Im Gegensatz zu den Chinesen, die seit 2500 Jahren Spionage betreiben, oder den Briten, die seit 500 Jahren bespitzeln, sind die Amerikaner für US-Geheimdienstexperten Tim Weiner darin Anfänger. Mit einer Ausnahme: J. Edgar Hoover.

Der Mann, der fast ein halbes Jahrhundert FBI-Chef war und aus der bundespolizeilichen Ermittlungsbehörde des US-Justizministeriums einen Staat im Staat machte, ist für Weiner ein Spionagegenie, ein "amerikanischer Machiavelli, clever und ausgefuchst". Keine "Kloake", wie Präsident Kennedys nationaler Sicherheitsbeamter es ausdrückte, schreibt Weiner in "FBI. Die wahre Geschichte einer legendären Organisation". Jede moderne polizeitechnische Methode, wie Vorratsdatenspeicherung, DNA-Analyse und biometrische Erkennung, geht auf Hoover zurück.

Deshalb widmet ihm der zweifache Pulitzerpreisträger auch den Großteil seines 700-Seiten-Epos über das Federal Bureau of Investigation. Detailverliebt, dennoch packend wie "Spy Game". Weiner nennt seine Recherchen kokett "unvollständig", denn er stützt sich ausschließlich auf Geheimdossiers (70.000 Seiten), die zur 100-Jahr-Feier des FBI 2008 freigegeben wurden.

Der Einblick in ein Überwachungssystem in einer offenen Demokratie ist beängstigend: Bürgerrechte werden gebeugt, das Recht im Namen der nationalen Sicherheit gebrochen. Alle Chefs nach Hoover hielten es keine zehn Jahre beim FBI aus.

Außer Vietnamveteran Robert Mueller, der am 4. September 2001 nach einer schweren Prostatakrebs-Operation auf dem Chefsessel des FBI Platz nahm. Und noch heute dort sitzt. Auch wenn seine Ära mit der schlimmsten Katastrophe der USA seit Pearl Harbor begann.

2001 meldeten FBI-Agenten ans Hauptquartier in Washington, Al Kaida habe Dutzende Anhänger in US-Flugschulen, die nur Starts, aber keine Landungen übten. Die Berichte kamen unbeachtet zu den Akten. Im selben Jahr warnte ein Special-Agent vor einem Terrorakt mit einem Flugzeug auf das World Trade Center. Sein Vorgesetzter erklärte, das sei nichts für das FBI, sondern Sache der Einwanderungsbehörde. Das war am 10. September 2001.