Ein letzter Einigungsversuch im Streit um den Einsatz der deutschen Bundeswehr auf dem türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik ist gescheitert. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Montag nach einem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Ankara, die Türkei werde kein grundsätzliches Besuchsrecht für Bundestags-Abgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik gewähren.

Sigmar Gabriel hat sich dafür ausgesprochen, dass der Bundestag beim geplanten Abzug der deutschen Soldaten aus dem türkischen Incirlik das letzte Wort hat. "Der Bundestag entscheidet, wo die Bundeswehr stationiert wird. Das ist (...), was wir unter Parlamentsarmee verstehen", sagte er am Montag nach seinen Krisengesprächen in Ankara.

Der Abzugsprozess werde "in dieser und in der kommenden Woche" in Gang gesetzt, sagte Gabriel. Mit einer Kabinettsentscheidung schon in der nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch rechnet er aber eher nicht.

Unklar ist, ob das Bundestagsmandat für den Bundeswehreinsatz im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) tatsächlich geändert werden muss, wenn es einen neuen Stationierungsort gibt. Die Bundesregierung kann den Umzug unabhängig davon dem Parlament zur Entscheidung vorlegen.

Konya ja, Incirlik nein

Cavusoglu sagte, deutsche Abgeordnete könnten die Bundeswehr-Soldaten auf dem NATO-Stützpunkt in Konya besuchen, nicht aber die auf der türkischen Basis in Incirlik. "Im Moment sind die Bedingungen für einen Besuch in Incirlik nicht gegeben." Er hatte schon vor dem Krisengespräch mit Gabriel gesagt, die Türkei werde einem Abzug der deutschen Soldaten nicht im Wege stehen. "Wir haben sie willkommen geheißen, als sie kamen, und wenn sie gehen, dann werden wir ihnen freundlich auf Wiedersehen sagen."

In Incirlik sind rund 260 deutsche Soldaten mit ihren "Tornado"-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug stationiert. Nach einem Abzug sollen sie sich von Jordanien aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen.

Nach Angaben des deutschen Außenministeriums begründete die türkische Regierung das jüngste Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete in Incirlik damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt hat. Ankara beschuldigt die Soldaten, Angehörige der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zu sein, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich macht. Gabriel wird in Ankara auch Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim treffen.

Das Tauziehen mit der Türkei dauere schon viel zu lange und sei zu einer großen Belastung der bilateralen Beziehungen geworden, sagte Gabriel. Die Parlamentarier müssten die Soldaten im Auslandseinsatz jederzeit besuchen können. "Wenn die Türkei sich festlegt, dass sie das in Incirlik nicht kann oder will, dann bleibt uns nur die Entscheidung für ein Verlegen", sagte Gabriel.

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Monaten schwer belastet. Der Zwist um den Bundeswehreinsatz in Incirlik ist nur einer von vielen Streitpunkten. Streit gab es zwischen beiden Ländern auch rund um die Auftritte türkischer Regierungsvertreter vor dem Verfassungsreferendum im April, das Erdogan knapp gewann. Belastet wird das Verhältnis außerdem durch die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel und der Übersetzerin Mesale Tolu Corlu. Beiden wird Terrorpropaganda vorgeworfen.