Wieder einmal heißt der strahlende Sieger Emmanuel Macron. Einen Monat nach seinem triumphalen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat der 39-Jährige bei der Parlamentswahl einen weiteren Erdrutschsieg eingefahren. Aus dem Stand wurde seine junge Bewegung "La Republique en Marche" in der ersten Wahlrunde mit Abstand stärkste Kraft.
Bei der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag winkt dem Präsidenten eine satte absolute Mehrheit. Macron scheint alles zu gelingen - die traditionellen Volksparteien schlittern dagegen immer tiefer in die Krise.
Rund 32 Prozent bekam "La Republique en Marche" zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem. Schon das ist ein unglaublicher Erfolg für die Bewegung, die vor etwas über einem Jahr wie ein politisches Start-up gegründet wurde.
Doch wahrhaft schwindelerregend sind die Berechnungen für den zweiten Wahlgang: Das Präsidentenlager kann demnach am kommenden Sonntag mehr als 400 der 577 Abgeordnetenmandate erobern - das liegt weit über der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen. Für die Konservativen bleiben am Schluss wohl maximal 100, für die Sozialisten nicht viel mehr als kärgliche 30 Sitze.
"Kann er über Wasser laufen?"
Noch vor wenigen Wochen hätte das kaum einer für möglich gehalten. Doch die Welle, die den charismatischen Jung-Politiker in den Elysee-Palast getragen hat, überrollt weiter Frankreich. "Kann er über Wasser laufen?" fragte ein Fernsehmoderator am Sonntagabend ungläubig.
Die viel zitierte "Macronmania" hat ein neues Level erreicht. Macrons Sprecher Christophe Castaner mahnte sofort, nicht die Bodenhaftung zu verlieren: "Es ist noch nichts entschieden, wir müssen mobilisiert bleiben."
Doch "La Republique en Marche" hat sich mit dem ersten Wahlgang eine perfekte Ausgangsbasis geschaffen. Die Franzosen scheinen entschlossen, ihrem ehrgeizigen Präsidenten eine Chance zu geben - und die Regierungsmehrheit, die er für seine sozialliberale Reformpolitik braucht. Zumal Macron in seinen ersten Amtswochen eine sehr gute Figur gemacht hat.
Andere Parteien abgestraft
Zugleich straften die Wähler am Sonntag die anderen Parteien ab. Die konservativen Republikaner hatten nach der Pleite ihres Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon eine Revanche erhofft. Doch sie landeten nun weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz und dürften in der neuen Nationalversammlung nur rund 100 Abgeordnete von bisher 200 stellen.
Die Sozialisten von Ex-Staatschef Francois Hollande erhielten sogar nur rund zehn Prozent und dürften künftig nur wenig mehr als 30 Abgeordnete stellen: eine historische Ohrfeige. Parteichef Jean-Christophe Cambadel räumte am Sonntagabend zerknirscht eine "beispiellose" Niederlage für die Linke ein.mte am Sonntagabend zerknirscht eine "beispiellose" Niederlage für die Linke ein.
Doch auch die rechtspopulistische Front National (FN) schnitt schlecht ab. Einen Monat, nachdem Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl mit fast elf Millionen Stimmen einen FN-Rekord erzielte, landeten die Rechtspopulisten bei 13,2 Prozent und dürften höchstens zehn Mandate bekommen. Als Mindestziel hatte die FN eigentlich 15 Abgeordnete anvisiert, um eine Fraktion bilden zu können. Marine Le Pen darf allerdings erstmals ins Parlament einziehen, sie gewann das Mandat schon im ersten Wahlgang. Bisher war sie ja Abgeordnete im Europaparlament.
Mit eigenen Fehlern wollten sich die Wahlverlierer am Sonntagabend aber nicht aufhalten - und ließen sich lieber über die sehr niedrige Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent aus. Das ist ein Tiefstwert bei einer Parlamentswahl in der Geschichte von Frankreichs Fünfter Republik.
Wahlmüdigkeit
Nach den Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl und der Präsidentschaftswahl selbst macht sich bei den Franzosen erkennbar Wahlmüdigkeit breit. Wenig motivierend war vermutlich zudem, dass es vor der Wahl wenig Spannung gegeben hatte - der klare Macron-Sieg hatte sich abgezeichnet.
Doch bis zum zweiten Wahlgang werden die Parteien noch einmal alles geben: "La Republique en Marche", um sich den klaren Sieg nicht doch noch nehmen zu lassen; die anderen Parteien, um den Schaden möglichst gering zu halten. Mit wenig Chancen, denn Macron hat mit seiner Hinwendung sowohl zu rechten als auch zu linken Politikverdrossenen einen Coup gelandet: In jenen Wahlkreisen, in denen nun ein Sozialist gegen einen Kandidaten von "En Marche" antritt, wird letzterer auch die Stimmen der Konservativen bekommen, und umgekehrt.
Jetzt schon ist deutlich: Der tiefgreifende Wandel der französischen Parteienlandschaft setzt sich fort. Und der große Gewinner heißt Emmanuel Macron.