Es sind erschreckende Bilder, die am Sonntag aus Spanien in die Welt getragen werden. Polizeieinheiten mit schwerer Stoßtrupp-Ausrüstung auf den Straßen Kataloniens. Um neun Uhr morgens beginnt der Einsatz der "Guardia Civil". Vor mehreren Wahllokalen in Barcelona gehen die Beamten rabiat auf Bürger los, treten sie, reißen sie an den Haaren und schleifen sie über den Boden. Später sollen vereinzelt auch Gummigeschosse und Schlagstöcke eingesetzt worden sein - alles, um das von der Justiz und von der Zentralregierung in Madrid verbotene Unabhängigkeitsreferendum in der aufmüpfigen Region zu blockieren.

Das von der Regionalregierung von Carles Puigdemont ausgerufene "verbindliche Referendum" wurde trotz eines Verbotes des Verfassungsgerichts und gegen den Willen der spanischen Zentralregierung in Madrid abgehalten. Diese hatte rund 4000 staatliche Polizisten nach Katalonien sowie Einheiten der in Katalonien ungeliebten paramilitärischen Guardia Civil geschickt, um die Abstimmung zu blockieren.

Die spanische Polizei versuchte bis zuletzt, das von der katalanischen Regionalregierung angesetzte Unabhängigkeitsreferendum zu verhindern. Nach Angaben der katalanischen Behörden werden bei den Einsätzen mehr als 460 Menschen verletzt. Die Polizei hat nach Angaben des spanischen Innenministeriums bis 17.00 Uhr 92 Wahllokale geschlossen. Zwölf Polizisten seien während Auseinandersetzungen verletzt worden. Drei Menschen seien festgenommen worden.

Die Ereignisse im Live-Ticker

21.20 Uhr: Auf der Rambla flanieren unterdessen die Touristen fröhlich weiter, als wäre heute nichts geschehen, als wäre Barcelona, die Schöne, wie immer. Katalanen sieht man heute noch weniger als sonst auf dieser Flaniermeile, abgesehen von den Standlern, die ihren Ramsch an Touristen bringen wollen. Doch dieser 1. Oktober ist ein unendlich trauriger Tag. Für Katalonien wie für Spanien. Fast 500 Verletzte, darunter Schwerverletzte, zeugen davon.

20.50 Uhr:  Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy gibt nach dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei in Katalonien der Regionalregierung die Schuld an den Unruhen. "Die Verantwortlichen sind die, die das Gesetz gebrochen haben", sagte der konservative Politiker am Sonntagabend vor Journalisten in Madrid.

"Wir haben nur unsere Pflicht erfüllt und das Gesetz befolgt." Es war das erste Mal am Tag des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien, dass Rajoy sich in der Öffentlichkeit zeigte.

20.10 Uhr: Britischer Außenminister besorgt

Der britische Außenminister Boris Johnson hat sich am Sonntag besorgt über die Gewalt rund um das umstrittene Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien gezeigt. Johnson stellte aber gleichzeitig klar, dass die Volksabstimmung nicht konform mit der spanischen Verfassung sei.

Großbritannien Oppositionschef Jeremy Corbyn (Labour Party) forderte die konservative Regierungschefin Theresa May über Twitter auf, ihren Amtskollegen Mariano Rajoy zu einem Ende der Polizeigewalt zu bewegen und eine politische Lösung dieser Verfassungskrise zu finden.

Der Chef der katholischen Sinn-Fein-Partei in Nordirland, Gerry Adams, forderte im Internet internationale Unterstützung für die "Demokratie in Katalonien". Adamas twitterte: "Die gewaltsame Antwort des spanischen Staats ist undemokratisch."

20.00 Uhr: Das umstrittene Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien ist nach einem von Polizeigewalt überschatteten Tag zu Ende gegangen. Nach elf Stunden schlossen die Wahllokale nach Mitteilung der Regionalregierung in Barcelona wie vorgesehen um 20.00 Uhr (MESZ).

19.20 Uhr: Juristische Schritte gegen Madrid 

Ein Sprecher der katalanischen Regionalregierung hat am Sonntag juristische Schritte gegen die Zentralregierung in Madrid angekündigt. Diese werde sich vor internationalen Gerichten wegen der Gewalt während des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums verantworten müssen.

