Ausgerechnet zum Jahresausklang wärmen Laibach und Zagreb ihren Dauergrenzstreit auf. Sloweniens Weg zur Durchsetzung des von Kroatien abgelehnten Schiedsspruchs zum Verlauf der Seegrenze in der Bucht von Piran, sei „der einzige richtige Weg,“ hat Sloweniens Premier Miro Cerar dieser Tage die „Umsetzung“ des im Sommer vor dem Internationalen Gerichtshofs (IGH) gefällten Schiedsspruch für den morgigen Samstag ankündigt. Kroatien werde schützen, was „kroatisch“ sei, lässt derweil sein Amtskollege Andrej Plenkovi(´c) verlauten. Eine „einseitige Umsetzung irgendwelcher Urteile“ werde es „nicht geben“, denn dies könnte zu „Zwischenfällen führen“.

Seit ihrer Unabhängigkeit 1991 wogt zwischen den Ex-Bruderstaaten ein kaum nachvollziehbarer Sturm im Seewasserglas. Bisher queren Frachtschiffe, die Sloweniens einzigen Adria-Hafen Koper ansteuern, problemlos kroatische und italienische Gewässer. So bizarr im freien EU-Warenverkehr Laibachs Beharren auf einem eigenen Korridor zu den internationalen Gewässern wirkt, so unverständlich ist Kroatiens Kompromisslosigkeit. Das Land hat 1777 Kilometer Küste.
Im Grenzkonflikt hatte Laibach 2008 monatelang Kroatiens EU-Beitrittsverhandlungen blockiert, ehe sich die Streithähne 2009 auf Druck Brüssels auf ein Schiedsverfahren vor dem IGH verständigten. Ein abgehörtes Telefonat zwischen dem slowenischen Richter und Sloweniens Vertreterin vor dem Schiedsgericht gab Zagreb 2015 den Vorwand, vorzeitig aus dem Schiedsverfahren auszusteigen. Wie erwartet schlug der im Sommer veröffentlichte Schiedsspruch den Großteil der Bucht den Nachbarn zu. Doch ausgesessen ist der Grenzstreit damit nicht: Kroatien hat das Urteil sofort für null und nichtig erklärt.

Laibach erwartet nun, dass die EU Kroatien zum Einlenken bewegt. Außenminister Karl Erjavec drohte gar eine Klage vor dem EU-Gerichtshof an. Brüssel ist der Dauerzank lästig. Doch in Slowenien stehen 2018 Parlamentswahlen an. Und Cerar und Plenkovi(´c) machen sinkende Popularitätswerte zu schaffen. Von beiden ist daher kaum ein Einlenken zu erwarten.
Thomas Roser