Die wichtige EU-Arzneimittelagentur soll London im Zuge des Brexit verlassen - obwohl ihr Mietvertrag noch bis 2039 läuft. Dieser Vertrag enthält keine Ausstiegsklausel und sieht noch Mietzahlungen von insgesamt 347,6 Millionen Euro vor, wie aus einem Prüfbericht des Europäischen Parlaments hervorgeht.

Beim geplanten Austritt der Briten aus der EU wollen die übrigen 27 Staaten den Umzug der Agentur trotzdem - viele Länder möchten die Behörde zu sich holen, darunter Österreich. Wie und wann über den künftigen Sitz entschieden wird, soll der EU-Sondergipfel zum Brexit - dem britischen EU-Austritt - am Samstag in Brüssel besprechen.

Auch Bankenaufsicht soll umziehen

Neben der Arzneimittelagentur mit weit über 800 Beschäftigten und mehr als 300 Millionen Euro Jahresbudget steht auch der Umzug der kleineren EU-Bankenaufsicht aus London bevor. Ihr Mietvertrag läuft den Budgetprüfern des Parlaments zufolge bis zum 8. Dezember 2026, doch ermöglicht eine Klausel die Kündigung sechs Jahre zuvor.

Das Interesse an den beiden Agenturen ist enorm - traditionell gibt es immer ein großes Geschacher, wenn die EU-Staaten über die Ansiedlung einer solchen Behörde entscheiden. Erste Entscheidungen könnten die Staats- und Regierungschefs nach Diplomatenangaben im Herbst oder schon im Juni treffen.

Dass die beiden EU-Behörden mit zusammen gut 1000 Beschäftigten trotz hoher Kosten das Londoner Büroviertel Canary Wharf verlassen werden, steht in Brüssel außer Frage: "Die beiden derzeit in London ansässigen Agenturen müssen umziehen, weil EU-Agenturen nicht außerhalb der EU liegen können", betonte Kommissionssprecher Margeritas Schinas am Freitag.

Kein Teil, sondern folge des Brexit

Die britische Regierung sei verpflichtet, bei der Umsiedlung zu helfen. Schon früher hatte Schinas zum Umzug erklärt: "Dies ist nicht Teil der Brexit-Verhandlungen, sondern eine Folge des Brexits." Bis zum Ende der Mietverträge werden die Europäer jedenfalls nicht warten wollen - schon gar nicht jene, die sich um einen Behördensitz bewerben: "Man muss eine Lösung finden", sagte ein EU-Diplomat zur Kündigung des Millionenvertrags. "Es geht nicht anders."

Die österreichische Bundesregierung rechnet sich gute Chancen aus, die Europäische Arzneimittelagentur von London nach Wien zu holen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentierten am Donnerstag Österreichs Kandidatur und Konzept für die Ansiedlung der EMA.