Drei Tage vor Beginn der Präsidentschaftswahl ist Frankreich offenbar von einem neuen Anschlag erschüttert worden: Bei einem Angriff auf Polizisten auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees wurden am Donnerstagabend nach Regierungsangaben ein Beamter und der Schütze getötet und drei weitere Menschen verletzt. Zu der Tat bekannte sich die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS).

Laut Ermittlerkreisen war der 39-jährige Täter bereits polizeibekannt. Präsident Francois Hollande sagte nach einer Krisensitzung im Elysee-Palast, die Regierung sei überzeugt davon, dass der Angriff einen "terroristischen Hintergrund" habe. Der Schütze, ein 39-jähriger Franzose, habe mit einem Sturmgewehr, einer Kriegswaffe, gezielt auf Polizisten und ihren Wagen gefeuert, bevor er erschossen wurde. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Sicherheitskräfte in Frankreich gezielt angegriffen.

Ein von den belgischen Behörden gesuchter Mann hat nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Verbindung zu dem Anschlag auf Polizisten in Paris. Der Mann stellte sich der Polizei in Antwerpen. "Nach derzeitigem Stand gibt es keine Verbindung. Aber die Ermittlungen laufen natürlich weiter", sagte ein Sprecher der belgischen Staatsanwaltschaft.

Er sei wegen einer anderen Sache gesucht worden. "Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen." Der Sprecher des französischen Innenministeriums hatte zuvor gesagt, dass die Belgier den Franzosen am Vortag eine Suchmeldung nach dem Mann übermittelt hätten. "Ist er aus der Nähe oder aus der Ferne mit dem verknüpft, was auf den Champs-Elysees passiert ist? Ich kann es nicht sagen und es ist in jedem Fall zu früh, das zu sagen", sagte der Ministeriumssprecher. Es gab den Verdacht, dass der Mann nach Frankreich fahren wollte.

Der Anwalt des Verdächtigen wurde mit den Worten zitiert: "Ich war heute Nacht mit meinem Mandanten bei der Polizei in Antwerpen, um eine Erklärung abzugeben. Mein Mandat war wie gewohnt bei der Arbeit in einer Tankstelle im Hafen, als sich der Anschlag ereignete. Er wurde wegen eines Drogenfalles gesucht, der nichts mit dem Anschlag in Paris zu tun hat."

Verletzte Touristin

Unter den drei Verletzten in Paris war neben zwei Polizisten auch eine Touristin. Sie soll laut Polizei durch einen Splitter leicht verletzt worden sein. Ihre Nationalität wurde nicht mitgeteilt. Des getöteten Polizisten soll Freitag früh landesweit gedacht werden. Zudem berief Hollande für Freitag eine Sitzung des nationalen Sicherheitskabinetts ein. Bei der bevorstehenden Präsidentenwahl werde für äußerste Sicherheit gesorgt, versprach er. Nach zahlreichen islamistisch motivierten Anschlägen gilt in Frankreich noch immer der Ausnahmezustand.

Zu dem Angriff von Donnerstagabend bekannte sich der IS über sein Propaganda-Sprachrohr Amaq. Die Agentur identifizierte den Täter als einen Kämpfer namens "Abu Yussef der Belgier".

Täter war bekannt

Die Antiterror-Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Ihr Leiter Francois Molins erklärte, der Täter sei "bekannt" und seine Identität "verifiziert". Details wollte er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen.

Die Nachrichtenagentur AFP erfuhr aus Ermittlerkreisen, dass der Angreifer - ein 39-jähriger Franzose - wegen zwei Angriffen mit Schusswaffen auf zwei Polizisten und einen dritten Mann 2005 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Er soll vor dem Angriff die Absicht geäußert haben, Polizisten zu töten. Die Behörden durchsuchten eine Wohnung in einem Pariser Vorort, in der der Mann zuletzt gewohnt haben soll.

Ein Polizeivertreter sagte, der Angreifer sei in einem Auto vorgefahren und ausgestiegen. Er habe mit einer Automatikwaffe auf das Polizeifahrzeug geschossen. "Er hat einen der Polizisten getötet und versucht, im Laufen noch weitere zu treffen."

Die Sicherheitskräfte riegelten die Champs-Elysees nach dem Angriff weiträumig ab, sperrten mehrere Metro-Stationen und riefen die Bevölkerung auf, den Bereich zu meiden. Über dem Boulevard kreiste ein Hubschrauber. Der Besitzer eines Restaurants nahe den Champs-Elysees sagte, es sei ein kurzer, aber intensiver Schusswechsel zu hören gewesen. "Wir haben unsere Kunden im Keller versteckt."

"Abscheulicher Angriff"

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den "abscheulichen Angriff" auf Polizisten in Paris via Twitter: "Meine Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des Opfers", so Kurz am späten Donnerstagabend.

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf Twitter, Deutschland stehe "fest und entschlossen an der Seite Frankreichs". Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ via Twitter mitteilen: "Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien." Auch US-Präsident Donald Trump sprach den Franzosen sein Mitgefühl aus. "Es endet einfach nie", sagte er in Washington zur anhaltenden Terrorgefahr.

In Frankreich sind vor der Wahl tausende Polizisten und Soldaten im Einsatz. Seit den islamistischen Anschlägen im November 2015 gilt der Ausnahmezustand. Bei Anschlägen 2015 und 2016 wurden insgesamt 238 Menschen getötet.

Der Angriff auf den Champs-Elysees ereignete sich während einer Serie von Live-Interviews mit den elf Präsidentschaftskandidaten im Sender France 2. Die Präsidentschaftskandidaten Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Francois Fillon sagten für Freitag geplante Wahlkampfveranstaltungen ab. Zahlreiche französische Politiker äußerten sich bestürzt und verurteilten die Tat.

  Erst zu Wochenbeginn hatten die französischen Behörden nach eigenen Angaben einen Anschlag vereitelt. In Marseille wurden zwei "radikalisierte" Verdächtige festgenommen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden unter anderem Sprengstoff, Schusswaffen sowie eine IS-Flagge gefunden. In den vergangenen Jahren hatte es in Frankreich immer wieder Angriffe auf Sicherheitskräfte gegeben.