Der britische Brexit-Minister David Davis hat den Abgeordneten des Parlaments in London eine Abstimmung über das geplante Brexit-Abkommen zugesichert. Darin enthalten sein sollten die Rechte der EU-Bürger und Briten, die Kosten des Brexit sowie die Übergangsphase, die London für die Zeit nach dem EU-Austritt aushandeln möchte.

"Ich kann bestätigen, dass wir, wenn wir ein Abkommen erzielen, einen Gesetzentwurf vorlegen werden, um das Abkommen in Kraft zu setzen", sagte Davis am Montagabend im Parlament. Die Einzelheiten würden aber erst ganz am Ende der Verhandlungen vorgelegt. Zudem könne das Parlament nicht konsultiert werden, falls es keine Einigung mit Brüssel gebe. Sollte das Parlament ein mögliches Abkommen ablehnen, werde Großbritannien die Europäische Union ohne Vertrag verlassen.

Die Äußerungen des Brexit-Ministers wurden als Zugeständnis an die Kritiker von Premierministerin Theresa May gewertet. Zahlreiche Abgeordnete, auch aus Mays Konservativer Partei, kritisieren das Vorgehen der Regierung. Diese will sich mit dem Brexit-Gesetz außerordentliche Vollmachten sichern, um einschneidende Änderungen zur teilweisen Umwandlung von EU-Rechtsvorschriften in britisches Recht vornehmen zu können. May verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit und kann sich allzu viele Abweichler nicht leisten.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber sagte derweil in Straßburg, in den kommenden Wochen werde sich entscheiden, ob bei den Brexit-Verhandlungen "konstruktive Ergebnisse möglich" seien oder ob das Risiko eines "ungeordneten Austritts" Großbritanniens aus der EU zunehme. "Die Zeit läuft unaufhaltsam weiter", mahnte der CSU-Politiker, der am Mittwoch auf Einladung Mays zu Gesprächen nach London reist.

Auch österreichische EU-Abgeordnete äußerten sich besorgt. Es gebe zunehmend den Eindruck, dass das Vereinigte Königreich "nicht wirklich verhandlungsfähig ist", meinte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Außenminister Boris Johnson sei ein No-Deal-Befürworter und versuche, die Ministerpräsidentin "auszuhebeln", meinte der SPÖ-Europaabgeordnete Eugen Freund. Sein Parteikollege Josef Weidenholzer vermutete indes, dass es in Großbritannien bald zu Neuwahlen kommen werde.

"Es gibt im Moment noch nichts", sagte der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer zu den bisherigen Verhandlungsergebnissen. Ein No-Deal-Szenario sei ähnlich wie bei einer Scheidung zu sehen, so Mayer. Wenn es im Dezember kein grünes Licht gebe, werde es keinen Deal geben, sagte die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar. In Großbritannien sei die Regierung in echten Schwierigkeiten, May sei geschwächt.

Die britische Regierung dringt darauf, rasch mit der zweiten Phase der Brexit-Gespräche zu beginnen - den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen Großbritanniens zur EU, etwa über den Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die EU besteht aber darauf, diese Phase erst einzuleiten, wenn ausreichend Fortschritte bei den Verhandlungen über die Modalitäten des Brexit erreicht wurden.

Dabei geht es um drei zentrale Streitpunkte: die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger und der in anderen EU-Staaten lebenden Briten, das künftige Statut Nordirlands und die Austrittsrechnung der EU für Großbritannien.

Laut EU-Vertrag erfolgt der Brexit zwei Jahre nach Londons offiziellem Scheidungsantrag - also am 29. März 2019 um Mitternacht. Wenn bis dahin kein Handelsabkommen oder zumindest eine Übergangsregelung vereinbart ist, werden im beiderseitigen Handel wieder Zölle fällig. Das würde Ein- und Ausfuhren deutlich verteuern.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des britischen Unterhauses warnte in einem am Dienstag vorgelegten Bericht vor "katastrophalen" Folgen, sollte Großbritannien sein Zollsystem nicht bis zum EU-Ausstieg erneuern. Die Zahl der Zollanmeldungen bei der britischen Zollbehörde HMRC dürfte demnach nach dem EU-Ausstieg von derzeit jährlich 55 Millionen auf 255 Millionen steigen. Noch verfüge die Behörde aber nicht über die finanziellen Mittel, um darauf zu reagieren.

Die Labour-Politikerin und Ausschussvorsitzende Meg Hillier sprach von drohendem "großen Schaden für die Wirtschaft, den Handel und das internationale Ansehen Großbritannien". Ein Regierungssprecher versicherte jedoch, der Zolldienst werde pünktlich zum Jänner 2019 bereit sein. Seine Kapazitäten würden bis dahin auf den Umgang mit einer "erheblichen Zunahme an Zollanmeldungen an der Grenze" eingestellt.