Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller warnt vor der Gefahr einer Spaltung in der Kurie im Vatikan. "Eine Front möchte mich an die Spitze einer Bewegung gegen den Papst stellen. Doch ich werde das nie tun", sagte Müller im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Sonntag.

Die kirchlichen Behörden sollten laut Müller auf "gerechtfertigte Beschwerden" hören. "Man darf Menschen, die diese Beschwerden vorbringen, nicht ignorieren, oder noch schlimmer, demütigen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es, auch ungewollt, zu einer langsamen Trennung kommt, die zur Spaltung eines Teils der desorientierten und enttäuschten katholischen Welt führen könnte. Das protestantische Schisma von Martin Luther vor 500 Jahren sollte uns lehren, welche Fehler man vermeiden muss", so Müller, der als konservativer Hardliner gilt, der grundlegende Reformen in der katholischen Kirche ablehnt.

40 Jahre lang habe er der Kirche mit Liebe gedient. Er stehe seit jeher an der Seite des Papstes. Der 69-jährige Müller gab jedoch zu, dass die Kirche eine Phase tiefer Spannungen erlebt. Diese seien den Konflikten zwischen einer "extremistisch traditionalistischen und einer progressiven Front" zuzuschreiben. Dabei handle es sich um Minderheiten, die jedoch besonders kämpferisch seien.

Kritiker des Papst-Schreibens "Amoris Laetitia"

Der frühere Regensburger Bischof gilt als führender Kritiker des Papst-Schreibens über Familie und Liebe, "Amoris Laetitia". Darin hatte der Pontifex 2016 angeregt, dass es geschiedenen und wiederverheirateten Menschen unter gewissen Umständen erlaubt sein soll, an der Kommunion teilzunehmen. Laut Müller sollte den Kardinälen, die Bedenken über "Amoris Laetitia" ausgedrückt haben, Gehör geschenkt werden. "Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist ein klarer und offener Dialog. Ich habe den Eindruck, dass es im Kreis um den Papst Personen gibt, die über angebliche Gegner berichten und somit eine offene und ausgewogene Diskussion verhindern", sagte Müller.

"Die Katholiken als Freunde oder Feindes des Papstes einzustufen, ist der größte Schaden, den man der Kirche zufügen kann", sagte der Kardinal. Die Kirche sei heute nicht stärker gespalten als zu Zeiten Benedikts XVI. Sie sei jedoch schwächer. "Papst Franziskus ist sehr populär und das ist gut. Doch die Leute beteiligen sich nicht mehr an den Sakramenten. Die Popularität des Papstes unter den Nicht-Katholiken rüttelt nicht an ihren falschen Überzeugungen. (...) Wir müssen achtgeben, die große Popularität von Franziskus, die ein enormes Erbe für die katholische Kirche darstellt, nicht mit einem Wachstum des Glaubens zu verwechseln", so Müller.

Der Papst hatte im Juli die Amtszeit Müllers als Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom nicht verlängert. Er wurde durch den spanischen Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer ersetzt, der wie Papst Franziskus Jesuit ist. Ladaria wird im Vatikan als "gemäßigter Konservativer" bezeichnet. Der Spanier ist schon seit einigen Jahren so etwas wie die "rechte Hand" von Papst Franziskus. Hingegen lagen Franziskus und Müller nicht immer auf gleicher Linie.