dem sich auch seine Kritiker nicht entziehen können.

Kneissl betonte vor der Presse, eine Lösung für Syrien könne es nur am Verhandlungstisch geben. Zudem unterstrich sie ihre Sorge in Bezug auf die Menschenrechtslage in der Türkei selbst. Doch trotz des Tauwetters bleibt vorerst noch die türkische Blockade Österreichs bei der Nato-Kooperation aufrecht. Der türkische Außenminister deutete aber an, dass dies nicht so bleiben müsse. „Wir haben heute den ersten Schritt getan und wollen uns auf das Positive konzentrieren. Wir möchten keine unnötigen Reibereien machen“, sagte Çavusoglu.

Er habe Österreich heute nicht von seinem Nein zum EU-Beitritt der Türkei abbringen wollen. „Ich wollte heute nicht alles umwälzen“, so der Minister. Allerdings verwahrte er sich dagegen, dass Österreich eine auf Vorurteilen gegenüber dem Islam beruhende „harte Anti-Türkei-Linie“ fahre. Auch die Türkei spreche sich nicht per se gegen Österreich aus oder sei „gegen Christen“, betonte er. Aus der Welt geräumt sind die Probleme noch lange nicht, aber man redet zumindest wieder miteinander.