Die Polizei erwartet auch am Samstag schwere Auseinandersetzungen rund um den G-20-Gipfel in Hamburg. "Wir haben deutliche Hinweise, dass sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit diese Gewalttäter auch unter die heutige Demonstration 'G20 - not welcome!' mischen werden", so Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Er sei erschüttert über "menschenverachtende Angriffe" auf Polizisten und Rettungskräfte.

Unterdessen setzte sich kurz nach 13.00 Uhr die Demonstration "G20 - not welcome!" mit 20.000 Teilnehmern in Bewegung. "Es ist davon auszugehen, dass erneut kein friedlicher Protest möglich sein wird", so Meyer. Zu der Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G-20", die auch von autonomen und linksextremen Gruppen unterstützt wird, versammelten sich am Mittag mehrere Tausend Menschen. Insgesamt werden bis zu 100.000 Menschen erwartet. Die Demo wurde von dem Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angeführt, der die Demonstration angemeldet hatte. Der Protest richtet sich vor allem gegen Armut, Krieg und die Ursachen von Flucht.

Unterdessen sorgte die Tatsache für Stirnrunzeln, dass US-Präsidententochter Ivanka Trump beim G-20-Gipfel überraschend Platz am Verhandlungstisch der Staats- und Regierungschefs nahm. Die 35-Jährige vertrat ihren Vater zeitweilig während der Beratungen, wie das Weiße Haus bestätigte. Ivanka Trump gilt als enge Vertraute ihres Vaters, hat aber nur den Posten einer Beraterin und kein offizielles Regierungsamt inne.

Unklare Rolle: Ivanka Trump
Unklare Rolle: Ivanka Trump © Hamburg

Dass sie den US-Präsidenten in der Runde der Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer vertritt, ist somit ungewöhnlich. In den USA gab es in der Vergangenheit bereits Kritik an der offenbar großen Machtfülle der Präsidententochter, deren Ehemann Jared Kushner ebenfalls zum engsten Beraterkreis um Trump zählt. Ihre unternehmerischen Tätigkeiten ließen zudem den Verdacht eines Interessenskonflikts aufkommen.

Das Weiße Haus bemühte sich darum, den Auftritt Ivanka Trumps im Kreis der G-20-Chefs zu rechtfertigen. Sie habe sich im Hintergrund des Sitzungssaals der G-20-Staats- und Regierungschefs aufgehalten und "sich kurz an den Haupttisch gesetzt", als der US-Präsident den Raum habe verlassen müssen, sagte ein Vertreter des Weißen Hauses

Ein Großteil der Warenhäuser und Geschäfte in der Hamburger Innenstadt bleibt am Samstag geschlossen. Am östlich Rand der Innenstadt versammelten sich am Samstag die Demonstranten zum Protest "Grenzenlose Solidarität statt G20". Dies sollte allerdings ein friedlicher Protestzug werden, zu dem auch Familien erwartet wurden.

Geplünderte Geschäfte, brennende Barrikaden, Wasserwerfer und Tränengas: Im Hamburger Schanzenviertel waren in der Nacht auf Samstag die Proteste gegen den G-20-Gipfel eskaliert. Die Polizei ging mit einem massiven Aufgebot und Spezialkräften gegen Hunderte Randalierer vor. Im Laufe der Nacht beruhigte sich die Lage.

Gegen Mitternacht rückte die Polizei mit einem massiven Aufgebot gegen die nach ihren Angaben etwa 1.500 Randalierer nahe der Straße Schulterblatt im Schanzenviertel vor. Dort waren auch Geschäfte zerstört und geplündert worden. Die Beamten forderten Unbeteiligte auf, sich zu entfernen. Mit gepanzerten Fahrzeugen wurden Barrikaden weggeschoben. Wasserwerfer waren im Einsatz. Die Polizei sprühte auch Tränengas. Über dem Viertel kreisten zwei Hubschrauber mit Suchscheinwerfern.

