Der in Spanien wegen Rebellion angeklagte katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont will in Belgien kein politisches Asyl beantragen. Das erklärte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Brüssel.

Puigdemont rief dazu auf, den Weg hin zur Unabhängigkeit Kataloniens zu "verlangsamen". "Wir können keine Republik für alle auf Gewalt gründen", sagte er bei seinem Auftritt unweit des EU-Kommissionsgebäudes. Wenn dies bedeute, dass die Entwicklung hin zur Unabhängigkeit verlangsamt werde, dann sei dies "ein vernünftiger Preis". Puigdemont sprach auf Französisch, Spanisch und Katalanisch.

Das spanische Verfassungsgericht hat zuvor die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens ausgesetzt. Das Verfassungsgericht gab am Dienstag einem entsprechenden Antrag der spanischen Zentralregierung statt, wie aus Justizkreisen verlautete. Das Regionalparlament in Barcelona hatte am Freitag die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens erklärt.

Einheiten der spanischen Guardia Civil haben am Dienstag das Hauptquartier der katalanischen Polizei durchsucht. Ein Sprecher der Guardia Civil sagte, die Beamten seien in das Hauptquartier der Mossos d'Esquadra in der Stadt Sabadell bei Barcelona eingedrungen.

Es gehe um das Verhalten der katalanischen Polizei am 1. Oktober, dem Tag des von Madrid verbotenen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien. Die der Zentralregierung unterstehende Guardia Civil wirft der katalanischen Polizei vor, vor der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit am 1. Oktober "absolut gegen die erhaltenen Anordnungen" verstoßen zu haben.

An dem Tag ging die Guardia Civil teils mit massiver Gewalt gegen Demonstranten und Abstimmende vor, Hunderte wurden verletzt.

Der in Spanien wegen Rebellion angeklagte abgesetzte Regionalpräsident Kataloniens, Carles Puigdemont, ist nach Belgien geflohen. Er habe den Separatisten "persönlich gesehen", sagte der belgische Anwalt Paul Bekaert.

Puigdemont sei in Belgien und habe ihn als Berater angestellt, bestätigte Bekaert am Montagabend dem TV-Sender VRT in einem Interview. Für Dienstag kündigte er eine Stellungnahme Puigdemonts an.

Unklar blieb zunächst, ob der Katalane in Belgien Asyl beantragen will. "Das ist noch nicht beschlossen", betonte Bekaert, der unter anderem auch Angehörige der früheren baskischen Terrorgruppe ETA vertrat und auf Menschenrechte sowie Auslieferungsfragen spezialisiert ist. Um die weiteren Schritte zu beschließen, wolle man abwarten, "wie Spanien reagiert", sagte der Anwalt.

Anklage gegen Puigdemont

Die spanische Staatsanwaltschaft hatte am Montag Anklage gegen Puigdemont und weitere Angehörige der abgesetzten Regionalregierung erhoben. Die Vorwürfe gegen die Angeklagten lauteten unter anderem auf Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Unterschlagung öffentlicher Gelder, sagte Generalstaatsanwalt José Manuel Maza. Ihnen droht im Fall einer Verurteilung eine langjährige Haftstrafe.

Die Entscheidung Puigdemonts zur Ausreise aus Spanien löste große Überraschung und viel Kritik aus. Die Zeitung "El País" sprach von einem "tragikomischen Schwank". Nach Medienberichten soll der 54-jährige liberale Politiker schon am Wochenende mit dem Wagen nach Marseille und von dort nach Brüssel geflogen sein. Nach Belgien sollen laut Medien auch fünf seiner Ex-Minister gereist sein.

Der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, hatte die Möglichkeit von Asyl in Belgien am Sonntag ins Spiel gebracht. Katalanen, die sich politisch verfolgt fühlten, könnten in Belgien um Asyl ersuchen, sagte der Politiker der nationalistisch-flämischen Partei N-VA. Ministerpräsident Charles Michel hatte einen möglichen Asylantrag Puigdemonts hingegen als Thema bezeichnet, das "absolut nicht auf der Agenda" stehe.

Ob ein Asylantrag Puigdemonts in Belgien Chancen hätte, gilt als fraglich. Über den EU-Vertrag ist geregelt, dass sich die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten untereinander als sogenannte sichere Herkunftsländer betrachten. Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass es in EU-Staaten keine Verfolgungsgefahr gibt. Nur unter ganz besondereren Bedingungen darf der Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt werden.

Möglich wäre die Berücksichtigung des Antrags demnach nur dann, wenn Spanien unter Berufung auf einen Notstand die Verpflichtungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten aussetzen würde - oder wenn gegen das Land ein EU-Verfahren wegen des Verdachts auf schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit laufen würde.

Da beides nicht der Fall ist, müsste Belgien auf jeden Fall den Rat der EU-Mitgliedstaaten einschalten. Dieser dürfte wenig begeistert sein, wenn Belgien der spanischen Regierung mit Asyl für Puigdemont in den Rücken fallen würde. Bisher stehen die EU-Partner geschlossen hinter Madrid, unter ihnen auch der belgische Premier Charles Michel, der nicht der flämischen Partei N-VA abgehört.

Neuwahlen am 21. Dezember

Die Regierung von Spaniens konservativem Premierminister Mariano Rajoy hatte die Regionalregierung am Samstag offiziell abgesetzt, nachdem am Freitag das Regionalparlament kurz vor Inkrafttreten der Madrider Zwangsmaßnahmen einen Unabhängigkeitsbeschluss verabschiedet hatte. Die Zwangsverwaltung der wirtschaftsstarken Autonomen Gemeinschaft im Nordosten des Landes soll mindestens bis zu den für den 21. Dezember einberufenen Neuwahlen laufen.