Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel sieht nach der Wahlschlappe der konservativen britischen Regierung die Möglichkeit für einen Verbleib des Landes im EU-Binnenmarkt. "Vielleicht gibt es jetzt eine Chance, einen sogenannten 'weichen Brexit' hinzubekommen", sagte Gabriel der Zeitung "Welt am Sonntag".

Ein Verbleib Großbritanniens im Binnenmarkt nach einem EU-Austritt bedeute aber auch eine Akzeptanz von Arbeitnehmerfreizügigkeit und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) oder zumindest ein gemeinsamen Gerichts, das aus Europäern und Briten besetzt sei und den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs im Prinzip folge. Man wolle die Briten so nah wie möglich an der Europäischen Union halten, nur niemals um den Preis, damit die verbleibenden 27 EU-Staaten zu spalten.

Den britischen Konservativen von Premierministerin Theresa May warf der SPD-Politiker vor, sich "regelrecht verzockt" zu haben. Sie hätten erst mit den Emotionen der Bürger in Großbritannien gespielt, Fake News über Europa erzählt und die Menschen im Unklaren darüber gelassen, welche Konsequenzen das alles habe, monierte Gabriel: "Dann haben sie mit vorgezogenen Neuwahlen gezockt, weil sie dachten, sich durch taktische Tricks eine größere Mehrheit verschaffen zu können." Nun habe man eine schwierige, ja unmögliche Situation, ohne klare Mehrheiten und klare Verhandlungsstrategie.

Die Brexit-Verhandlungen sollen am morgigen Montag beginnen. Fraglich ist allerdings, wie verbindlich die Briten verhandeln können, so lange die neue Regierung nicht steht. May bemüht sich um die Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), nachdem ihre Konservativen bei der Wahl Anfang des Monats die absolute Mehrheit im Parlament überraschend verloren. Die Gespräche mit der DUP sind unter anderem wegen des Hochhausbrands in London ins Stocken geraten. May strebt eine Einigung an, um eine Minderheitsregierung zu bilden.

Rückweg in die EU für Großbritannien offen

Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, zeigt sich offen für einen Verbleib der Briten in der Europäischen Union. "Den Briten steht der Weg offen, ihre Meinung zu ändern und wieder Teil der Europäischen Union zu sein", sagte der Belgier der "Welt am Sonntag". Allerdings gäbe es dann für die Briten keine Sonderwünsche oder Rabatte mehr.

Vor Beginn der Brexit-Verhandlungen am Montag beharrte Verhofstadt auf der Forderung, die Rechte aller EU-Bürger zu garantieren, die bis zum erwarteten EU-Austritt 2019 nach Großbritannien ziehen. Einen früheren Stichtag lehnte Verhofstadt ab. Damit bezog er sich auf Berichte, der britische Unterhändler David Davis wolle nur EU-Bürger berücksichtigen, die bis zum Austrittsgesuch am 29. März dieses Jahres ins Land kamen. Solange die Briten Mitglied seien, ändere sich nichts an den Rechten der EU-Bürger in Großbritannien, sagte Verhofstadt.