Zugleich teilt er mit, dass der Zeitraum zur Stimmabgabe zwar nicht verlängert werde. Alle, die derzeit vor den Wahllokalen anstünden, könnten aber ihre Stimme noch abgeben. Er rechne damit, dass in der Nacht Millionen Stimmzettel ausgezählt würden. Wann die Auszählung abgeschlossen sei, wisse er nicht.

19.05 Uhr: Beschwerden gegen Regionalpolizei eingereicht

Bei mehreren katalanischen Gerichten sind am Sonntag nach Angaben des Obersten Gerichtshofs der Region Beschwerden gegen die katalanische Polizei eingegangen. Ihr werde vorgeworfen, das gerichtlich verhängte Verbot des Referendums nicht durchgesetzt und - anders als die spanische Bundespolizei - die Öffnung von Wahllokalen nicht verhindert zu haben.

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra, die in der Region verwurzelt und angesehen ist, war vor dem Referendum Madrid unterstellt worden. Dem Befehl, Schulen und andere Wahllokale abzuriegeln, kam sie am Sonntag laut Augenzeugen dennoch nicht nach und blieb passiv.

18.30 Uhr: Viele Herzen schlagen für Katalanen

Solidaritätsbekundungen aus Slowenien für Katalonien: Vor der spanischen Botschaft in Ljubljana haben sich am Sonntagnachmittag zahlreiche Menschen versammelt, um gegen das brutale Vorgehen der Sicherheitsbehörden zu protestieren. "Ich glaube, dass heute sehr, sehr viele slowenische Herzen für das katalanische Volk schlagen", sagte Staatspräsident Borut Pahor dem TV-Sender RTV Slovenija.

Als Staatspräsident müsse er zurückhaltend sein, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmische, sagte Pahor. "Aber ich glaube, dass es auch richtig ist, dass wir Slowenien über das Recht auf Selbstbestimmung zu unserer Unabhängigkeit gekommen sind, und dass auch andere solche Träume haben."

18.00 Uhr: Vor dem Ticket-Schalter des Nou-Camp-Stadions von Barcelona haben sich am Sonntagnachmittag lange Schlangen gebildet. Die Fußball-Fans füllen Formulare aus, um ihr Eintrittsgeld zurückzufordern. Der FC Barcelona hat kurz vor Spielbeginn beschlossen, als Protest gegen die Polizeigewalt beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum das spanische Ligaspiel gegen Las Palmas ohne Zuschauer auszutragen.

Tatsächlich ist der FC Barcelona zugleich Weltmarke und Symbol des Katalanismus. Dazu wurde er vor allem unter seinem ehemaligen Präsidenten Joan Laporta und dem Trainer Pep Guardiola, überzeugte Separatisten. Sie gebrauchten den FC Barcelona stets dazu, um den Wunsch vieler Katalanen nach Unabhängigkeit global zu verbreiten. Der FC Barcelona sei das beste Medium, "um die katalanische Identität in die Welt zu tragen", erklärte Laporta immer wieder.



17.37 Uhr:
Nach dem teilweise rabiaten Vorgehen der Polizei gegen Wähler und Demonstranten zur Verhinderung des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien ist die Zahl der Verletzten auf mindestens 465 Bürger gestiegen. Dies teilte das katalanische Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag mit.

Die Betroffenen wurden aufgerufen, bei der katalanischen Polizei Anzeige gegen die staatliche Polizeieinheit Guardia Civil zu erstatten. Laut spanischem Innenministerium wurden auch elf Polizeibeamte leicht verletzt.

16.15 Uhr: Das Spiel FC Barcelona gegen Las Palmas findet ohne Zuschauer statt. Das gab der katalanische Club wenige Minuten vor dem Anpfiff um 16.15 Uhr bekannt. Gleichzeitig verurteilte der Tabellenführer der spanischen Liga, dass Menschen in Katalonien an ihrem demokratischen Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert wurden. Der Verein zögerte bis zum letzten Moment. Eigentlich wollte man das Spiel ganz absagen. Doch der spanische Liga-Verband bestand auf die Austragung, nachdem die katalanische Regionalpolizei Mosso d'Esquarda die Sicherheit garantierte.