Polizei mit Sturmgewehren

In diesem Zusammenhang bestätigte die Polizei den Einsatz von Spezialkräften. Die Gefährdung sei erheblich gewesen. Es habe Hinweise darauf gegeben, dass Angriffe mit Molotow-Cocktails, Steinschleudern und Wurfgegenständen vorbereitet worden seien. Am Pferdemarkt zogen nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters Polizisten mit Sturmgewehren auf. In der Krawallnacht auf Samstag seien 14 Menschen festgenommen und 63 in Gewahrsam genommen worden, hieß es.

Die Lage hat sich mittlerweile wieder beruhigt. Vereinzelt kam es in den frühen Morgenstunden noch zu Flaschenwürfen auf Polizeifahrzeuge. Der S-Bahn-Verkehr nahm unterdessen wieder den Betrieb auf.

Die Randalierer hinterließen in der Straße Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel eine Spur der Verwüstung. Die Hamburger Polizei zeigte sich schockiert über die Krawalle am Rande des G-20-Gipfels. "Wir haben noch nie so ein Ausmaß an Hass und Gewalt erlebt", sagte Sprecher Timo Zill bei "Bild Daily" Spezial. Seit Donnerstag hatten sich Hunderte Autonome Kämpfe mit den Sicherheitskräften geliefert.

213 verletzte Polizisten

Bei den Krawallen wurden nach Polizeiangaben 213 Beamte verletzt, darunter seien keine Schwerverletzten. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen. Ein Feuerwehrsprecher sagte, die Demonstranten hätten eigene Sanitäter dabei, so dass sie in vielen Fällen nicht auf fremde Hilfe angewiesen seien.

Zill sagte dem Sender N24, dass bei den Auseinandersetzungen bisher 100 Personen in Gewahrsam genommen wurden. Inzwischen seien auch einige Haftbefehle erlassen worden, sagte er. Aktuelle Zahlen wollte die Polizei am Samstag in der Früh bekanntgeben.

Der sogenannte G-20-Ermittlungsausschuss, der in Kontakt mit Demonstranten steht und sie unterstützt, wies der Polizei die Schuld an den gewalttätigen Auseinandersetzungen zu. Der anwaltliche Notdienst beklagte indes eine massive Behinderung durch Polizei und Justiz. Am Donnerstag sei ihnen der Zugang zu den Mandanten verwehrt worden, inzwischen seien in geringem Umfang Anbahnungsgespräche mit den Festgenommenen möglich.

Proteste verurteilt

Die deutsche Kanzlerin und G-20-Gastgeberin Angela Merkel verurteilte die Gewalt. Proteste mit Angriffen auf Polizisten und Brandstiftungen seien "nicht zu akzeptieren". Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sagte: "Hochaggressive, gewalttätige Straftäter bringen Sicherheitskräfte in Bedrängnis und fordern unsere offene Gesellschaft in einer Weise heraus, die für niemanden akzeptabel sein kann." Justizminister Heiko Maas forderte konsequente Strafen.

Die Krawalle beeinträchtigten am Freitag den Ablauf des G-20-Partnerprogramms. Die Ehefrau von US-Präsident Donald Trump, Melania Trump, saß stundenlang in ihrer Unterkunft an der Außenalster fest. Den ganzen Tag gab es aber auch friedliche Kundgebungen Tausender Gipfelgegner. Demonstranten versuchten unter anderem über die Straßen und auf der Elbe in die Nähe der Elbphilharmonie zu gelangen, wo die G-20-Teilnehmer und ausgewählte Gäste später am Abend Beethovens 9. Symphonie hörten. Der Gipfel soll am Samstagnachmittag zu Ende gehen.

Angesichts der Eskalation gab es auch Kritik daran, das Spitzentreffen der Wirtschaftsmächte in einer Millionenstadt wie Hamburg abzuhalten. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble vereidigte die Wahl, es müssten Tausende Medienvertreter und Teilnehmer untergebracht werden - und das gehe "nur in einer großen Stadt, die die entsprechenden Kapazitäten hat."