Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Reisewarnung der Türkei für Deutschland entschieden zurückgewiesen. "Ich will hier ganz deutlich sagen: Zu uns kann jeder türkische Staatsbürger reisen", sagte die CDU-Vorsitzende am Sonntag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Delbrück (Nordrhein-Westfalen).

"Bei uns wird kein Journalist verhaftet, kein Journalist in Untersuchungshaft gesteckt. Bei uns herrscht Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit - und darauf sind wir stolz", sagte Merkel. Sie verwies auf den in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der am heutigen Sonntag Geburtstag hat. "Er sitzt nach unserer Sicht völlig unbegründeterweise im Gefängnis so wie mindestens elf andere Deutsche", kritisierte Merkel.

Die Regierung in Ankara hatte Landsleuten wegen eines angeblichen Erstarkens anti-türkischer Ressentiments im Bundestags-Wahlkampf am Samstag zur Vorsicht bei Deutschland-Reisen geraten. Die Warnung der türkischen Regierung folgt einer Verschärfung der Reisehinweise des deutschen Auswärtigen Amtes für die Türkei. Seit dem 26. Juli wird Deutschen zu erhöhter Vorsicht bei Türkei-Reisen geraten. Insbesondere sollten sich Türken in Deutschland "nicht auf politische Debatten einlassen", "sich von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien und von Plätzen fernhalten", wo Kundgebungen oder Demonstrationen stattfinden, die von "Terrororganisationen" organisiert oder unterstützt und von den deutschen Behörden geduldet werden". Dabei wird auf nicht nachvollziehbare Festnahmen von Deutschen unter dem Vorwurf des Terrorverdachts hingewiesen. Yücel sitzt seit mehr als 200 Tagen in Haft.

"Reisewarnung ist ein schlechter Witz"

Der Chef des deutschen Kanzleramts, Peter Altmaier, hat die von der Türkei für Deutschland veröffentliche "Reisewarnung" als schlechten Witz bezeichnet. "Reisewarnung der Türkei gegen Deutschland ist ein schlechter Witz! Grundlose Haft für viele Deutsche ist Unrecht! Nazivergleiche verletzen unsere Ehre!", schrieb der CDU-Politiker am Sonntag auf Twitter. Bisher hatte sich die deutsche Regierung zu der Reisewarnung noch nicht dazu geäußert.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht sich durch die "Reisewarnung" in seiner Haltung der Türkei über bestätigt. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei seien sofort abzubrechen. "Es wäre falsch, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. Die Türkei bewegt sich seit Jahren in sehr großen Schritten weg von Europa", sagt Kurz am Sonntag. "Seit dem Putschversuch letztes Jahr wurden über 100.000 Personen inhaftiert oder entlassen. Die Türkei erfüllt damit das erste Kopenhagener Kriterium, die Grundlage für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen, schon längst nicht mehr."

Stopp der Vorbeitrittshifen von 4,4 Milliarden Euro

Kurz zeigte sich zudem erfreut über den Meinungsumschwung in Deutschland, wo zuletzt auch die SPD-Politiker Martin Schulz und Sigmar Gabriel einen Abbruch der Verhandlungen gefordert hatten. Österreichs Außenminister fordert jetzt ein rasches Vorgehen ein. Bis 2020 seien noch EU-Vorbeitrittshilfen für die Türkei in Höhe von 4,4 Milliarden Euro vorgesehen. "Der Abbruch der Beitrittsverhandlungen bedeutet auch, dass wir die weiteren Vorbeitrittshilfen nicht mehr zahlen müssen. Je länger wir warten, desto mehr Geld zahlen wir in Richtung Türkei", betonte Kurz.