15.29 Uhr: Bei den Polizeiaktionen zur Verhinderung des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums in der spanischen Region Katalonien sind nach amtlichen Angaben Hunderte Bürger verletzt worden. Es gebe bereits 337 Verletzte, teilte die katalanische Regionalregierung am frühen Sonntagnachmittag mit.

Die Betroffenen wurden aufgerufen, bei der katalanischen Polizei Anzeige gegen die staatliche Polizeieinheit Guardia Civil zu erstatten. Das von der katalanischen Regionalregierung von Carles Puigdemont ausgerufene "verbindliche Referendum" findet trotz eines Justizverbotes und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid statt. Zur Verhinderung der Abstimmung hat Madrid rund 4.000 staatliche Polizisten nach Katalonien geschickt.

14.45 Uhr: Aufgrund des Referendums werden heute alle Fußballspiele  in Katalonien abgesagt, das wurde nun entschieden. Somit findet auch das Spiel Barcelona gegen Las Palmas nicht statt.

14.30 Uhr: Auch Fußballstar Gerard Pique vom FC Barcelona hat gewählt. "Ich habe abgestimmt", twitterte er. "Zusammen lassen wir uns beim Verteidigen der Demokratie nicht aufhalten", fügte der spanische Nationalspieler hinzu. Auch die Barca-Legenden Carles Puyol und Xavi Hernandez stellten sich hinter das Referendum. "Abstimmen ist Demokratie!", twitterte Ex-Kapitän Puyol am Sonntag.

14.00 Uhr: Das Referendum sei eine "Farce", sagt der Vertreter der spanischen Regierung für Katalonien, Enric Millo. Carles Puigdemont und seine Regierung seien "allein verantwortlich für alles, was heute passiert ist und was noch passieren könnte, wenn sie diese Farce nicht beenden."

Neben Dutzenden Wählern wurden auch elf Polizisten am Vormittag verletzt.

13.40 Uhr: In der Nähe von Wahllokalen gibt es nach wie vor keine Internetverbindungen. Damit gibt es keinen Zugriff auf das Auszählungssystem und auch weiterhin keine Möglichkeit, doppelte Stimmabgaben zu verhindern. 

13.30 Uhr: Die Regionalregierung versucht, die Abstimmung an so vielen Standorten wie möglich stattfinden zu lassen. Sie erklärte, Wähler könnten zu jedem offenen Wahllokal gehen, wenn das eigentlich vorgesehene abgeriegelt sei. Wie dadurch Mehrfach-Stimmabgaben verhindert werden können, wurde allerdings nicht erklärt. Insgesamt sind mehr als 5,3 Millionen Menschen aufgerufen, an dem Referendum teilzunehmen.

13.15 Uhr: Auf einem Plakat wird für das Spiel Barcelona gegen Las Palmas geworben - ob das heute tatsächlich stattfinden wird, ist derzeit nicht sicher.

Geduldiges Schlangestehen oder -sitzen vor den Wahllokalen
Geduldiges Schlangestehen oder -sitzen vor den Wahllokalen © AP

13.20 Uhr: Unaufhörlich kreisen Hubschrauber über Barcelona.

13.00 Uhr: Enormes Polizeiaufgebot auch bei der Kolumbus-Statue, und auf der Rambla. Vor einem Wahllokal patrouillieren spanische Polizisten, die Mossos d'Esquadra steht weiter weg. Der Chef der katalanischen Regionalpolizei, ein bekennender Separatist, hat seine rund 16.000 Beamten angehalten, die Menschen wählen zu lassen. Sittsam stellen sich hier Hunderte Menschen in einer Reihe vor dem Wahllokal an. 

12.00 Uhr: Die spanische Polizei ist präsent, die Beamten sind vermummt, aber stehen in relativem Abstand zu den Abstimmungslokalen. Immer wieder werden Autos aufgehalten - es handelt sich offensichtlich auch um eine Maßnahme, um mögliche Terroranschläge zu verhindern.

