EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in seiner heutigen Grundsatzrede in Straßburg einen EU-Beitritt der Türkei mittelfristig ausgeschlossen. "Auf absehbare Zeit" werde es keinen Beitritt der Türkei geben. Denn bei den Beitrittsverhandlungen hätten Justiz und Rechtsstaats-Standards Priorität: "Rechtsstaatlichkeit ist keine Option, sondern Pflicht." Juncker appellierte direkt an die türkische Führung: "Hören Sie auf, unsere Mitgliedsstaaten zu beleidigen, und lassen Sie die Journalisten frei." Die Hand zum "türkischen Volk" werde aber "immer ausgestreckt bleiben".

Für die Staaten des Westbalkans hingegen müsse Europa eine "glaubhafte Erweiterungsperspektive" weiterhin anbieten. Die EU werde in Zukunft "mehr als 27 Staaten" umfassen. Für die laufende Kommissions-Periode schloss Juncker aber den EU-Beitritt eines neuen Landes aus, da die Verhandlungen noch zu wenig fortgeschritten seien.

Hier weitere wichtige Punkte aus Junckers Grundsatzrede:

Währungsunion: Juncker will, dass künftig alle 28 bzw. 27 EU-Länder dem Euro, dem Schengenraum und der Bankenunion angehören. Wenn die EU den Schutz der Außengrenzen verstärke, "müssen wir Rumänien und Bulgarien unverzüglich den Schengenraum öffnen". Derzeit haben nur 19 der 28 EU-Staaten den Euro.

Polen: Der Luxemburger ging indirekt auch auf den Streit um Flüchtlingsquoten und um das jüngste EuGH-Urteil ein. Dabei rügte er, kaum überhörbar, Polen: Urteile des Europäischen Gerichtshofes seien in allen Fällen zu respektieren. Dies nicht zu tun, hieße die Bürger ihrer Grundrechte zu berauben. "Rechtstaatlichkeit ist in der Union keine Option, sie ist eine Pflicht."

EU-Spitze: Der Posten des EU-Kommissionspräsidenten solle mit jenem des EU-Ratspräsidenten zusammengelegt werden - also nur mehr ein einziger EU-Chef. Denn ein einziger Präsident würde die Union und die Bürger besser widerspiegeln. Diese "Vision" wollte Juncker jedoch nicht als Kritik an EU-Ratspräsident Donald Tusk verstanden wissen. 

EU-Wahlen im Jahr 2019: Das Konzept von "Spitzenkandidaten" bei der Europawahl im Mai 2019 solle fortgesetzt werden. Juncker selbst tritt nicht mehr für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an.

Brexit: Der EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) am 29. März 2019 sei "ein trauriger und tragischer Moment". Die EU müsse aber den Willen des britischen Volkes respektieren. "Brexit ist nicht alles, Brexit ist nicht die Zukunft Europas", sagte Juncker. 

Migration: "Europa ist keine Festung und darf auch nie eine werden", so Juncker. Der EU-Treuhandfonds für Afrika stoße finanziell an seine Grenzen, die Mitgliedsstaaten sollten ihn besser ausstatten. Die Kommission werde an der Öffnung legaler Migrationswege nach Europa arbeiten, denn es müsse "eine Alternative zu einer gefährlichen Reise" für Zuwanderer geben. Andererseits: "Jene Menschen, die nicht das Recht haben, sich in Europa aufzuhalten, müssen wieder zurück."