Sie haben erst kürzlich Donald Trump interviewt. Wie haben Sie ihn erlebt? 

KAI DIEKMANN: Trump ist kein Politiker, sondern Unternehmer. Deswegen sieht er Politik aus einer anderen Perspektive. Er spricht auch eine andere Sprache als Politiker, die wir kennen. Er hat nicht diesen politischen Code drauf, er spricht Dinge aus, die nicht ausgesprochen werden, obwohl sie jeder hinter vorgehaltener Hand auch so formuliert.

Ist Trump ein Segen oder ein Fluch für die Welt?

KAI DIEKMANN: Keiner von uns hat mit seiner Wahl gerechnet. Gerade wir Journalisten haben uns dramatisch vertan. Deswegen stünde es uns gut an, nicht jetzt vorschnell zu urteilen, wohin seine Präsidentschaft führt. Es wäre jetzt auch arrogant  zu sagen, das ist ein Vollidiot. Trump hat sich  nicht ins Amt geputscht, sondern er ist gewählt worden. Seit meiner Zeit im Silicon Valley habe ich mir abgewöhnt, Vorhersagen zu machen, vor allem über die Zukunft. Eines ist sicher geworden – viele Dinge sind unsicherer geworden und unbeständiger. 

Gerät die Welt aus den Fugen?

KAI DIEKMANN: Wir erleben ein Comeback des Politischen. Wenn man sich überlegt, dass Mitte der 90er mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes das Ende der Geschichte ausgerufen worden ist, dann reibt man sich verwundert die Augen. Das ist immer eine Frage der Perspektive. Als wir in den 90ern behauptet haben, dass die Geschichte zu ihrem Ende gekommen ist, war für viele andere Staaten, denken Sie nur an die Sowjetunion, die Welt gerade aus den Fugen geraten.

Wenn Trump was nicht passt, werden Medien als Produzenten von „Fake News“ diskreditiert. Untergräbt das nicht die Glaubwürdigkeit aller Medien, auch der klassischen. Oder ist es nicht auch eine Chance – noch nie hatte die New York Times so eine Reichweite wie heute?

KAI DIEKMANN: Trump bedient sich nicht der klassischen Medien. Er ist ein Meister von Social Media, und jedes neue Medium hat noch seinen Master gefunden. Roosevelt hat für sich das Radio entdeckt, Kennedy das Fernsehen, und Trump ist ein Meister auf Twitter. Er kommuniziert an den klassischen Medien vorbei. Wir müssen feststellen, dass wir unser Kommunikationsmonopol verloren haben. Er braucht die klassischen Medien als Reibungsfläche, als emotionalen Gegner, um seine Anhänger zu mobilisieren. Umgekehrt, weil das Land tief gespalten ist, nützt es auch den klassischen Medien. Die leidenschaftlichen Gegner finden ihr Forum über die New York Times.

In Österreich kommunzieren die Freiheitlichen an den klassischen Medien vorbei. Ist es das Ende der klassischen Medien?

KAI DIEKMANN: Das glaube ich nicht. Wir erleben im Zusammenhang mit Fake News den Wert von professionellem Journalismus. Der Glaube, dass mit dem Internet jeder sein eigener Journalist sein könne, war ein Irrglaube. Auch im Netz geht es darum, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, Wahres von Unwahrem. Das tun am besten immer noch diejenigen, die ihr Handwerk professionell gelernt haben. Das ist die klassische Aufgabe von Journalismus, und die ist in der digitalen Welt von heute  wichtiger denn je. Das Problem, vor dem wir stehen, ist die Frage, wie wir in der digitalen Welt Journalismus künftig noch finanzieren.     

Was ist dann die Lösung?

KAI DIEKMANN: Es muss klar sein, dass guter Journalismus Geld kostet. Was nichts kostet, ist auch meistens nichts. Am Ende muss es ein Mix aus verschiedenen Erlös-Modellen sein. Es ist zu kurz gesprungen, wenn wir sagen, wir verkaufen unsere Inhalte einfach digital. Das reicht nicht in der digitalen Welt, weil das andere besser können. 

Sind Zeitungen eine aussterbende Spezies oder nur noch was für Liebhaber des Haptischen?

KAI DIEKMANN: Vor 30 Jahren haben wir auch noch Schallplatten gekauft. Kaufen Sie heute noch Schallplatten?

Nein.

KAI DIEKMANN: Wie machen Sie es heute?

Digital.

KAI DIEKMANN: Warum sollte das für Zeitungsinhalte anders sein? Unser Geschäftsmodell ist nicht Papier, sondern Journalismus. Wie wir über Jahrzehnte Journalismus betrieben haben, nämlich das, was heute passiert, auf Papier zu drucken, über Nacht an irgendwelche Kioske zu karren, damit die Menschen das nach Sonnenaufgang lesen, das ist vorbei. Journalismus passiert in Echtzeit, was passiert, kann ich gleich lesen. Gedruckte Journalismus wird viel anspruchsvoller. Die großen Marken werden noch lange Freude an ihren Print-Ausgaben haben.

Diese neue Form des Printjournalismus praktizieren wir längst bei der Kleinen Zeitung. Wenn Sie ein Medienhaus beraten müssten, was würden Sie ihm raten?

KAI DIEKMANN: Man muss immer eine Doppelstrategie fahren. Ich muss die Oberfläche Papier bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Anders als in den USA sind die meisten Zeitungen hier auch gut aufgestellt in ihrem Mix und Verhältnis aus Vertriebs- und Werbeerlösen. In den USA war alles auf Werbung ausgerichtet, deswegen sind die sofort in die Knie gegangen. In Amerika gibt es ganze Großstädte ohne Zeitung – ohne gedruckte Zeitung.

Wie erreiche ich die Jugend?

KAI DIEKMANN: Für Teenager ist das Smartphone die Fernbedienung fürs Leben. Die werden medial vollkommen anders sozialisiert, und die treffe ich auch nicht physisch am Kiosk. Sie  wachsen auf Facebook auf. Das bedeutet, dass ich auf Facebook sein muss, auf Snap Chat, Instagram, Google. Jemand, der linear Fernsehen schaut, ist nicht digital unterwegs. Meine Kinder schauen nicht linear fern.

Apropos Facebook: Sie lebten ein Jahr im Silicon Valley, um den digitalen Umbruch zu studieren. Facebook ist nicht nur eine Plattform für nette Fotos, sondern auch für Hetze und Verleumdung. Muss man da zuschauen?

KAI DIEKMANN: Es gibt viele Punkte, die man mit den Freunden aus dem Silicon Valley diskutieren muss. Unternehmen, die einen globalen Anspruch haben, müssen verstehen, dass in Europa nach Regeln gespielt wird und dass die Regeln auch für die Großen gelten. Facebook wehrt sich dagegen, ein Verleger zu sein. Wenn Facebook behauptet, sie nehmen auf Inhalte keinen Einfluss, dann stimmt das nicht. Es gibt bestimmte Inhalte, die aus dem kulturellen Eigenverständnis der Amerikaner dort nicht hingehören.

Nackte Brüste

KAI DIEKMANN: Zum Beispiel.

Umgekehrt wird der Vorwurf der Zensur erhoben? 

KAI DIEKMANN: Das tun sie jetzt schon. Sie verwenden einen Algorithmus, den wir alle nicht kennen, von dem wir nicht wissen, welche Inhalte wie bewertet werden. Das ist ja die Unehrlichkeit.

Es gibt Gerüchte, dass Sie zu Facebook oder Google gehen?

KAI DIEKMANN: Kein Kommentar. Lassen Sie sich überraschen. Das ist noch viel zu früh.

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