Zusammenstöße zwischen Wählern und Polizisten
Zusammenstöße zwischen Wählern und Polizisten © AP

11.30 Uhr: Die italienische Journalistin Raffaela zeigt uns ihre Striemen, die sie im Wahllokal Balmes eingefangen hat. Die Polizei habe mit Knüppeln auf Kameraleute und Reporter eingeschlagen, mehrere Menschen wurden verletzt. Dutzende Polizeiwägen fahren mit Blaulicht und Sirenen durch die Avinguda del Parallel. Bei Polizeieinsätzen sind nach Angaben der katalanischen Rettungskräfte bisher mindestens 38 Menschen verletzt worden.

Die Zeitung "El Periodico" berichtet, die Polizei habe an einer Kreuzung in Barcelona Gummigeschosse abgefeuert. Details lagen zunächst keine vor.

9.45 Uhr: Die Wahl beginnt friedlich, doch schon nach einer halben Stunde geht es rund.

Wahlmüde mag man andernorts sein, in Katalonien stellen sich die Menschen stundenlang an, um für oder gegen die Unabhängigkeit von Spanien zu stimmen
Wahlmüde mag man andernorts sein, in Katalonien stellen sich die Menschen stundenlang an, um für oder gegen die Unabhängigkeit von Spanien zu stimmen © APA/AFP/PAU BARRENA

9.00 Uhr: Kurz nach 9 Uhr früh stehen bereits Hunderte Menschen vor dem Wahllokal im Bürgerzentrum an der Playa de Sants unweit der Playa Espana in Barcelona. Es schüttet, dennoch stehen mehrere Häuserblöcke entlang die Menschen an, um an der Abstimmung teilzunehmen – Alte, Junge, Rollstuhlfahrer, Menschen auf Krücken. Dann geht die Tür auf, ein Vertreter der Wahlkommission kommt heraus. Alle Wahlurnen, erklärt er, seien von der spanischen Regierung beschlagnahmt worden.

Madrid lehnt das Referendum über eine Unabhängigkeit der Katalanen ab und will es mit allen Mitteln verhindern. Die Menschen starren auf ihre Handys, langsam dämmert es allen: Auch die Internetverbindung wurde blockiert. Damit wolle die spanische Regierung eine reguläre Auszählung verhindern bzw. im Falle eine Votums für die Unabhängigkeit die Möglichkeit haben, von Unregelmäßigkeiten berichten zu können, sagt der Vertreter der Wahlkommission.

Redakteurin Manuela Swoboda berichtet live aus Barcelona

„Gewählt wird trotzdem!“, sagt vor dem Bürgerzentrum in Sants ein Vertreter der Wahlkommission. Die draußen Stehenden skandieren lauthals „Votarem!“ - „Wir werden wählen!“. Applaus aus der Menge, Hunderte stimmen gemeinsam ein katalanisches Volkslied an - ein eindrucksvolles Zeichen ihres politischen Willens. Sie wollen diese Abstimmung einfach durchziehen. Man ist umgeben von bunten Schirmen, friedllich stehen die Menschen an, um ihr Ja oder Nein bekannt zu geben. Man solle sich nicht wundern, erklärt ein Wahlkommissions-Sprecher später, falls die mobile Kommunikation schlecht funktioniere; die spanische Regierung werde auch weiterhin versuchen, die Internetverbindung vor den Wahllokalen zu stören.



Trotz eines massiven Polizeiaufgebots vor seinem Wahllokal hat auch der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont seine Stimme abgegeben. Zuvor hatten Polizeieinheiten sein Wahllokal in Girona abgeriegelt und waren in das Gebäude eingedrungen. Die spanische Zentralregierung sieht die Volksabstimmung in der nach Unabhängigkeit strebenden Region als illegal und nicht bindend an.

In den Umfragen liegen die Gegner einer Unabhängigkeit zumeist deutlich vorne; allerdings pocht die Mehrheit der Katalanen auf ihr Recht, ein solches Referendum abhalten zu dürfen. Madrids verschärfte Gangart brachte in den vergangenen Tagen in Barcelona und anderen Städten Hunderttausende empörte Katalanen auf die Straße.