Im Iran finden seit Tagen Demonstrationen gegen die wirtschaftliche und politische Lage im Land statt. Es sind die schwersten Proteste in der Islamischen Republik seit den Unruhen von 2009.

Die Proteste im Iran: Fragen und Antworten

DER VERLAUF DER DEMONSTRATIONEN

Die Proteste begannen am Donnerstag in Mashhad, die zweitgrößte Stadt des Landes. Ursprünglich standen wirtschaftliche Themen im Fokus. Der Unmut richtete sich etwa gegen die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit, deutliche Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln wie Eiern und einen Vorschlag der Regierung, im kommenden Jahr die Treibstoffpreise zu erhöhen.

Allerdings kamen politische Themen hinzu, wie Kritik an dem seit 1979 herrschenden Klerus. Einige Demonstranten zeigten sich wütend über die finanziellen Hilfen für die Palästinenser und die Hisbollah-Miliz im Libanon. Sie fordern von der Regierung, sich stattdessen auf innenpolitische Probleme zu konzentrieren. Auch Rücktrittsforderungen an den religiösen und politischen Führer Ayatollah Ali Khamenei wurden laut.

WIE SIND DIE DEMONSTRANTEN ORGANISIERT?

Es scheint sich eher um spontane Proteste ohne klare Anführer zu handeln. Darauf deutet auch die Vielzahl der Forderungen hin, die von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen vorgebracht werden.

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Eine breit angelegte Protestwelle ohne Anführer könnte die Situation für die Regierung schwieriger machen. Ihre Strategie 2009 bestand unter anderem darin, die Spitzen der Opposition unter Hausarrest zu stellen. Die Kritik an der Versorgungslage birgt im Iran zudem eine besondere Sprengkraft, weil die Revolution von 1979 als Aufstand der Armen gegen Ausbeutung und Unterdrückung dargestellt wird.

WIE SCHLECHT IST DIE WIRTSCHAFTLICHE LAGE?

Das Ende der Sanktionen nach dem Atomabkommen 2015 hat der Bevölkerung bisher keine Vorteile gebracht. In diesem Fiskaljahr lag die Arbeitslosigkeit nach offiziellen Angaben bei 12,4 Prozent, ein Anstieg von 1,4 Punkten zum Vorjahreszeitraum. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 28,8 Prozent.

Einige Konjunkturdaten haben sich verbessert. Die Inflation fiel im Juni 2016 erstmals seit gut einem Vierteljahrhundert auf einen einstelligen Wert. Derzeit liegt die Teuerung bei etwa acht Prozent. Im Jahreszeitraum bis zum 20. März stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 12,5 Prozent, allerdings fast ausschließlich aufgrund des Anstiegs der Öl-Exporte.

WIE REAGIERT DIE REGIERUNG AUF DIE PROTESTE?

Die Behörden haben harte Maßnahmen angedroht. Allerdings deutet sich trotz der gemeldeten Todesfälle ein vergleichsweise zurückhaltendes Vorgehen der Polizei an. Der Nationale Sicherheitsrat hat mehrfach getagt und soziale Medien wurden zum Teil blockiert.

Im Gegensatz zu 2009 wurden jedoch bis dato weder die Revolutionären Garden noch die Bassij-Milizen oder Sicherheitskräfte in Zivil eingesetzt. Damals kamen Dutzende Demonstranten ums Leben. Zudem hat die Regierung zunächst Abstand von den geplanten Treibstofferhöhungen genommen und für die kommenden Jahre die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen sowie mehr Geld für die Armen ein Aussicht gestellt.

DIE ROLLE ROUHANIS

In einer ersten öffentlichen Reaktion auf die Proteste hatte Rouhani am Sonntag die Gewalt verurteilt, zugleich aber „Raum für Kritik“ angemahnt. „Kritik ist etwas anderes als Gewalt und die Zerstörung von öffentlichen Gütern“, sagte der als moderat geltende Präsident laut TV bei einer Kabinettssitzung. Die Regierung müsse einen „Raum für legale Kritik und Protest“ schaffen, so Rouhani weiter.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani
Der iranische Präsident Hassan Rouhani © AP

Er bezeichnete in einer Rede Proteste als legitimes Recht, warnte aber zugleich vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Er rief die Regimekritiker dazu auf, Proteste über legale Kanäle zu beantragen. Dann würde es nach seinen Worten auch nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen und Polizeieinsätzen kommen. Rouhani kritisierte auch die Hardliner, denen die Regierung eine Mitschuld an den Protesten gibt. Kritik gab es auch an US-Präsident Donald Trump: Dieser habe „kein Recht“, seine Sympathie mit den iranischen Demonstranten auszudrücken, wurde Rouhani zitiert.