Oppositionsgruppen haben nach Beschwerden über zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Referendum in der Türkei zu Protesten in der Metropole Istanbul aufgerufen. Die Gegner des Präsidialsystems wollen sich am Montagabend unter anderem in den Stadtteilen, Besiktas, Kadiköy und Sariyer versammeln, wie mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen auf Twitter mitteilten. Die größte Oppositionspartei CHP forderte am Montag eine Annullierung des Referendums.

Die Gruppe "Hayir Besiktas" (Nein Besiktas) schrieb etwa: "Wir sind hier gegen Betrügereien, Ungerechtigkeiten und gestohlene Stimmen!"

Nach dem Referendum in der Türkei hat die internationale Wahlbeobachtermission scharfe Kritik an der Organisation der Abstimmung geäußert. Befürworter und Gegner des Präsidialsystems hätten nicht die "gleichen Möglichkeiten" gehabt, kritisierte Cezar Florin Preda von der Wahlbeobachtermission des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) am Montag in Ankara.

Nach dem knappen Sieg von Staatschef Recep Tayyip Erdogan beim Referendum in der Türkei soll der Ausnahmezustand Medienberichten zufolge erneut verlängert werden. Die Sender CNN Türk und NTV meldeten, noch am Montag sollten dafür der Sicherheitsrat und dann das Kabinett zusammenkommen, die beide unter dem Vorsitz Erdogans tagen.

Am Dienstag ist die nächste Sitzung des Parlaments geplant, das der Verlängerung zustimmen muss. Mit der Mehrheit von Erdogans AKP im Parlament gilt eine Zustimmung als sicher.

Die späte Änderung der Abstimmungsregeln habe "gegen das Gesetz" verstoßen und wichtige "Schutzvorkehrungen" beseitigt, sagte Preda für die OSZE. Er bezog sich auf eine umstrittene Entscheidung der Hohen Wahlkommission am Sonntag, auch nicht offiziell zugelassene Wahlunterlagen als gültig zu werten. Die Opposition kritisierte diesen Schritt scharf und forderte eine Neuauszählung und sogar die Annullierung der Abstimmung.

Die Beobachtermission kritisierte, dass "der rechtliche Rahmen unzureichend bleibt für die Abhaltung eines wahrhaft demokratischen Referendums". Preda stellte aber klar, die Experten würden nicht von Betrug sprechen und hätten keine Informationen, um die Vorwürfe der Opposition zu bestätigen. Bei dem Volksentscheid hatten nach offiziellen Angaben 51,4 Prozent für die Ausweitung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan gestimmt, 48,6 Prozent dagegen.

Auch die aus den regierungskritischen Gezi-Protesten im Frühjahr 2013 entstandene Oppositionsgruppe "Haziran Hareketi" ("Juni Bewegung") rief via Twitter zum Widerstand auf. Schon am Sonntagabend gab es in Istanbul, der Hauptstadt Ankara und dem westtürkischen Izmir Proteste gegen das vorläufige Ergebnis.