In Barcelona bilden sich seit den frühen Morgenstunden vor Wahllokalen Schlangen von Menschen, die an diesem Sonntag für die Unabhängigkeit Kataloniens stimmen wollen. Die Befürworter des Referendums rechnen mit der Beteiligung Zehntausender, obwohl die Polizei die Abstimmung unterbinden soll.

"Ich bin früh aufgestanden, weil mich mein Land braucht", sagte Eulalia Espinal, eine 65-jährige Pensionistin, die sich im Regen mit etwa 100 anderen gegen 5.00 Uhr vor einer Schule in Barcelona eingefunden hatte. "Wir wissen nicht, was passieren wird, aber wir müssen da sein."

Referendum spaltet Spanier und Katalanen

Die Befürworter des Referendums rechnen mit der Beteiligung Zehntausender, obwohl die Polizei die Abstimmung unterbinden soll. Erste Schätzungen zur Wahlbeteiligung will die Regionalregierung am Vormittag vorlegen. Die Zentralregierung in Madrid hat Tausende Beamte in die Region geschickt. Diese beschlagnahmten Stimmzettel, nahmen Befürworter der Abstimmung fest, sperrten viele der insgesamt gut 2300 Wahllokale und besetzten das IT- und Kommunikationszentrum der katalonischen Regionalregierung. Die katalonische Regierung erklärte, Wähler könnten zu jedem offenen Wahllokal gehen, wenn das eigentlich vorgesehene abgeriegelt sei. Zudem würde auch solche Stimmzettel akzeptiert, welche die Wähler zuhause ausgedruckt hätten.

Hunderte Unterstützer des Referendums hielten mit ihren Familien die Nacht über in Schulen aus, um sie für die Wähler in der Früh offen zu halten. Eine Frau in einer Schule im Zentrum von Barcelona sagte, die Eltern und Kinder hätten die Nacht in Schlafsäcken auf Gymnastikmatten verbracht. Die Polizei sei einmal gekommen, dabei aber sehr höflich gewesen. Am Samstag hatten in zahlreichen spanischen Städten Tausende für die Einheit des Landes demonstriert.

Für illegal erklärt

Nach dem Willen der Organisatoren sollen die Bürger ab 09.00 Uhr (MESZ) zur Wahl gehen. Die Volksabstimmung ist nicht bindend und wurde vom spanischen Verfassungsgericht für illegal erklärt. Die Richter berufen sich auf die gesetzlich verankerte Unteilbarkeit des spanischen Staates. Der Streit über die Abstimmung hat das Land in die schwerste Verfassungskrise seit Jahrzehnten gestürzt.

Sollte es tatsächlich zu einer Abstimmung kommen, wird damit gerechnet, dass es eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit gibt, weil viele Gegner einer Eigenständigkeit zuhause bleiben dürften. Im Vorfeld hatten sich in Umfragen aber nur 40 Prozent für eine Eigenständigkeit ausgesprochen.

Katalonien ist eine wohlhabende Region an der Grenze zu Frankreich, in der mit Katalanisch eine eigene Sprache gesprochen und ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung erzielt wird. Die Befürworter der Unabhängigkeit hatten in der Vergangenheit argumentiert, dass es der Region ohne Transferzahlungen an ärmere Gebiete Spaniens noch besser ginge. Die Regierung in Madrid warnte hingegen, dass eine Abspaltung Katalonien in die Rezession stürzen könne.